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Frau, Mutter, Arbeiterin

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Wie wohltuend nimmt sich — im Gegensatz zum oft konfusen emanzipatorischen Geschreibsel der letzten Zeit — die Mikrozensus-Sondererhebung (vom März 1972) des österreichischen Statistischen Zentralamtes aus!

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Wie wohltuend nimmt sich — im Gegensatz zum oft konfusen emanzipatorischen Geschreibsel der letzten Zeit — die Mikrozensus-Sondererhebung (vom März 1972) des österreichischen Statistischen Zentralamtes aus!

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Frei von Emotionen bietet diese Untersuchung ein recht vollständiges Bild von der zunehmenden Bedeutung der Frau im Berufsleben and der dadurch veränderten sozialen und beruflichen Stellung der Frau in Österreich.

Vorweg sei zur Aufgliederung der weiblichen Berufstätigen Österreichs bemerkt, daß etwa 293.900 Frauen in der Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft, Bergbau), 297.500 in der Industrie sowie im verarbeitenden Gewerbe, 545.600 Frauen im tertiären Sektor (Dienstleistungen) beschäftigt sind. Wie aus der nebenstehenden Tabelle ersichtlich wird, ist die Erwerbsquote bei 15- bis 20jährigen Frauen mit 62 Prozent am höchsten, fällt dann ab und liegt in der Alterskategorie, in der die Familienpflichten erfahrungsgemäß am größten sind, nur noch knapp über 50 Prozent.

Betrachtet man die Altersvertei-lung der berufstätigen Frauen nach dem Einfluß der Faktoren des Familienstandes und der sozialen Schichtung des Haushaltsvorstandes (also nach unterschiedlichen sozio-ökonomischen Gegebenheiten), dann wird die Erfahrung bestätigt, daß Frauen aus Arbeiterfamilien bereits in jüngeren Jahren stärker in das Erwerbsleben eingeschaltet werden als gleichaltrige Frauen aus Angestellten- oder Beamtenhaushalten.

Auch der Trend zur Zunahme der Zahl verheirateter Frauen im Erwerbsprozeß findet in der Untersuchung seine Bestätigung. 1951 waren 39 Prozent, 1961 47,1 Prozent und schließlich 1969 bereits 57,3 Prozent der im Erwerbsleben tätigen Frauen verheiratet.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren weiter verstärken, da die Kriegsausfälle der männlichen Bevölkerung durch die Normalisierung der Sexualproportion — die gegenwärtig fast schon bis zur Altersgruppe der Vierzigjährigen reicht — ausgeglichen sind. Das bedeutet, daß jede fünfte Frau zugleich verheiratet und berufstätig ist!

Die Erwerbsquote der Frauen, die insgesamt 39 Prozent beträgt, ist in den jeweiligen sozialen Schichten sehr unterschiedlich. Ursache dieser Differenzen ist die Tatsache, daß die durch den Haushaltsvorstand repräsentierte soziale Schicht sich im Umfang der Erwerbstätigkeit der Frauen widerspiegelt. Der gesellschaftliche Status des Gatten wirkt also immer noch stark auf den Status der Frau ein („Als Gattin eines Beamten hat man es doch nicht notwendig!“). Eine Tatsache, die zwar nicht neu ist, deren Implikationen jedoch leider allzu oft schamhaft verschwiegen werden.

Die zweite Tabelle macht die Verteilung der weiblichen Bevölkerung nach der Stellung des Haushaltsvorstandes in Relativzahlen ersichtlich und weist die jeweils relevanten Erwerbsquoten auf. Bei der Erhebung der durchschnittlichen Arbeitszeit der beschäftigten Frauen zeigt sich das erwartete Ergebnis: Arbeitszeiten von beispielsweise mehr als 60 Stunden in der Landwirtschaft, aber auch geringere Durchschnittszahlen bei verheirateten Frauen im allgemeinen.

Interessanter sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse bezüglich der Teilzeitbeschäftigung. Berücksichtigt wurden Teilzeitbeschäftigungen zwischen 14 und 36 Stunden pro Woche, wobei bereits 15 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen (bei Verheirateten sogar 20 Prozent). Eine weitere Feststellung ist es, daß Berufsarbeit am Wochenende zu einer häufigen Erscheinung geworden ist. 47,2 Prozent aller beschäftigten Frauen arbeiten entweder an jedem Samstag, an jedem Sonntag, oder regelmäßig an beiden Tagen. Dies betrifft selbstverständlich besonders den Dienstleistungsbereich (vor allem das Gastgewerbe) und die Berufstätigen in der Landwirtschaft.

Ganz allgemein muß betont werden, daß sich das Berufsleben der Frau weniger kontinuierlich abspielt als das des Mannes. Ist doch die Frau von einer Reihe spezifischer Faktoren abhängig: Alter, Familienstand, Zahl der Kinder, sozio-ökonomischer Hintergrund, sozialer Status des Gatten, zusätzliche Hausarbeit, Betreuungspflichten. In diesem Zusammenhang gibt auch eine Untersuchng über „Die Berufsmobilität der Frauen“ von Doktor Brunhilde Scheuringer (österreichisches Institut für Arbeitsmarktpolitik) interessante Aufschlüsse. Die Bereitschaft, nicht nur die Firma, sondern allenfalls sogar den Beruf zu wechseln, ist bei Frauen weniger stark ausgeprägt als beim Mann. Diese „Treue“ zu einem bestimmten Unternehmen oder zu einem bestimmten Beruf ist allerdings nicht ausschließlich traditionalistisch oder irrational bedingt.

Frauen in niederen Berufspositionen betonen eher Verdienstmöglichkeiten und Sicherheit des Arbeitsplatzes als Motiv für den Arbeitsplatzwechsel, während Frauen in höheren Positionen dem Moment der Selbstverwirklichung die größere Rolle beimessen. Auch ist bei letzteren das Interesse an beruflicher Weiterbildung stärker als etwa bei Hilfsarbeiterinnen und angelernten Arbeiterinnen.

Der Prozentsatz der Frauen hingegen, die tatsächlich ihren Wunschberuf ausüben, ist sehr niedrig, was auf den immer noch starken elterlichen Einfluß bei der Berufswahl zurückzuführen ist, der sich bei Mädchen stärker als bei Mänern geltend macht. Durch die zunehmende Zahl von Frauen, die in Österreich im Erwerbsleben tätig sind, werden die Funktionen und Rollen der Frau in der Gesellschaft erweitert. Heirat,Mutterschaft und Kinderbetreuung sind nicht mehr die alleinigen Elemente, die den sozialen Status der Frau bestimmen. Der Anteil der verheirateten Frauen mit Betreuungspflichten für schulpflichtige Kinder an der Zahl der berufstätigen Frauen hat sich seit 1961 nahezu verdoppelt; die Alternative: Ehe und Familie oder Beruf verliert ihre Bedeutung, eine zunehmende Integration der Frau als Mutter und Gattin ebenso wie als Berufstätige, zeichnet sich ab. Die gesellschaftliche Realität dürfte der Bewußtseinswerdung allerdings etwas davongelaufen sein. Von der Bewertung der verschiedenen Rollen und Funktionen der Frau in der öffentlichen Meinung wird es abhängen, wie bald von einer weitgehenden beruflichen Emanzipation der Frau gesprochen werden kann.

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