Toter Winkel statt Chefetage

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Schlüssel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder heimtückische Falle: Am weiblichen Teilzeit-Boom scheiden sich die Geister.

Bürgermeister Josef Hösl ist überglücklich: Vergangenen Freitag erreichte seine Marktgemeinde Hofstetten-Grünau beim Wettbwerb "Frauen- und familienfreundlichste Betriebe in Niederösterreich" in der Kategorie öffentliche Institutionen den zweiten Platz. Die familienfreundliche Marktgemeinde erfülle den Wunsch der Mitarbeiter nach Teilzeitmöglichkeiten, heißt es in der Begründung der Jury, die im Zuge der Initiative "Taten statt Worte" Vorzeigeprojekte kürt. So arbeiten von den 21 Gemeindebediensteten 13 weniger als 36 Stunden pro Woche.

Samt und sonders Frauen. "Wenn Teilzeit ausgeschrieben wird, ist kaum ein männlicher Bewerber dabei", erklärt vp-Bürgermeister Hösl diese Auffälligkeit. Bezüglich der Verteilung der familiären Versorgungspflichten herrschten in seiner 2600 Einwohner-Gemeinde eben noch "sehr traditionelle Strukturen" - und dies, obwohl man im Ort durch einen kostenfreien Ganztags-Kindergarten und acht Tagesmütter punkte.

Ob in Hofstetten-Grünau oder sonstwo in Österreich: Teilzeit ist Frauensache. Während nur 5,9 Prozent der erwerbstätigen Männer einer Teilzeitarbeit nachgehen, haben nach der aktuellen Europäischen Arbeitskräfteerhebung, die in Österreich im Rahmen des Mikrozensus der Statistik Austria erfolgt, 40,1 Prozent der berufstätigen Frauen einen Teilzeitjob. Zum Vergleich: Im Jahr 1995 haben nur 26,8 Prozent der Frauen nicht Vollzeit gearbeitet.

Einkommenschere bleibt

So sehr die begrenzte Berufstätigkeit von vielen Frauen gewünscht wird, um Beruf und Familie vereinbaren zu können - die ohnehin vorhandenen Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern nehmen dadurch noch weiter zu. So sind zwar laut jüngstem Sozialbericht die mittleren Fraueneinkommen zwischen 1980 und 1994 von 65 auf 69 Prozent der Männereinkommen angewachsen. Seit Mitte der neunziger Jahre blieben sie freilich - unter anderem durch den weiblichen Teilzeit-Boom - wieder zurück: So verdienten die Frauen im Jahr 2002 - nicht arbeitszeitbereinigt - 67,2 Prozent dessen, was Männer nach Hause brachten.

Eine Entwicklung, die ögb-Frauenvorsitzende Renate Csörgits auf die Barrikaden treibt: Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März startet der ögb deshalb eine Einkommenskampagne. "Natürlich ist es mir lieber, wenn junge Eltern teilzeitbeschäftigt sind, als wenn sie völlig aus dem Arbeitsprozess herausfallen. Aber insgesamt bemerken wir, dass Teilzeitarbeit Frauen immer öfter als automatische Arbeitszeitform angeboten wird", kritisiert die ögb-Vizepräsidentin. Dass die meisten Frauen von sich aus eine geringere Arbeitszeit anstreben, sei nur die halbe Wahrheit: Nach der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung würden zwei Drittel der teilzeitbeschäftigten Frauen gern länger arbeiten - gegenüber knapp 35 Prozent der teilzeitbeschäftigten Männner.

Gudrun Biffl, Arbeitsmarktexpertin am Wirtschaftsforschungsinstitut wifo, sieht die Lösung in mehr Partnerschaftlichkeit: "Es kann nur so sein, dass Teilzeitbeschäftigung auch für Männer attraktiv wird, dass also nicht wie bisher Männer Überstunden machen und Frauen sich auf 20 Stunden zurückziehen, sondern dass etwa beide in der Phase der Familiengründung nur rund 30 Stunden arbeiten." Erst wenn die Teilzeitarbeit - und die Familienarbeit - fair aufgeteilt würde, könnte es zu einer Reduktion des finanziellen "Gender Gaps" kommen, so Biffl.

Dass Frauen schlechter dotierte Berufe ausüben, schlägt sich nach Meinung der Expertin weniger nieder: "Damit kann man nur rund zehn Prozent des Einkommenunterschieds erklären. Zwischen 80 und 90 Prozent - je nach Branche - liegen darin, dass Frauen keine Führungspositionen übernehmen und keine Aufstiegmöglichkeiten haben, weil sie nur teilzeitbeschäftigt sind." Teilzeitjobs seien eben "Dead-End Jobs", weiß Biffl.

Spätestens im Alter führen sie auch in die finanzielle Sackgasse, betont die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung, Margit Hauft: "Ein Blick in den Sozialbericht macht klar, dass Armut speziell im Alter weiblich ist." Sie hätte sich deshalb im Rahmen der Pensionsreform einen Ausgleich für Teilzeitarbeit wegen familiärer Verpflichtungen gewünscht. Auch die Forderung der "Kinderfreunde" nach einem Vaterschutzmonat nach der Geburt wird von ihr unterstützt. Mit dem von der Regierung beschlossenen Recht auf Elternteilzeit in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern und bei mehr als dreijähriger Beschäftigung im Unternehmen ist sie indes nicht zufrieden: "Der Zufallsfaktor Betriebsgröße spaltet die Familien in zwei Klassen."

(Kein) Recht auf Teilzeit

Eine Kritik, die Ridi Steibl, Vorsitzende des Bundeskomitees "Taten statt Worte" und steirische VP-Nationalratsabgeordnete, nicht nachvollziehen kann: Ob Anspruch oder nicht - prinzipiell einverstanden sein müssten auch Arbeitgeber in großen Betrieben: "Wenn der nicht will, dass ich Teilzeit arbeite, dann kann ich mein Binkel packen."

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