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Digital In Arbeit

Flexibel aus dem Dilemma

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Vor allem Frauen wollen aus familiären Gründen lieber Teilzeit- als Vollbeschäftigung, beweisen Untersuchungen. Im Herbst wird eine umfassende Studie zur flexiblen Arbeitszeit präsentiert.

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Vor allem Frauen wollen aus familiären Gründen lieber Teilzeit- als Vollbeschäftigung, beweisen Untersuchungen. Im Herbst wird eine umfassende Studie zur flexiblen Arbeitszeit präsentiert.

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Einig sind sich die Parteien nur in der Diagnose: Der Anstieg der Frauenarbeitslosigkeit ist alarmierend. Bei der Wahl der Rezepte geht man getrennte Wege:

Staatssekretärin Johanna Doh-nal schwärmt finanzvergessen von der 30-Stunden-Woche (35 Stunden sind ihr noch zuviel) und führt seit Jahren einen Glaubenskrieg gegen die Teilzeitbeschäftigung — völlig unbeeindruckt davon, daß die Nachfrage nach Teilzeit ständig steigt, das Angebot aber viel zu gering ist. Selbst die letzte Mikrozensusuntersuchung, die den Wunsch der Frauen nach Teilzeit als attraktivem dritten Weg zwischen voller Berufstätigkeit und gänzlichem Rückzug aus dem Beruf widerspiegelt, läßt sie kalt:

93 Prozent der arbeitslosen Männer suchten eine Vollzeitbeschäftigung, hingegen nur 55 Prozent der Frauen. Und von den als arbeitslos gemeldeten Frauen gelten rund die Hälfte als „bedingt vermittlungsfähig“, das heißt, sie können wegen Familienpflichten keine Arbeit annehmen, eine Tatsache, die gerade jetzt in der Ferienzeit bei arbeitslosen Müttern eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Sie haben niemanden für ihre Kinder und ziehen es deshalb vor, „stempeln“ zu gehen.

Das heißt, nicht Faulheit, sondern der Konflikt Familie - Beruf und sehr oft der Mangel an Teilzeitstellen sind schuld, daß Frauen lieber arbeitslos bleiben. Die Alternative, 40 Stunden oder gar nicht arbeiten, erweist sich einmal mehr als Sackgasse.

Wir von der ÖVP halten im Gegensatz zu Frau Dohnal die Zwangsbeglückung mit der Arbeitszeitverkürzung für alle für falsch und glauben, daß die Teilzeit ein wichtiges Instrument (Patentrezepte gegen die Arbeitslosigkeit gibt es keine) zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist.

Viele Umfragen und unverdächtige ausländische Beispiele geben uns hierbei recht. Eine jüngste Studie von Universitätsprofessor Dieter Biberschick (Technische Universität Wien) und Universitätsassistent Gerhard Bonelli, die im Herbst ausführlich präsentiert werden wird, ist in diesem Zusammenhang besonders interessant: 513 Betriebe und 439 Arbeitnehmer beantworteten einen langen Fragenkatalog über Auswirkungen flexibler Arbeitszeiten auf Familie, Betrieb und Arbeitsmarkt.

Diese Ergebnisse entlarven die Dohnal-Argumente einmal mehr als parteipolitischen Kreuzzug, der an der Wirklichkeit vorbeigeht. Aus dem umfangreichen Zahlenmaterial daher vier besonders interessante Ergebnisse: • Flexible Arbeitsformen in den Betrieben entstehen vorwiegend auf Wünsch der Arbeitnehmer (41 Prozent der Teilzeitplätze entstanden auf Wunsch der Arbeitnehmer). Dieses Ergebnis verwundert jemanden, der wie ich im Geschäft steht, nicht. Denn meist funktioniert das so: Mitarbeiterin bekommt Kind, möchte wieder arbeiten, aber nur noch Teilzeit, Unternehmer stimmt zu, weil er die Stammkraft dem Betrieb erhalten will.

• Unternehmer und Arbeitnehmer, die Erfahrung mit Teilzeit haben, beurteilen sie positiv (siehe Kasten). Betriebe, in denen es noch keine Teilzeit gibt, sind sehr skeptisch. Hier liegt die Hauptursache für das traurige Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Teilzeit, die Hauptursache für die mangelnde Bereitschaft der Unternehmer, auch qualifizierte Arbeitsplätze in Teilzeit zu ermöglichen.

Mein steter Aufmunterungsspruch: Das bißchen mehr an Organisationsaufwand von Seiten des Unternehmers wird durch das soviel mehr an Motivation von Seiten des Arbeitnehmers wettgemacht.

• Mehr Vollzeitarbeitskräfte wollen auf Teilzeit umsteigen als umgekehrt — ein Ergebnis, das sich mit den Erfahrungen der Salzburger Teilzeitbörse deckt. Und hier liegt die ungeheure Chance für den Arbeitsmarkt: Wenn diejenigen weniger arbeiten könnten, die das wollen, wäre Platz für die, die gar keine Arbeit haben.

• Teilzeit schafft Arbeitsplätze: So ergab die Betriebsbefragung, daß durch die Umstellung auf Teilzeit in diesen Betrieben 229 Arbeitsplätze geschaffen, 29 „wegrationalisiert“ wurden.

Welche Chance in der Teilzeitbeschäftigung beschäftigungspolitisch liegt, beweist auch eine andere Zahl. Laut Dohnal hat die auf eine ÖVP-Initiative zurückgehende Einführung der Teilzeit für pragmatisierte Bundesbeamte folgendes bewirkt:

Der Teilzeitanteil ist von vier Prozent (früher konnten nur Vertragsbedienstete auf Teilzeit gehen) auf 16 Prozent gestiegen. Hier gibt es erwiesenermaßen keinen Zwang zur Teilzeit, wie ihn Johanna Dohnal immer der privaten Wirtschaft unterstellt, denn Teilzeit kann nur freiwillig auf eigenen Antrag hin gewährt werden.

Aber auch da setzt wieder meine Kritik an: Warum formuliert man die Teilzeitmöglichkeiten im öffentlichen Dienst so eng? Warum gibt man nicht die Möglichkeit, mit Teilzeit in den Ruhestand zu gleiten und macht damit bereits einen halben Arbeitsplatz frei? Warum engt man den Willen des Gesetzgebers durch Verordnungen ein?

Laut Verordnung des Unterrichtsministeriums (RS Nr. 228/ 1985) können Lehrer zur notwendigen Pflege oder Betreuung naher Angehöriger oder zur Pflege eines Kleinkindes auf Teilzeit gehen: „Bei der Begründung ist darauf zu achten, daß das Kleinkind besonderer Pflege durch einen Elternteil bedarf (kränklich, Lernoder Erziehungsschwierigkeiten etc.)!“

Das heißt: Wenn ich ein normales, gesundes Kind ohne Lernschwierigkeiten habe und mich durch das Zurückschalten auf Teilzeit mehr um dieses Kind kümmern will, darf ich das nicht. Teilzeit nur für Problemfälle, das ist ein wirklicher Irrsinn, familienpolitisch wie beschäftigungspolitisch.

Die Autorin ist Abgeordnete zum Nationalrat und Vizepräsidentin der Salzburger Handelskammer.

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