"An den Rollen- bildern kratzen“

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Allen Initiativen und Versprechen zum Trotz geht bei der Gleichstellung wenig voran. Woran das liegt, erklärt Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek.

Als Beamtenministerin kämpft sie gegen gewerkschaftliche Windmühlen, als Frauenministerin gegen gesellschaftliche. Zum Frauentag sprach Gabriele Heinisch-Hosek mit der FURCHE.

Die Furche: Der letzte "Gender Inequality Index“ des UNO-Entwicklungsprogramms bescheinigt Österreich bei der Frauengleichstellung den weltweit 16. Platz. Das klingt ja nicht so schlecht. Sind Sie zufrieden damit?

Gabriele Heinisch-Hosek: Solange die echte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern nicht Wirklichkeit ist, sollte eine Frauenministerin nicht zufrieden sein. In Österreich sind wir weit weg von einem frauenpolitischen Paradies.

Die Furche: Um dem näherzukommen, treten Sie - auch auf europäischer Ebene - für die Frauenquote in Unternehmen ein. Die Quote wird gern als Krücke dargestellt, die über einen gewissen Zeitraum eingesetzt wird, um sich danach obsolet zu machen. Wie lange braucht man diese Krücke?

Heinisch-Hosek: Ich hätte diese Krücke gern schon einmal als gesetzliche Lösung. Wir haben lediglich - und da bin ich schon stolz drauf - eine selbstverpflichtung für staatsnahe Unternehmen. Aber das ist zu wenig. Ich möchte eine verpflichtende Quote auch für die Privatwirtschaft. Das strebt ja auch die Kommissarin Viviane Reding an. Jetzt hat sie den europäischen Unternehmen über ein Jahr Zeit gegeben, die Freiwilligkeit, die sie immer heraufbeschwören, umzusetzen. Aber passiert ist nichts. Ich würde es sehr begrüßen, wenn auf europäischer Ebene verpflichtende Beschlüsse für die Mitgliedsstaaten verabschiedet werden. Der Rückenwind aus Europa würde uns gut tun, denn momentan gibt es Blockaden.

Die Furche: Auch die Selbstverpflichtung, die es in Österreich seit letztem Jahr gibt, wird nicht sanktioniert - und wirkt nicht. Der aktuelle Frauen.Management.Report der Arbeiterkammer zeigt, dass Frauen in den Aufsichtsräten nach wie vor eine Ausnahme sind.

Heinisch-Hosek: Richtig, es tut sich nichts. Wir haben einen ähnlichen Effekt bei den verpflich tenden Gehaltsangaben in Stellenanzeigen gesehen. Das erste Jahr, wo es auch schon Gesetz war, aber noch nicht sanktioniert wurde, haben sich 85 Prozent der Unternehmen nicht daran gehalten. Seit Anfang Jänner gibt es eine Verwaltungsstrafe dafür, und siehe da, plötzlich geben 85 Prozent ein Mindestgehalt an. Einen ähnlichen Effekt könnte ich mir auch bei der Quote vorstellen, wenn sie sanktioniert wird. Dann könnte man sehr schnell genügend qualifizierte Frauen finden. Denn an ihnen mangelt es nicht, aber man muss sie einladen und ihnen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind.

Die Furche: Ist eine Frauenquote in Aufsichtsräten nicht ein bisschen halbherzig? Die wichtigen Entscheidungen werden ja in den Vorständen getroffen.

Heinisch-Hosek: Ich bin überzeugt, dass auch die Besetzung der Vorstände ausgewogener wäre, wenn mehr Frauen in den Aufsichtsräten säßen. Eine Quote für Vorstände ist derzeit unmöglich.

Die Furche: Dass immer noch mehr Männer Karriere machen, hat viele Gründe: Frauen verdienen weniger für die gleiche Arbeit, wählen schlechter bezahlte Berufe, arbeiten öfter Teilzeit. Lässt sich das durch eine Quote regeln?

Heinisch-Hosek: Die Quote ist ein Instrument, aber der Ansatz ein zutiefst gesellschaftspolitischer. In Österreich haben wir ein Familienbild, das in weiten Teilen so nicht existiert. Es gibt neue Zusammensetzungen, wie Menschen zusammenleben: mit Kindern oder ohne, gleichgeschlechtlich oder heterosexuell, alleinerziehend oder im Patchwork: 90.000 solcher Familienformen gibt es. Aber immer noch ist die Familienarbeit sehr ungleich verteilt. Der Beitrag der Männer ist kleiner und sie machen viel mehr Überstunden als Frauen. Das Gleichgewicht ist hier aus der Waage. Wir müssen an den Rollenbildern kratzen, an den Stereotypen, die wir im Kopf haben. Die uns sagen: Eine gute Mutter muss möglichst lang beim Kind bleiben. Wer sagt denn das?

Die Furche: Die Männerforscherin Raewyn Connell, die Ideale von Männlichkeit in unterschiedlichen Kulturen untersucht, ortet zwischen all den Unterschieden eine Gemeinsamkeit, die alle Männer eint: Die kapitalistische Ideologie von männlicher Geschlechteridentität knüpft an Lohnarbeit. Frauen, schreibt sie, sind da freier. Sie können auch Mutter sein, oder Model, um gesellschaftliches Ansehen zu bekommen. Wären Frauen nicht blöd, wenn sie diese Freiheit aufgäben, und ihr Rollenbild dahingehend veränderten, dass auch sie beruflich erfolgreich sein müssen?

Heinisch-Hosek: Ich würde lieber die Frage stellen, ob nicht Männer blöd sind, wenn sie nur in ihrer Rolle bleiben, und nicht versuchen, ihr Rollenbild zu ändern. Wer sagt, dass Männer, die erwerbstätig sind, die besseren Männer sind? Nicht wir Frauen müssen uns ständig verändern, sondern wir können auch die Männer entlasten, indem wir sagen: Geldverdienen ist wichtig, aber nicht alles im Leben. Es gibt auch andere Werte. Wieso soll nicht auch ein Mann Teilzeit arbeiten gehen, um mehr Zeit für die Kinder - oder sich selbst - zu haben? Da gibt es noch einiges zu tun bei unserem Männerbild.

Die Furche: Die Autorin Bascha Mika hält in ihrem Buch "Die Feigheit der Frauen“ ihren Geschlechtsgenossinnen vor, dass auch sie hartnäckig an den Rollenmustern festhalten. Dass sie Kinderkriegen auch nutzen, um sich vor anderen Lebensaufgaben zu drücken.

Heinisch-Hosek: Da muss man stark unterscheiden zwischen den verschiedenen Gruppen von Frauen. Es gibt ganz viele Frauen, die unterprivilegiert sind, sehr wenig verdienen, in ganz schlecht bezahlten Branchen tätig sind, die sich denken, wenn ich Kinder bekomm’, tu’ ich was für mich und die Gesellschaft. Dann gibt’s sehr gut ausgebildete Frauen - und die, meint Bascha Mika - die sagen: "Wenn mein Mann in Harvard einen Auftrag hat, geh’ ich mit und bekomme ein Kind und mach danach Karriere.“ Es kommt dann nur nicht mehr dazu, weil es zu spät ist. Und dann gibt es noch eine Gruppe von sehr gut verdienenden Paaren, die sich sehr bewusst dafür entscheiden, dass die Mutter bei den Kindern bleibt, weil genug Geld da ist. Es gibt ja auch Frauen, die ewig glücklich sind in der Rolle, ich will ja niemandem vorschreiben, wie sie zu leben hat .

Die Furche: Trotzdem warnen Sie vor der Teilzeit-Falle.

Heinisch-Hosek: Man geht ein großes Risiko ein. Manchmal glaubt man, einen Prinzen zu treffen, und er ist doch ein Frosch. Ob die Entscheidung gegen die Berufstätigkeit auch im Alter noch in Ordnung ist, ist eine andere Frage. Zu einem selbstständigen, unabhängigen Leben gehört für mich dazu, dass man sein eigenes Geld verdienen und auch davon leben kann. Und eine am stärksten armutsgefährdete Gruppe sind Frauen, die sehr wenig verdienen, keine Schulabschlüsse oder nie die Chance hatten, sich weiterzuentwickeln.

Die Furche: Wie lange ist es denn volkswirtschaftlich leistbar, auf die Hälfte der Erwerbstätigen - zumindest teilweise - zu verzichten?

Heinisch-Hosek: Das zu berechnen wäre sehr spannend. Frauen leisten 123 Millionen unbezahlte Stunden Arbeit im Jahr, Männer 111 Millionen bezahlte Stunden. Wenn man die bezahlten Stunden der Frauen, ungefähr 70 Millionen, dazu zählt, ergibt das ein ziemliches Ungleichgewicht. Wenn man das volkswirtschaftlich bewerten würde, wären das wahrscheinlich Billionen. Man muss ins Treffen führen, was Frauen an unbezahlter Arbeit leisten, und was uns dadurch entgeht, dass sie es tun, weil sie ihre Ausbildung dabei nicht einsetzen können. Es ist in jedem Fall nicht nur gleichstellungspolitisch wichtig, sondern hat auch einen ökonomischen Nutzen, wenn Frauen mitmischen. Und zwar für Unternehmen und die Volkswirtschaft.

Jede zweite Frau arbeitet Teilzeit

Teilzeitarbeit ist in Österreich ein weibliches Phänomen: Mehr als drei Viertel aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen und fast jede zweite berufstätige Frau arbeitet Teilzeit. Der Hauptgrund dafür sind die Kinder. Das bestätigt eine von Gabriele Heinisch-Hosek in Auftrag gegebene Online-Umfrage, das "Frauenbarometer 2012“: 54 Prozent der Teilzeit beschäftigten Frauen gaben an, dass ein Vollzeitjob mit ihrem Kinderbetreuungspflichten nicht vereinbar wäre. 18 Prozent der befragten Frauen sagten, dass sie nicht mehr Stunden arbeiten wollen. 17 Prozent meinten, dass ihnen nur ein Teilzeitjob angeboten wurde. Und fast ein Viertel möchte auf längere Sicht in einen Vollzeitjob wechseln.

"Erschreckend“ ist für das Frauenministerium, dass fast 70 Prozent der Frauen nicht wissen, welche Folgen die reduzierte Arbeit für ihre Pension hat. Mütter können sich zwar einen Teil ihrer Kindererziehungszeit für die Pension anrechnen lassen, aber ein langfristig niedriges Teilzeit-Einkomen verringert die Pension erheblich: 2010 lag die durchschnittliche Frauenpension bei 784 Euro pro Monat. Männer hingegen bekamen im Schnitt 1.632 Euro pro Monat. (dol)

* Das Gespräch führte Veronika Dolna • Fotos: Katrin Bruder

Einkommen 53,2 Prozent der Frauen sind am Arbeitsmarkt tätig, bei den Männern sind es 68,1 Prozent. Im Jahr 2010 verdienten Männer im Durchschnitt um 31 Protenz mehr als Frauen.

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