"Frauen werden viel zu oft nicht mitgedacht"

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Frauen- und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) erklärt im FURCHE-Interview, wie man Mädchen für Männerdomänen interessieren kann, was sich in den Betrieben ändern sollte und warum derlei Maßnahmen keine "Umerziehung" darstellen.

DIE FURCHE: Frau Ministerin, zwischen 2003 und 2012 hat sich der Geschlechterunterschied der österreichischen Schüler in Mathematik zugunsten der Burschen klar erhöht. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie hier gegensteuern?

Gabriele Heinisch-Hosek: Hier gibt es klaren Handlungsbedarf. Unabhängig von ihren wahren Fähigkeiten haben Mädchen oft weniger Vertrauen in ihre Stärken als Burschen. Beim Projekt IMST (Innovationen machen Schule Top) wird deshalb bei der Vermittlung angesetzt, um die Gender-und Diversitäts-Sensibilität in den "MINDT-Fächern", also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Deutsch und Technik, zu erhöhen. Es gibt bereits viele Fortbildungsangebote, die Pädagoginnen und Pädadgogen für diese Herausforderung sensibilisieren und ihnen das nötige Werkzeug dafür vermitteln. In der PädagogInnenbildung Neu ist das bereits ein fixer Bestandteil.

DIE FURCHE: Welche Maßnahmen zur Förderung von Frauen in männerdominierten Berufen sollten verstärkt werden?

Heinisch-Hosek: Rollenklischees sind immer noch tief verankert. Da ist es entscheidend, möglichst früh Interessen zu wecken und Talente vorurteilsfrei zu fördern. Mädchen sollen sich schon im Kindergarten und der Volksschule technisch betätigen können und auch später nicht die Freude an Physik oder Mathematik verlieren. Es gibt bereits tolle Angebote für Mädchen, die auf die Überwindung von Barrieren beim Zugang zu naturwissenschaftlich-technischen Ausbildungen abzielen. Mit der Plattform "meine Technik" haben wir dafür vor kurzem eine zentrale Anlaufstelle geschaffen. Geschlechterstereotype wirken sich nicht nur auf die Bildungsund Berufswahl junger Menschen aus, sondern auch auf ihre Verdienstchancen.

DIE FURCHE: Was kann gegen die Gehaltsschere zwischen typisch weiblich und männlich besetzten Berufen getan werden?

Heinisch-Hosek: Hier braucht es ein grundsätzliches Umdenken. Der gesellschaftliche Wert von Arbeit muss unabhängig davon beurteilt werden, ob sie vorrangig von Frauen oder von Männern ausgeführt wird - das muss sich auch in der Entlohnung widerspiegeln. Langfristig gilt es aber die Rollenklischees zu überwinden, die immer noch dazu beitragen, dass ein großer Teil der Frauen niedrig entlohnte Berufe ergreift.

DIE FURCHE: In den Führungsebenen vieler Branchen fehlen Frauen - obwohl sie in der Ausbildung den Männern inzwischen vielfach voraus sind. Woran liegt das?

Heinisch-Hosek: Frauen finden oft Strukturen vor, die immer noch stark männlich dominiert sind. Männern wird da - teils unbewusst - bei gleicher oder gar geringerer Qualifikation mehr zugetraut. Auch zu vielen Netzwerken und Seilschaften haben Frauen keinen Zugang. Oft herrscht unter Frauen auch die Meinung, es ganz alleine an die Spitze schaffen zu müssen. Dazu kommt, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch ein "Frauenthema" ist. Zum Kinderkriegen gehören aber immer zwei, da braucht es auch eine geteilte Verantwortung.

DIE FURCHE: Weshalb sollten frauenfördernde Maßnahmen auch im Interesse von Unternehmen sein?

Heinisch-Hosek: Frauenförderungsmaßnahmen sind kein Selbstzweck, sondern sollten selbstverständlicher Teil einer effizienten und modernen Personalentwicklung sein. Es gibt viele hochqualifizierte Frauen, die prädestiniert für Spitzenjobs wären und bereit wären, Führungsverantwortung zu übernehmen. Die Wirtschaft kann davon nur profitieren. Diversität bringt nachweislich positive betriebswirtschaftliche Effekte.

DIE FURCHE: Frauenförderungsmaßnahmen "von oben" sind wenig effektiv, wenn sie nicht vom Team mitgetragen werden. Wie kann man Mitarbeiter dafür gewinnen?

Heinisch-Hosek: Die Angst ist ja häufig, dass schlechter qualifizierte Frauen bessere Jobs bekommen. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht um Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit, nicht um eine Bevorteilung. Ich glaube, dafür müssen auch die Kollegen - und durchaus auch manche Kolleginnen - noch sensibilisiert werden. Die Debatte wird oft hoch emotional und verkürzt geführt. Ein offener Umgang, Informationen oder Workshops können Vorurteile abbauen.

DIE FURCHE: Gender Mainstreaming wird gerne als "Umerziehungsmaßnahme" hingestellt.

Heinisch-Hosek: Gender Mainstreaming zielt darauf ab, dass bei der Planung politischer und wirtschaftlicher Konzepte die Besonderheiten, Interessen und Anforderungen beider Geschlechter berücksichtigt werden. Viel zu oft werden Frauen bei derartigen Entscheidungen nicht mitgedacht. Gender Mainstreaming ist also nicht mehr und nicht weniger als ein breiter gesellschaftlicher Auftrag, geschlechterspezifische Problemstellungen mitzudenken.

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