Den Körper verkaufen

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Österreichs Feministinnen treten mehrheitlich für arbeitsrechtliche Absicherung von Prostituierten ein, aber nicht ohne Divergenzen und heftige Emotionen.

War der Umgang mit Prostitution auch im politischen Diskurs lange ein Thema, das Frauensprecherinnen nur zaghaft oder gar nicht aufgriffen, wird es nun zunehmend zu einer politischen Frage. Vorgeprescht sind zunächst die Grünen unter der Wiener Stadträtin Monika Vana und die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek, die sich für eine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung und Gleichstellung von "freiwilligen Sexarbeiterinnen" stark machen.

Bedingt folgt nun auch die ÖVP-Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Christine Marek, dieser Stoßrichtung: "Wir wollen aber nicht so weit gehen wie Teile der SPÖ und der Grünen", ließ Marek vermelden und lehnt unselbstständige Arbeitsverhältnisse ab. "Denn dann hätte der Arbeitgeber Weisungsrechte gegenüber dem Arbeitnehmer." Man wolle die "Büchse der Pandora" nicht öffnen. - Soll heißen: Prostitution ist ein diffiziles Feld, wo es schwer ist abzusehen, was Gesetze bewirken.

Politischer Balanceakt

Einig sind sich aber jene drei Politikerinnen, auch Frauenministerin Doris Bures (wenn auch wenig konkret in der Umsetzung), dass die Lebenssituation der in der Prostitution tätigen Frauen durch Rechte verbessert werden soll. Doch wie weit gehen?

Marek will an der Selbstständigkeit (im Arbeitsrecht) festhalten, zudem den Ausstieg immer als Priorität ansehen. Heinisch-Hosek will arbeitsrechtliche Optionen zunächst durch eine Studie prüfen lassen. Die Sittenwidrigkeit müsse fallen, Ländergesetze vereinheitlicht werden. Vana geht es zudem um eine Anerkennung von freiwilliger Sexarbeit als Arbeit, als Dienstleistung - ohne Stigma und unmittelbare Verbindung zu Kriminalität.

Innerhalb der SPÖ spiegelt sich die ganze Diskussionsbreite des Themas zum Teil wider. Die Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger zieht nur widerwillig mit ihrer Parteikollegin Heinisch-Hosek mit. Frauenbergers Standpunkt sei klar, hieß es aus ihrem Büro: Prostitution sei eine Form der sexuellen Ausbeutung der Frau. Es müsse eine ernsthafte Diskussion innerhalb der Partei geben, die nicht medial geführt werden soll. Rechtliche Verbesserung für Prostituierte - als Gewerbe - ja; aber die Freiwilligkeit sei zu hinterfragen. Sie dringt damit mitten in den feministischen Diskurs vor, der sich vor allem am Begriff "Freiwilligkeit" reibt. Genau mit diesem Kriterium wollen die Grünen oder Heinisch-Hosek eine scharfe Grenze zu Zwang und Frauenhandel ziehen, die streng geahndet werden müssten.

Monika Vana verteidigt den Freiwilligkeitsbegriff mit dem Hinweis auf andere prekäre Arbeitsverhältnisse. "Wie freiwillig ist Arbeit am Fließband oder als Schneeräumer bei der Stadt Wien für vier Euro ohne arbeitsrechtliche Absicherung", gibt sie zu bedenken. Und eine 18-Jährige, die sich prostituiere, mache die denn das freiwillig, entgegnet etwa die Sprecherin von Frauenberger.

Der feministische Diskurs spießt sich noch an weiteren theoretischen Fragestellungen - wie etwa am Recht der Frau auf eine selbstbestimmte Sexualität, an der Würde der Frau oder der Opferrolle im Patriarchat.

Innerhalb feministischer Theorien und Diskurse gebe es zwei Positionen, die sich unüberbrückbar gegenüberstehen würden, erklärt Birgit Sauer, Politikwissenschafterin an der Universität Wien. Die so genannte abolitionistische Richtung sieht Prostitution als Unterdrückung der Frau durch das Patriarchat und fordert daher die Abschaffung der Prostitution als Idealfall sowie verlangt strenge Verbote und Strafen für Freier, Zuhälter und Schlepper in ihrer praktischen Umsetzung. Diese Strömung findet in Schweden ihren Niederschlag.

Die zweite Position, die vor allem durch die Gründung von so genannten Hurenbewegungen Aufwind bekam, fordert Rechte, Entstigmatisierung und Anerkennung als "Arbeit wie jede andere auch". Diese Position wurde vor allem von der früheren Rot-Grünen Regierung in Deutschland vertreten. In Österreich habe zu diesem Thema lange Stillschweigen geherrscht, so Sauer.

Lange nur Stillschweigen

Erstmals durch Johanna Dohnal und durch das Liberale Forum sei das Thema der rechtlichen Besserstellung von Sexarbeiterinnen diskutiert worden. Aber es sei kein großes Thema gewesen. Ganz anders im 19. Jahrhundert, wo es unter Frauenrechtlerinnen der ersten Stunde ein großes Thema gewesen sei. Damals sei die abolitionistische Sicht vorherrschend gewesen. Die Politologin betont, dass es wichtig sei, öffentlich darüber zu sprechen, vor allem, warum die Monogamie nicht funktioniere. Das sei ein Kernthema des Feminismus.

Auch die Autorin Hilde Schmölzer stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es in der Natur des Mannes liege, Sex für Geld haben zu wollen: Nein, gibt sie zur Antwort. Es sei wie mit der Konditionierung junger Männer zu Gewalt und Krieg, ähnlich sei es mit der Prostitution, es sei eine Prägung durch die Gesellschaft, in der alles einen Marktwert habe. Als Feministin der älteren Generation sieht sie das Thema ambivalent. "Natürlich ist es eine Folge des Patriarchats, aber es ist nicht aus der Welt zu schaffen. Dies haben Feministinnen lange erfolglos versucht", sagt die 70-Jährige. "Es ist furchtbar, den Körper zu verkaufen, aber der Zustand der Rechtlosigkeit ist der, worst case'." Daher fordert auch Schmölzer eine rechtliche Verbesserung und Entstigmatisierung der Frauen. Aber die Freiwilligkeit stellt sie in Zweifel. "Das ist eine Sicht des Patriarchats." Schmölzer spricht den Begriff der Würde an, der gegenüber Frauen abhanden gekommen sei.

Vehementer und kompromisslos argumentiert die deutsche Feministin Hannelore Schröder, die von eine Menschenrechtsverletzung spricht. "Prostitution, das heißt Sexualsklaverei von Frauen, kann menschenrechtsphilosophisch und wissenschaftlich niemals als, freiwillige Sexarbeit' definiert werden." Gesetze zur rechtlichen Absicherung von Prostituierten "verstoßen in extremster Weise gegen die Grundrechte der Verfassung" - etwa die Menschenwürde, so die 71-jährige feministische Politikwissenschafterin.

Der Einwand der Würde stößt bei der grünen Politikerin Vana, Vertreterin einer anderen Generation, auf Unverständnis. "Würdelosigkeit entsteht durch Rechtlosigkeit", entgegnet sie.

Eva Rossmann argumentiert in eine ähnliche Richtung, auch wenn sie grundsätzlich dem Thema ambivalent gegenübersteht. "Eigentlich schließen sich Feminismus und Prostitution aus. Aber es geht auch um die Selbstbestimmung der Frau", betont die Autorin, die 1997 das Frauenvolksbegehren mitinitiiert hat. "Gibt man der Frau mehr Rechte, dann stärkt man sie, dann kann sie selbst entscheiden, was sie tun will. Dann erst kann sie Alternativen erkennen und Chancen für einen Ausstieg wahrnehmen, um den es immer gehen muss." Der Ausstieg als eigentliches Ziel? - Auch hier scheiden sich die Geister, ob der Hinweis auf den erwünschten Ausstieg nicht im Grunde wieder der echten Akzeptanz des "normalen" Berufes Sexarbeiterin entgegensteht - wie es etwa die deutschen Grünen kritisieren. Ihr "Pro-Prostitutionskurs", so die bissige Bezeichnung der feministischen Zeitschrift Emma von Alice Schwarzer, wird nun unter der neuen deutschen Regierung in Frage gestellt. Alice Schwarzer, die massiv gegen diesen Kurs wettert, sieht nun die lang ersehnte "Trendwende". Emma zitiert etwa einen Insider, der aufzeigt, dass 95 Prozent aller Prostituierter "Zwangsprostituierte" seien. Ähnlich sieht das auch die deutsche Politologin Barbara Holland-Cunz (Universität Gießen). Sie sieht einen Umdenkprozess in Deutschland durch die Debatte um Frauenhandel. "So schnell wird heute nicht mehr von Normalisierung gesprochen."

Scharfe Grenzen

Allein der Begriff "Zwangsprostitution" ärgert Vertreterinnen der Gegenseite. Es gebe (freiwillige) Prostitution oder Nötigung, letzteres gehöre streng geahndet. Eva van Rahden, Leiterin des Sophie-Bildungsraumes für Prostituierte in Wien, gibt zu bedenken, dass in diesem Diskurs Frauen nur als Opfer gesehen würden.

In Schweden sei hingegen der abolitionistische Kurs so gut wie unumstritten, sagt Gudrun Schyman, Chefin der 2005 gegründeten Frauenpartei "Feministiskt Initiativ" in Stockholm. Die einflussreiche Politikerin fordert eine Verschärfung der Gesetzeslage, so dass Prostituierte vor Gericht auf Körperverletzung klagen könnten. Es gebe immer einer Verbindung zwischen Prostitution, Pornografie und Menschenhandel, betont sie. "Natürlich gebe es jene, die sagten, sie würden es freiwillig tun. Doch wenn man wirklich ihre Geschichte anschaut, dann sieht man, dass es keine Wahlfreiheit gab", gibt Schyman zu bedenken. Den Vorwurf, dass in Schweden die Prostitution eben im Untergrund stattfinde, lässt sie nicht gelten. Es gebe keine Anzeichen, dass der illegale Bereich gewachsen sei. Sie sieht zudem ein Umdenken bei Männern.

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