"Niemand sagt: Ich bin ein Opfer"

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Sie sind auf der Suche nach einem besseren Leben und geraten in die Fänge von Verbrechern: Der globale Menschenhandel stellt Behörden und die Zivilgesellschaft vor große Herausforderungen. Wie ist die Situation in Österreich, was muss sich verbessern?

Ich schäme mich so, daher kann ich schwer darüber sprechen. Wie konnte ich zulassen, hineingelegt zu werden, ich, wo ich mich für so klug hielt. Wenn ich jemanden davon erzählen würde, würde diese Person mich verurteilen und glauben, ich hätte vor meiner Abreise davon gewusst. Es wird schwierig sein, sie zu überzeugen, dass ich nichts davon gewusst habe, bevor ich ging; ich galt ja als attraktiv. Übrigens, mein Haar ist nun völlig grau."

Wovon diese Frau mit großer Überwindung spricht, ist ihr Erlebnis, Opfer von Frauenhandel geworden, auf der Suche nach einem besseren Leben getäuscht worden zu sein. Das Zitat stammt aus der britischen Studie "Gestohlenes Lächeln" (2006), welche die psychischen und physischen Auswirkungen beschreibt, die Opfer des Frauenhandels davongetragen haben. 95 Prozent der befragten Frauen haben physische oder sexuelle Gewalt erlebt, die meisten der Frauen wurden zur Prostitution gezwungen. Die Studie der "London School of Hygiene and Tropical Medicine" stellt vor allem die psychischen Traumata der Frauen fest, die sie oft noch Wochen nach der Befreiung aus der Gewaltsituation in ihrer Vernehmungsfähigkeit als Zeugen einschränken.

Gestohlenes Lächeln

Menschenhandel, besonders der Handel von Frauen und Kindern zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, sklavenähnlicher Beschäftigungen oder des Bettelns, stellt laut UN eine der wichtigen Einnahmequellen der Organisierten Kriminalität dar. Schätzungen - wegen der Dunkelziffer mit Vorsicht zu betrachten - gehen allein für Europa von jährlich mindestens 500.000 Opfern aus.

Im Jahr 2005 wurden in Österreich 238 Fälle von Frauenhandel angezeigt, fast alle Täter konnten ausfindig gemacht werden. 337 Betroffene wurden aus den Händen ihrer Peiniger befreit. "Die Zahlen haben nach den enormen Zuwächsen im Zuge des Beitritts der neuen EU-Länder etwas abgenommen und sich stabilisiert", sagt Oberst Gerhard Joszt vom Bundeskriminalamt. "Es bleibt aber ein enorm drängendes Problem; die Spitzen sind zwar gekappt, aber nun geht es darum, sich auf die neusten Entwicklungen einzustellen", berichtet der Leiter der Abteilung Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. "Es ist auch so, dass die Täter immer einen Schritt voraus sind." Aber es hat sich in den letzten Jahren auf internationaler und europäischer Ebene viel getan: an legistischem Instrument, an polizeilicher Kooperation sowie Ausbildung und vor allem an Sensibilisierung. Es sei noch nicht lange her, da hätten manche Länder, etwa in Afrika oder in Südostasien, das Problem noch geleugnet.

"Österreich hat legistisch und strafrechtlich alles umgesetzt, was umsetzbar war, nun geht es darum, unsere Bemühungen noch einmal zu verbessern", sagt Christine Stockhammer, Sprecherin von Justizministerin Maria Berger und verweist auf die Ratifizierung und Umsetzung diverser Übereinkommen der EU, der UN und des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels. Zudem wurde der Tatbestand des Menschenhandels im Strafrechtsänderungsgesetz von 2004 präzisiert und mit Strafen bis zu zehn Jahren Haft belegt. Österreich installierte eine übergreifende Task Force, die einen Nationalen Aktionsplan mit weiteren Verbesserungsmaßnahmen in diesem Bereich der Kriminalität und Menschenrechtsverletzung erarbeitet hat. Das Justizministerium betont zudem die internationalen Aktivitäten Österreichs: So wurden Experten als Know-How-Export in andere Länder entsandt. "Parallel zu diesen Bemühungen wird an der weiteren Schulung und Sensibilisierung, zum Beispiel von Richtern und Staatsanwälten gearbeitet", so Stockhammer.

Verstärkte Sensibilisierung, vor allem der Zivilbevölkerung, fordert auch Evelyn Probst, Leiterin der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel bei Lefö in Wien, die im vergangenen Jahr 162 betroffene Frauen und Mädchen beriet und begleitete. Dies beziehe sich besonders auf Frauen, Kinder oder Männer, die im privaten Bereich als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Es habe sich tatsächlich viel getan, betont auch Probst; doch: "Es muss sehr viel in die Identifizierung von Betroffenen investiert werden", sagt sie. "Niemand stellt sich einfach hin und sagt: ich bin ein Opfer von Menschenhandel."

"Safe Migration" gefordert

Seit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens habe sich vieles geändert. Frauen aus den neuen EU-Ländern haben nun ein Aufenthaltsrecht. Es sei daher schwer zu sagen, wer ist "einfach migriert oder wer ist Betroffener von Frauenhandel." Es brauche den Weg der "safe migration", die den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Dasselbe gilt für Frauen aus Nicht-EU-Ländern, wie etwa Moldawien oder der Ukraine, aus denen viele betroffene Frauen stammen. Hier gibt es zwar die gesetzliche Möglichkeit des Humanitären Aufenthaltsrechts, das bis zu sechs Monaten gewährt werden kann, und, so Probst, auch erteilt wird, dennoch ist es eine Kann-Bestimmung, zudem ist auch diesen Frauen ein Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt.

Probst weist auf die Wichtigkeit des Filmes "Kurz davor ist es passiert" hin (siehe Filmkritik), der versuche, Klischees zu umgehen, wie jenes des "naiven Opfers". "Wir sprechen von, Betroffenen', von aktiv handelnden Frauen, die in ihrem Frauenrecht verletzt werden."

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