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Immerhin ein Versuch

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30 Drogentote gab es im Vorjahr in Österreich! Heuer waren es schon bisher mehr. Im Vergleich dazu starben 1978 23 und 1977 „nur" 15 Personen an den Folgen ihrer Sucht. An diesen Zahlen ist vor allem der verstärkte Konsum von harten Drogen wie Heroin abzulesen.

Die mißbräuchliche Anwendung von Rauschgift ist hoch wie nie zuvor. Hier das traurige „Rekordergebnis": Wurden 1977 noch 2404 und 1978 2981 Personen im Zusammenhang mit dem Suchtgiftgesetz erfaßt, lag die Zahl des Jahres 1979 bei 3326! Davon waren mehr als die Hälfte im Alter von 14 bis 21 Jahren, zirka 30 Prozent der angezeigten Österreicher fielen in die Gruppe der 21- bis 25jährigen.

Daß etwas geschehen muß, darüber sind sich alle einig. Umstritten aber ist und bleibt die Methode.

Die im Parlament von allen drei Parteien einstimmig beschlossene und mit 1. September 1980 in Kraft getretene Novelle zum Suchtgiftgesetz wird unterschiedlich bewertet. Sie zeichnet sich im wesentlichen durch folgende Neuerungen aus:

• nbsp;In Hinkunft sollen ein Großteil der Kosten vom Bund gedeckt sowie Einrichtungen zur Auskunft, Beratung, Vermittlung von Therapieplätzen, ambulante Behandlung und Nachbetreuung gefördert werden.

• nbsp;Der Begriff „Wochenration" ist gefallen; an seine Stelle tritt die Bezeichnung „geringe Ration".

• nbsp;Die Behandlungspflicht ist im Gesetz ausdrücklich festgeigt.

• nbsp;Bei Verdacht auf Drogenmißbrauch sind, falls sich der Betroffene bisher noch keiner Behandlung unterzogen hat, Schularzt, Vorgesetzter beim Militär usw. verpflichtet, die dafür zuständigen Stellen von diesem Umstand in Kenntnis zu setzen.

• nbsp;Unterwirft sich der Süchtige freiwillig einer Entziehungskur, kann die Strafe ausgesetzt bzw. das Verfahren eingestellt werden.

Schon vor dem Inkrafttreten dieser Novelle wurden von verschiedenen Seiten Bedenken laut. Skeptiker zweifeln daran, durch strengere Gesetze und schärfere Bestimmungen eine Wendung zum Positiven erreichen zu können.

Um das Problem der Drogenabhängigkeit erst gar nicht aufkommen zu lassen, bedarf es eines langfristigen Lernprozesses sowohl von Seiten der Eltern wie auch von Seiten der Jugendlichen selbst. Diese Bewußtseinsänderung, besonders in bezug auf Lebensqualität und Werthaltung, kann jedoch unmöglich von heute auf morgen vollzogen werden.

Das neue Suchtgiftgesetz stellt immerhin einen konstruktiven Versuch dar. Erste Reaktionen darauf klingen durchaus positiv.

Frau Dr. Waltraud Kreidl von der Drogenberatungsstelle „KIT" in Innsbruck befürwortet vor allem den Paragraphen über die „Behandlungs-

pflicht", bringt aber gleichzeitig zum Ausdruck, daß die momentan zur Verfügung stehenden Therapiezentren bei weitem nicht ausreichen.

Um dieses Gesetz sinnvoll anwenden zu können, ist es, so Frau Kreidl, unbedingt notwendig, gut funktionierende „Behandlungsketten" zu schaffen. So müßte etwa die Gründung von Wohngemeinschaften gefördert werden.

Einige Lücken und Schwachstellen findet Manfred Loidl, Sozialarbeiter der Jugendberatungsstelle „Circle" in Wels. Er fragt sich, ob eine Zwangsbetreuung dazu beitragen kann, die - vorhandene - Aggression gegen Behörden abzubauen. Er sieht weiters die Gefahr, daß sich Süchtige nur deshalb einer Behandlung unterziehen, um einem Strafverfahren zu entgehen. Eine solche „Scheinanpassung" kann jedoch kaum Erfolg bringen.

Der Leiter der Zentralstelle für Suchtgiftkrankenhilfe in Wien, Dr. Heinz Wilfing, ist optimistisch: „Durch die neuen Auflagen ist die Chance der Süchtigen, von den Drogen loszukommen, wesentlich gestiegen!" Zwang könne also durchaus eine Hilfe sein. Von den oftmals erhobenen Forderungen, Rauschgift einfach „freizugeben", hält er nicht viel.

Fest steht: Die Disziplin, an sich selbst und seiner Persönlichkeit ernsthaft zu arbeiten, kann dem Drogenabhängigen weder eine Institution noch ein neues Gesetz abnehmen.

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