Die Frauen als Kriegsbeute

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Sexuelle Gewalt gegen Frauen im Krieg ist ein altes, aber verdrängtes Problem. Wie können die Verbrechen gesühnt oder verhindert werden? Die Katholische Frauenbewegung Österreichs und die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten suchen erstmals gemeinsam nach Lösungsvorschlägen.

Krieg ist Männersache. Frauen haben bei diesem Thema zu schweigen. Das musste sich sogar noch Berta von Suttner nach der Veröffentlichung ihres Antikriegsromans "Die Waffen nieder" sagen lassen. Seit Jahrtausenden sind Frauen im Krieg in erster Linie nur Objekt, zählen zum Besitz der Männer und werden von den Siegern als Beutegut betrachtet. Mit der Verschleppung, Versklavung, Vergewaltigung und Tötung der Frauen sollen vor allem die besiegten Männer gedemütigt werden. "Das beruht auf einer alten Tradition" stellt dazu der Kommandant der österreichischen Landesverteidigungsakademie, General Ernest König, fest. Gleichzeitig betont er, dass diese Tradition keineswegs mehr für das österreichische Bundesheer gelte. Er ist davon überzeugt, dass heute Vergewaltigungen bei kriegerischen Auseinandersetzungen in erster Linie aufgrund von nicht funktionierenden Kommandostrukturen von Soldaten aus nicht demokratischen Ländern und von marodierenden Räuberbanden praktiziert werden.

Dieser These kann Elenor Richter-Lyonette, Expertin für die gerichtliche Verfolgung von sexuellen Kriegsverbrechen an Frauen und Präsidentin des Schweizer Frauenrechtsnetzwerkes CWA-Coordination of Women's Advocacy nicht zustimmen. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit der Aufdeckung von geschlechtsbedingten Gewaltverbrechen im Krieg weiß sie, dass auch Soldaten aus Demokratien vor derartigen Gewalttaten nicht gefeit sind. "Dabei handelt es sich nicht um Triebbefriedigung, sondern in erster Linie um Machtausübung."

Das Bedürfnis nach Ausübung von Macht, Kontrolle und Dominanz sowie das Empfinden von Wut und Feindseligkeit, aber auch zu einem Teil sadistische Motive veranlassen keineswegs nur paramilitärische Gruppen und Räuberbanden zu sexuellen Gewalttaten, die sich nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen Kameraden und andere Männer richten. "Sexuelle Gewalt von Soldaten gegenüber Männern ist jedoch total tabuisiert. Über erzwungenen Geschlechtsverkehr oder Kastration wird nicht geredet", musste die Aufdeckerin von sexueller Gewalt im Krieg feststellen.

Richter-Lyonette recherchierte mit einem Team im Auftrag des Schweizer Außenamtes im ehemaligen Jugoslawien, um Material für die Anklage von Kriegsverbrechern beim Internationalen Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag zusammenzutragen. Bei ihren Erhebungen und Einvernahmen wurde deutlich, dass durchaus auch Angehörige der jugoslawischen Volksarmee Frauen vergewaltigten. "Im Kosovokrieg konnten die Frauen dann aber die Täter oft nicht mehr so leicht als Soldaten identifizieren, da sich diese bewusst unkenntlich machten und sich aller Rangabzeichen entledigten. Das haben sie von den alten Kämpfern der Armee und aus deren Erfahrungen im Bosnienkrieg gelernt", berichtet die Schweizer Expertin.

Voyeurismus

Die systematischen Vergewaltigungen und erzwungenen Schwangerschaften von in Lagern festgehaltenen Frauen im Bosnienkrieg machten einst Schlagzeilen. Die Empörung über diese Kriegsverbrechen war groß, Hilfsprojekte wurden gestartet.

Marion Feik, Referentin für Katastrophenhilfe der Caritas der Erzdiözese Wien, koordinierte damals ein spezielles österreichisches Frauenhilfsprogramm. Sie erinnert sich, dass der Medienrummel um die Vergewaltigungen die meisten Frauen noch mehr verstörte und hinderte, über ihr Schicksal zu sprechen. Feik warnt daher vor einer voyeuristischen Auseinandersetzung mit dem Thema "Beutegut Frau". Wesentlich erscheint ihr, dass Frauen ihr Schweigen brechen und über ihre traumatisierenden Erlebnisse im Krieg erzählen können. Im Bosnienkrieg haben Frauen in ihrer Verzweiflung das Tabu gebrochen und ihr Schicksal öffentlich gemacht.

Das hat viel bewirkt. Auch Elenor Richter-Lyonette stellte dies bei ihrer Recherche im ehemaligen Jugoslawien fest. " Während in Bosnien die meisten Betroffenen und ihre Familien beharrlich über die Gräueltaten schwiegen, redeten später im Kosovo alle öffentlich miteinander über die Vergewaltigungen", erinnert sie sich. Von Zeugenberichten weiß sie, dass im Zuge der geplanten "ethnischen Säuberung" dort die Männer, ehe sie getötet wurden, die Vergewaltigung ihrer Töchter und Frauen ansehen mussten. "Die Frauen wurden danach verschleppt, oft noch einige Tage missbraucht, ehe sie meist längstens nach einer Woche auch ermordet wurden. Über ihr Schicksal wurde aber in den Medien weit weniger berichtet als noch im Bosnienkrieg."

Das Schicksal der vergewaltigten und ermordeten Frauen in Ruanda hat hier auch kaum jemand mehr berührt. Kriegerische Konflikte in Afrika machen in Österreichs Medien keine Schlagzeilen.

Die wachsende Angst vor einem neuen Weltkrieg nach den Terroranschlägen in New York ließen das Thema Krieg und Frauen wieder aktuell werden. Anlässlich der internationalen Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen", die vom 25 November bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, auch in Österreich durchgeführt wird, motivierte das Blatt die Katholische Frauenbewegung Österreichs und die Arbeitsgemeinschaft katholischer Soldaten zum ersten gemeinsamen Diskurs über das Thema "Beutegut Frau". Im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, an jenem Ort, wo an die Kriegsführung der Männer und an das Leid der Soldaten erinnert, das Schicksal der Frauen im Krieg jedoch nur am Rande erwähnt wird, und wo sexuelle Gewalt im Krieg überhaupt kein Thema ist, diskutierten ExpertInnen die Frage: Wie können die Verbrechen an Frauen im Krieg gesühnt und verhindert werden?

Kavaliersdelikt

Alle waren sich einig, dass sich in den letzten Jahren etwas verändert hat und maches in Bewegung kommt. Das internationale Recht verurteilt nun geschlechtsspezifische Gewalttaten. Vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag wurden bereits Kriegsverbrecher wegen sexueller Gewaltsdelikte schuldig gesprochen. Die sogenannte Focâ-Anklage führte zum bisher einzigen Prozess, der sich ausschließlich mit organisierter sexualisierter Gewalt im Bosnienkrieg befasste. Zum ersten Mal wurde die Vergewaltigung von gefangenen Frauen in der bosnischen Stadt Focâ als sexuelle Versklavung angeprangert und mit hohen Haftstrafen von bis zu 28 Jahren verurteilt.

Das internationale Recht kann aber nach Ansicht von General Ernest König die alte Tradition, nach einem Sieg die Frauen der Besiegten zu vergewaltigen, nicht brechen. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten Österreichs ortet in militärischen Kreisen noch immer die Auffassung, sexuelle Gewalt sei ein "Kavaliersdelikt". Elenor Richter-Lyonette plädierte für eine breite Auseinandersetzung und Sensibilisierung der Soldaten mit dem Thema Verbrechen an Frauen im Krieg. Vor allem auch bei der Ausbildung von Militär für friedenserhaltende Maßnahmen müsse die Aufarbeitung von geschlechtsspezifischen Gewaltdelikten ein Thema sein.

Die Autorin ist Redakteurin der Zeitschrift "Welt der Frau" und Pressereferentin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

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