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Geile Sexgangster im Richtertalar?

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Wien, Graues Haus, Außenstelle Florianigasse, Saal B, Montag, 2. Dezember 1991, Prozeß gegen Karl N. wegen Verbrechens der Vergewaltigung. Der Angeklagte wird aus der Untersuchungshaft vorgeführt, das Verfahren beginnt nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung und läuft weiter nach diesen.

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Wien, Graues Haus, Außenstelle Florianigasse, Saal B, Montag, 2. Dezember 1991, Prozeß gegen Karl N. wegen Verbrechens der Vergewaltigung. Der Angeklagte wird aus der Untersuchungshaft vorgeführt, das Verfahren beginnt nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung und läuft weiter nach diesen.

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Für mehrere Tage sind Frauen als Zeuginnen geladen, die nach dem Vorwurf der Anklage Opfer des Täters waren. Der Angeklagte ist voll geständig. Er wird am 10. Dezember 1991 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Einem großen Teil der Opfer werden als Privatbeteiligte finanzielle Entschädigungen zugesprochen.

Also ein ganz normaler Prozeß mit klarem Ausgang?

Man sollte es meinen, und es war auch so. Es scheint jedoch Personen zu geben, die das nicht wahrhaben wollen.

„Vergewaltigung - mit Zeugen?" war ein Beitrag in der FURCHE 50/ 1991 betitelt, Übertitel: „Die Täter kommen gut weg, weil Gesetze und Beweislast dies fördern." Der Artikel zeigte Probleme des Strafverfahrens, wenn es um sogenannte Vergewaltigungsprozesse geht.

Kein Zweifel: Probleme gibt es

Kein Zweifel: Die Probleme existieren, sie sind nicht zu bestreiten.

Kein Zweifel: Der Richter, gleich wes Geschlechts, ist dabei stark gefordert, namentlich in seiner Psyche, in seinem Einfühlungs- und Beurteilungsvermögen und so weiter.

Aber: Rechtfertigt dies eine geradezu demagogische Propaganda des

im Artikel vom 12. Dezember so oft zitierten Vereins „Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen"?

Etwa die Behauptungen: „Aufgrund unserer Erfahrungen ist davon auszugehen, daß sich Ärzte, Polizeibeamte, ... Richter... mit den Vergewaltigern identifizieren, indem sie Frauen mit sexistischen Bemerkungen belästigen, ihnen unterstellen, daß sie die Tat provoziert haben oder vergewaltigt werden wollen, Frauen in pornographischer Weise befragen, unter Ausnutzung ihrer Autoritätsposition,

Frauen zu wiederholten Schilderungen unwesentlicher Details zwingen, ■ um sich daran zu begeilen, Frauen mit Suggestivfragen zu falschen Aussagen bringen, ihre Aussagen in Protokollen durch eigene Formulierungen verharmlosen"?

Dies ist keine Erfindung krasser Phantasie, diese Thesen finden sich in einem Flugblatt des genannten Vereins, das anläßlich des erwähnten Prozesses in den Damentoiletten des Gerichtsgebäudes aufgelegt wurde. Da es auch weibliche Richter gibt, kam dieses Flugblatt klarerweise auch in die Hände des Gerichts.

Was sollen diese generalisierenden massiven Angriffe gegen Rich-ter( innen) und andere am Verfahren beteiligte Personen? In ihrer Generalisierung fehlt ihnen schon jede Seriosität, sie können nur als haltlos bezeichnet werden.1

Was ist damit für die vergewaltigten Frauen gewonnen? Warum müssen sie vor ihrer Vernehmung als Zeuginnen gegen das Gericht aufgehetzt werden? Ich habe es selbst als Richter erlebt, daß Frauen in Begleitung von Mitarbeiterinnen des genannten Vereins den Gerichtssaal schon mit einer beträchtlichen Animosität

gegen die Richter betreten haben und zunächst nur mühsam zu einer Kooperation zu bewegen waren, daß sie also nur zögernd auf Fragen des Gerichts überhaupt Antworten gaben, obwohl diese Fragen zunächst keineswegs das unmittelbare Ereignis der Vergewaltigung berührten. Erst nach einigen aufklärenden Sätzen und einem kurzen Gespräch begannen diese Frauen, sich kooperativ zu zeigen, nachdem das'ihnen vorher demonstrierte Feindbild vom „bösen und gemeinen Richter" offenbar geschwunden war.

Wem ist damit geholfen?

Wem ist mit einer solchen Propaganda gegen die Gerichte geholfen? Es soll hier nicht der „Notruf als solcher angegriffen werden. Jede Initiative ist zu begrüßen, die Frauen in bedrängten Situationen beisteht und ihnen Hilfe zukommen läßt.

Derartiges begrüßen ganz gewiß auch die Gerichte. Falsch und unsachlich generalisierende Behauptungen sind aberkeine Hilfe, eine derartige Vorgangsweise ist kontraproduktiv.

Ebenso eine nicht der Sach- und Rechtslage entsprechende Belehrung von Frauen, die sich dem Verfahren als Privatbeteiligte anschließen wollen, ebenso falsche Behauptungen über „Glaubwürdigkeitsgutachten", die es als solche gar nicht gibt.

Aber vielleicht kommt man miteinander ins Gespräch, es müßte jemand den Anfang machen.

Die Richter werden dazu sicher bereit sein, sofern ein Zusammentreffen von den Gesprächspartnerinnen nicht bloß als Gelegenheit aufgefaßt wird, eine Fülle weitere Verbalinjurien einzubringen.

Vielleicht sind die Richter gar keine Sexgangster.

Der Autor, auch als Presserichter bekannt, ist Richter am Landesgericht für Strafsachen Wien.

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