Terror statt Geborgenheit

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Bilanz von zehn Jahren Gewaltschutzgesetz: Probleme auf dem Land und bei psychischer Gewalt.

Eine Frau Mitte dreißig steigt aus der U-Bahn und geht durch eine düstere menschenleere Station. Ihre Schritte werden immer schneller, ängstlich sieht sie sich um. "Wenn Sie glauben, dies sei ein gefährlicher Ort für eine Frau, dann warten Sie, bis sie nach Hause kommt", sagt eine Männerstimme. Mit diesem Videoclip wirbt der Europarat für die Kampagne gegen häusliche Gewalt an Frauen.

Im Rahmen dieser Kampagne tagten Anfang November nationale und internationale Experten und Expertinnen in Wien und St. Pölten, um Erfolge und Mängel des Gesetzes zu diskutieren. Das Zusammentreffen wurde von Frauenministerin Doris Bures und Innenminister Günther Platter initiiert. Ein bei den Vorträgen immer wieder angesprochenes Problem: Häusliche Gewalt im ländlichen Raum.

Birgitt Haller ist Mitarbeiterin des Wiener Instituts für Konfliktforschung. "2006 wurden in der Stadt 4100, am Land 3100 Betretungsverbote ausgesprochen. Am Land leben aber zwei Drittel der Bevölkerung und dort spielt sich nicht weniger Gewalt ab."

Eine Ursache dafür sieht die Expertin darin, dass Frauen am Land häufig in einem patriarchalen Umfeld leben, in dem private Gewalt bagatellisiert wird: "Niemand mag sich einmischen und viele betroffene Frauen wissen nur wenig von Unterstützungsmöglichkeiten."

Auch die gesellschaftlichen Strukturen können eine Rolle spielen: "Es kann leicht vorkommen, dass ein Polizist, der von einem Opfer gerufen wird, den Gewalttäter persönlich kennt." So sind Fälle bekannt, in denen die fast ausschließlich männlichen Beamten Sympathie für die Täter zeigten und den Opfern unterstellten zu lügen oder zumindest zu übertreiben. "Da die Beamten mitunter selber im Ort wohnen, wollen sie sich durch ihr Einschreiten nicht unbeliebt machen und zum Außenseiter werden", sagt Haller.

Bei den Polizeistellen in städtischen Gebieten gehen mehr Hilferufe ein als auf dem Land. Oft schämen sich Frauen, die geschlagen wurden, und suchen die Schuld für die Gewalt bei sich.

Hinzu kommen noch infrastrukturelle Probleme. Haller: "Am Land haben Frauen oft kein eigenes Auto zur Verfügung, um in die meist weit entfernten Gewaltschutzstellen zu gelangen. In Nieder- und Oberösterreich gibt es Außenstellen der Interventionsstellen." Ansonsten muss ein Opfer mitunter in die jeweilige Landeshauptstadt fahren.

Anna Sporrer ist Vorsitzende des Frauenrechtsschutzvereins. Auch sie weiß um die Problematik: "Wenn man Jahrzehnte am gleichen Fleck wohnt und jeder jeden kennt, sind solche Amtshandlungen oft nur sehr schwierig durchzuführen."

"Man muss auch erwähnen, dass manche Landespolizeikommandos vorbildlich arbeiten. Trotzdem kommen Beschwerden über das Einschreiten der Exekutive fast ausschließlich aus dem ländlichen Raum", sagt Haller. Eine mögliche Lösung sieht sie in der Sensibilisierung und besseren Schulung der Polizei: "Die unmittelbaren Vorgesetzen müssten besser auf ihre Beamten schauen. Die müssen die Augen aufmachen."

Sprache als Waffe

Gewalt hat viele Gesichter. So war auch der Begriff der psychischen Gewalt immer wieder ein Thema der Tagung. Oft werden Frauen gedemütigt und beschimpft. In Gerichtsverfahren ist es schwierig, solche Arten von Gewalt nachzuweisen. Für die Mitarbeiter der Gewaltschutzstellen ist es wichtig, auch davon zu wissen, um die jeweilige Gewaltbeziehung besser verstehen zu können.

Rechtsexpertin Sporrer erklärt die rechtliche Lage: "Gegen psychische Gewalt stehen zivil- und strafrechtliche Mittel zur Verfügung. So kann etwa bei Stalking ein Schadensersatz gefordert werden." Und auch das Gesetz bietet mit der einstweiligen Verfügung Schutz. Doch laut Sporrer ist das nicht immer einfach: "Das Problem ist, dass Gerichte dieses Urteil ungern aussprechen, was auf der schwierigen Beweisführung von psychischer Gewalt beruht." Ist ein Opfer gefährdet, muss das nicht bewiesen, sondern bescheinigt werden. Der Richter muss also von der Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung überzeugt sein. Alleine die Aussage des Opfers ist oft zu wenig. Kindern will man den Auftritt vor Gericht ersparen.

Sporrer: "Atteste vom Hausarzt, oder einem Psychologen können da sehr nützlich sein. Ist die Leidensgeschichte eines Opfers dokumentiert, wird alles einfacher. Die Gerichte haben Angst vor Missbrauch. Nicht jede Frau ist ein Opfer." Viele Frauen geben für ihre Verletzungen falsche Gründe an oder gehen gar nicht zum Arzt.

Sylvia Löw vom Verein Wiener Frauenhäuser: "Männer, die ihre Frauen erniedrigen, versuchen oft, die volle Kontrolle über ihre Partnerin zu bekommen und diese von allen sozialen Kontakten zu isolieren. Sie sprechen Drohungen wie, ich bring dich um' oder, wirst schon sehen, was passiert' aus. Stalking ist auch dann psychische Gewalt, wenn keine ausdrücklichen Erniedrigungen oder Drohungen stattfinden, da die unerwünschte ständige und unmittelbare Präsenz eines Menschen, der eine beharrliche Verfolgung seines Opfers aufnimmt, eine psychische Bedrohung darstellt."

Oft kommt es dazu, weil ein Ex-Partner die Trennung nicht akzeptieren will. Es gibt Fälle, in denen Frauen 40-mal in der Nacht angerufen werden, ständig Briefe und versteckte Zettelbotschaften erhalten.

Zukunftsperspektiven

Das Gewaltschutzgesetz hilft vielen, aber nicht allen. Neben Spanien und Großbritannien nimmt Österreich beim Thema Gewaltschutz dennoch eine Vorreiterrolle in Europa ein. Zusätzlich zum Gewaltschutzgesetz ist seit Juli 2006 das Anti-Stalking-Gesetz in Kraft. Seit Jänner 2006 haben alle Opfer von Gewalt das Recht, im Strafverfahren kostenlos psycho-soziale und juristische Prozessbegleitung zu erhalten. Inspiration für derartige Verbesserungen liefern oft die Gesetzesregelungen anderer Länder. Löw: "In den USA, in West Virginia, habe ich schon 1987 die so genannten, Familiy protection order' kennen gelernt, die bei Wegweisung eines Gewalttäters auch gleichzeitig eine Art einstweilige Verfügung für Unterhalt und Obsorge für den entsprechenden Zeitraum vorsah, wenn die betroffene Frau dies beantragte."

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