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ZUFLUCHT FRAUENHAUS

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Frau N. wurde von ihrem Mann durch die Drohung, ihr sonst das Kind wegzunehmen, zur einvernehmlichen Scheidung gezwungen. Bei der Scheidungsverhandlung hat sie gegenüber ihrem von einem Anwalt unterstützten Mann einem Vergleich zugestimmt, nach dem sie lediglich geringfügige Alimente bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes zu erwarten hat. Weder für sich selbst, noch für den gemeinsamen Hausrat und den Auszug aus der gemeinsamen Wohnung erhielt sie eine Abgeltung, obwohl ihr Mann Inhaber mehrerer Geschäfte war.

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Frau N. wurde von ihrem Mann durch die Drohung, ihr sonst das Kind wegzunehmen, zur einvernehmlichen Scheidung gezwungen. Bei der Scheidungsverhandlung hat sie gegenüber ihrem von einem Anwalt unterstützten Mann einem Vergleich zugestimmt, nach dem sie lediglich geringfügige Alimente bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes zu erwarten hat. Weder für sich selbst, noch für den gemeinsamen Hausrat und den Auszug aus der gemeinsamen Wohnung erhielt sie eine Abgeltung, obwohl ihr Mann Inhaber mehrerer Geschäfte war.

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Vorübergehend gestattete der Mann ihr und dem Kind auch nach der Scheidung noch das Wohnrecht, das er aber nach dem Auftauchen einer Freundin abrupt entzog. Zu diesem Zeitpunkt kam die Frau mit dem Kind ins Frauenhaus. Bei dem Versuch der Frau das Kind wegzunehmen, schlug er sie. Der Polizei gegenüber stellte er den Vorgang so dar, daß er sie vor einem Selbstmordversuch bewahrt hätte.

In der Folge gelang es ihm, bei Gericht ein Sachverständigengutachten über ihren Gesundheitszustand zu beantragen mit dem Ziel, ihr wegen möglicher Gefährdung des Kindes das Sorgerecht wegnehmen zu lassen. Der Frau - sie ist Ausländerin - wurde der Paß abgenommen, und sie kam unter massiven Druck, ihre psychische und physische Eignung zur Versorgung des Kindes nachzuweisen.Und obwohl der Mann das Kind nicht einen Tag seines Lebens ganz betreut hatte, lag die Beweislast bei der Frau. Da es in solchen Fällen keinen Rechtsbeistand des Staates gibt, hängt es von der finanziellen Leistungskraft der Frau ab, sich einen Anwalt zu nehmen, währenddessen beispielsweise in diesem Fall der Firmenanwalt das für den Mann erledigt.

Um Frauen einerseits Soforthilfen geben zu können, andererseits grundsätzlichen Beistand, um eine gewalttätige Beziehung zu verlassen, gibt es - nach internationalen Vorbildern -auch in Österreich seit etwa 14 Jahren Frauenhäuser, insgesamt derzeit 15 Frauenhäuser und Einrichtungen für mißhandelte Frauen und Kinder. Diese .- Autonomen - Frauenhäuser arbeiten nach bestimmten Grundsätzen und Ziel Vorstellungen: Sie müssen Tag und Nacht erreichbar sein, die Aufenthaltsdauer in ihnen ist unbegrenzt, die Anonymität wird zugesichert, ihre Angebote bestehen einerseits in Schutz und Soforthilfe, andererseits in Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe. Die Autonomen Frauenhäuser verwalten sich selbst in Teamarbeit, was auch die dort aufgenommenen Frauen einschließt, und ein Teil ihrer Arbeit besteht in der Prävention durch Bewußtseinsbildung in der Öffentlichkeit.

Da stellt sich natürlich sofort die Frage der Finanzierung. Rosa Logar, die Obfrau des Vereines Aktionsgemeinschaft der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser betont, daß jedes Frauenhaus für sich einen -regional unterschiedlich zusammengesetzten - Trägerverein hat. In ihm sind meist - aber nicht immer - auch Funktionärinnen der politischen Parteien vertreten. Die Trägervereine erhalten ihre finanziellen Mittel als Subventionen der Landesregierungen und Gemeinden, was bedeutet, daß diese - weil nicht als fixer Budgetansatz verankert - relativ ungesichert und jährlich neu zu bestimmen sind. Wien und Salzburg bilden da eine Ausnahme. Finanzielle Unterstützung kommt auch vom Frauen- und vom Familienministerium. Eine Tätigkeit Frau Logars besteht also auch darin, finanzielle Unterstützung für konkrete Hilfen zusätzlich zu „erbetteln-.

Gerade im eingangs geschilderten Fall käme etwa der Möglichkeit der Zuziehung eines Anwaltes/einer Anwältin wesentliche Bedeutung zu, was aber an den Kosten scheitert. Solche Juristen/Juristinnen müßten nicht nur - wie derzeit - für Rechtsauskünfte zur Verfügung stehen, sondern die einzelnen Fälle auf Dauer begleiten und auch etwa für Gerichtsverhandlungen zur Verfügung stehen können.

Wenngleich Frau Logar lieber noch das System der Verfahrenshilfe derart abgeändert sähe, daß ein staatlicher Rechtsbeistand vorzusehen ist. Zielvorstellung wären auch nicht einfach durch die Rechtsanwaltskammer zugeteilte, sondern einschlägig geschulte Anwälte/Anwältinnen. Sie meint, daß der Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten eine wichtige Rolle zukommt, denn auf diese Weise erreichte oberstgerichtliche Entscheidungen würden wieder eine veränderte Rechtspraxis in Gang setzen.

Wenn eine Frau in einem Frauenhaus Zuflucht findet, werden in den ersten vierzehn Tagen zunächst keine unwiderruflichen Schritte unternommen, da viele Frauen nach dieser Frist wieder in ihre Familien zurückkehren. Mindestens die Hälfte von ihnen kommt nicht in Trennungsabsicht, sondern aus einer akuten Notsituation. Wichtigste Regel ist, auf Frauen mit Gewalterfahrung keinen Druck auszuüben. Nur bei Körperverletzungen oder zum Schutz des Kindes müssen sofort Anzeigen erstattet werden. Nach einer Woche kann sich die Frau eine Mitarbeiterin des Frauenhauses als Betreuerin aussuchen, dazu auch eine Vertreterin. „Es ist wichtig, daß die Frau selbst diesen

Schritt macht, meist haben sie ein gutes Gefühl dafür, wem sie sich anvertrauen wollen.-

Die Frauen sollen sich selbst aus ihrer „Ohnmacht- befreien, Stück für Stück sollen sie Macht über ihr Leben gewinnen, „Ermächtigungsprozeß-nennen das die Sozialarbeiterinneri im Frauenhaus. Nicht persönliche Schwächen, persönliches Versagen als Ursachen für Gewalt werden gesucht, aber die eigenen Anteile an der entstandenen Situation sollen aufgearbeitet werden. Die „Therapie-, die Begleitung durch die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen, setzt bei der konkreten Situation der Frauen an.

Häufig sind die Mißhandlungen ja nicht nur körperlich, es wird Kontrolle über die Frauen ausgeübt, sie werden in Abhängigkeit und Isolation gehalten, Kontakte zu Verwandten, zum Freundeskreis werden unmöglich gemacht. Je isolierter die Frau ist, umso weniger kann sie gegen den Mann unternehmen.

Im Frauenhaus wird die Isolation durchbrochen, Beziehungsnetze werden wieder aufgebaut. „Wir ermutigen die Frauen, ihre Beziehungen von früher wieder aufzunehmen - außer • sie tun ihnen nicht gut, dann unterstützen wir die Abgrenzung-, sagt Rosa Logar, die selbst Mitbegründerin des ersten Wiener Frauenhauses ist und selbst noch mitarbeitet. „Besonders wichtig sind auch die Beziehungen der Frauen im Frauenhaus untereinander, wichtige Gruppenprozesse finden, dort statt, der Erfahrungsaustausch ist hilfreich für sie.- Im Zusammensitzen beim Kaffee in der Küche, bei den Nachtdiensten, die die Frauen selbst leisten müssen, in gefährlichen Situationen, in denen sie einander unterstützen, geschieht Selbsterfahrung, wächst das Selbstbewußtsein. „Für die Frauen ist es auch wichtig zu sehen, daß in den Frauenhäusern die Frauen selbst alle Kompetenzen haben, selbständig entscheiden und handeln. Das ist ein wichtiges Signal-, betont Frau Logar.

Der notwendige Schritt aus dem Frauenhaus heraus setzt das Vorhandensein einer

Wohnmöglichkeit voraus, Frauen und Kinder seien sozusagen Flüchtlinge aus dem eigenen Heim, manchmal auch aus dem eigenen Dorf, der eigenen Stadt, und die Gemeinden seien im Grunde verpflichtet, für sie wieder eine Wohnmöglichkeit zu schaffen. Deshalb gebe es ständig Gespräche der Frauenhäuser mit den Landesregierungen, und das sei wieder ein finanzielles Problem, merkt Rosa Logar an. Durch „Einstweilige Verfügungen- könnten Männer zwar aus der Wohnung gewiesen werden, aber bei deren allfärliger Rückkehr entstehen oft riskante Situationen.

Polizisten werden geschult

Um auch gesellschaftliche Zusammenhänge zu verändern, findet derzeit wieder eine Schulungskampagne für dreitausend Polizeibeamte in Wien statt. Dabei werden - nun schon seit zweieinhalb Jahren - in der berufsbegleitenden verpflichtenden Fortbildung für Polizeibeamte zwei Stunden zum Thema „Gewalt in der Familie-durch Frauenhaus-Mitarbeiterinnen gestaltet. Künftig soll dies fixer Teil der polizeilichen Grundausbildung werden, erste Erfolge im Umgang der Polizisten mit Betroffenen hätten sich schon eingestellt.

Eine weitere wichtige Zielgruppe für Bewußtseinsänderungen wären die Richter. Straftaten mit Gewaltanwendung innerhalb der Familie würden von Richtern noch immer anders beurteilt als außerhalb, obwohl rechtlich dafür keine Grundlage bestehe. Gute Kontakte gebe es zurGruppe der Familienrichter, die auch auf Scheidungsverhandlungen spezialisiert seien, das soziale Unmfeld berücksichtigten und gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen erarbeiteten. Sonst gebe es nur informelle Gespräche mit einzelnen Richtern.

Eine Art Prävention gegen Gewalt in der Familie und gegenüber Frauen könnten auch partnerschaftliche Beziehungsmodelle sein, die aber leider im öffentlichen Bewußtsein, in Werbung oder Fernsehen, nicht wirklich propagiert würden, bemerkt Frau Logar.

Ein kleines Element dabei ist das Informationsprogramm für Schulen „Liebe geht nicht mit Gewalt-, das für Jugendliche ab vierzehn gedacht ist und auch häufig von Schulen angefordert wird.

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