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„…partnerschaftlicher als bisher“

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Knapp vor der Sommerpause des Parlaments ist ein weiterer entscheidender Teil der Familienrechtsreform beschlossen worden: Die Neuordnung der Stellung des ehelichen Kindes. Hinter diesem etwas verwirrenden Titel steht die Verbesserung des Erziehungsrechtes der Frau. Ein Stück Partnerschaft mehr ist damit verwirklicht worden.

Dieser Reform werden daher vor allem die Frauen sehr gerne zustimmen, im Bewußtsein aber, daß ein Ja zu einem guten Gesetz nur ein Teil seiner Bedeutung sein kann und daß der zweite, der vielleicht schwierigere, noch zu tun übrig bleibt - nämlich die Umsetzung in die Praxis.

Dies gilt ja nicht nur für das Familienrecht, sondern für alle Gesetze. Und wenn es etwa im bereits reformierten Familienrecht heißt, daß dann, wenn beide Ehepartner berufstätig sind, auch dem Mann dem Gesetz nach die Mithüfe im Haushalt zufallt (was bei der derzeitigen fast allgemeinen Technisierung nicht einmal eine so große Belastung sein muß), so bedeutet das in der Praxis natürlich noch lange nicht, daß dies auch jeder davon betroffene Ehegatte nun auch wirklich tut.

In vielen anderen Fragen der Partnerschaft und der vielfeitierten Emanzipation, die übrigens fälschlich sofort und ausschließlich mit Frauenrechtsfragen gleichgesetzt wird, verhält es sich ganz ähnlich. Die Frau wird daher nicht nur innerhalb der Familie, sondern auch im Berufsleben vielfach sehr viel Eigeninitiative aufbringen müssen, um sich durchzusetzen. Wenngleich der Unterschied schon stark unterstrichen werden soll, der darin besteht, ob sie dabei das Gesetz an ihrer Seite weiß oder nicht.

Das Familienrecht hat seine Bedeu tung gewiß nicht nur innerhalb der vier Wände einer gemeinsamen Wohnung, sondern geht weit darüber hinaus. An dieser Stelle wurde zitiert, daß die Gesellschaft die Rolle der Frau klar zu definieren und zu bewerten habe, daß also die Gesellschaft über die Rolle der Frau entscheiden müßte. Das kann aber nur heißen, daß die Frau genauso wie der Mann über ihre Rolle vorerst einmal selbst Entscheiden müßte - und diese Rolle kann wohl eine sehr vielfältige und eine sehr unterschiedliche sein.

Die Aufgabe der Gesellschaft muß darin bestehen, den Menschen nicht zu fixieren, sondern ihm Entfaltungsmöglichkeiten zu geben - was logisch dazu führen muß, daß man sehr wahrscheinlich weit mehr exzellente Hausfrauen oder berufstätige Frauen in den verschiedenen Sparten (Künstlerinnen usw.) erhält als andernfalls. Es darf, und auch das steht im Zusammenhang mit dem neuen Familienrecht, zu keinerlei Diskriminierungen der einen oder anderen Tätigkeit kommen, was konkret für eine Frauenbewegung bedeuten muß, sich verstärkt um eine gemeinsame Sprache zwischen der Hausfrau, der berufstätigen Frau und der Politikerin zu bemühen. Solidarisch denkende Frauen werden sich in vielen Fällen leichter integrieren können, was ja schließlich das Ziel aller emanzipatorischen Anstrengungen sein muß.

Die materiellen Leistungen für die Familie, die ganz besonders in den letzten Jahren erbracht wurden und die weiterhin ausgebaut werden sollen, sind zweifellos die Basis für eine gute Familienposition, aber sie sind nicht alles. Im Zusammenhang mit dem Materiellen werden über die künftige Rolle der Familie verstärkt auch andere Überlegungen anzustellen sein.

Die Familie von heute, die die Aufgabe hat, die Familie von morgen vorzubereiten, unterscheidet sich sehr wesentlich von der Familie von gestern. Man mag damit einverstanden sein oder nicht, es ist jedenfalls Tatsache, daß Frauen und Mütter ihr ausschließliches Lebensziel nicht mehr in der „Aufopferung“ sehen, die dann suspekt werden kann, wenn sie z. B. von heranwachsenden Kindern gar nicht gewünscht, ja als belastend empfunden wird.

Heute werden in den Familien kaum mehr sieche Menschen jahrelang gepflegt und die Familienmitglieder nehmen Arbeit und Einsatz der Mutter nicht mehr ganz so selbstverständlich hin. Gewiß werden in jeder Gemeinschaft, und besonders innerhalb der Familie, stets gewisse Verzichte er bracht werden müssen - aber doch wohl partnerschaftlicher als bisher.

Vieles hat sich geändert, vieles wird von neuen Gesichtspunkten her gesehen werden müssen, auch in der Familie. Wir haben mehr Freizeit - welche Chance einander kennenzulernen, welche Chance auch für das Gespräch, für die Demokratisierung der Familie!

Die Menschen, auch die Ehepartner, sind meistens viel zu dominierend durch gemeinsame materielle Interessen als durch gemeinsame - oder manchmal auch gegensätzliche - andere, wie geistige oder musische verbunden. Hier gibt es viele Möglichkeiten für ein neues aktives Familienklima. Die Menschen sind länger jung und weder Mann noch Frau sind ein Leben lang Vater oder Mutter eines dreijährigen Kindes und haben daher gerade später viele neue Möglichkeiten. Da gibt es ein Potential zu nützen, das noch vielfach brach liegt.

Die Rolle der Eltern hat sich verändert, auch die der alleinstehenden

Frau, die ein Kind hat; sie ist nicht mehr so diskriminiert. Vieles ist besser geworden - vieles könnte besser sein - etwa der Kontakt zwischen den Generationen. Man kann vom Gesetz her vieles bestimmen: Mehr Leistungen für die Jungen und die Alten, mehr Förderung der Familien. Das ist alles möglich, ist weiterhin wünschens- und erstrebenswert.

Aber man kann niemandem vom Gesetz her befehlen, kinderfreundlich, altenfreundlich, human zu sein, und hier liegt neben der notwendigen und praxisnahen Zuwendung die große allgemeine Erziehungsaufgabe, die in der Familie beginnen sollte. Daß diese Erziehung von Schule und Politik mitbestimmt wird, steht wohl außer Frage.

Es ist sehr richtig hier geschrieben worden, daß Familienpolitik nicht allein von Parteisekretariaten gemacht werden kann, aber sie wird sehr wohl auch dort gemacht und sie wird dann eine ganz besonders gute Politik sein, wenn sie neben den Forderungen nach Leistungen auch andere, nicht minder wichtige Ziele verfolgt.

Zum Abschluß der Serie „Familie heute“ hat die FURCHE Vertreter der drei Parlamentsparteien zu einer Stellungnahme eingeladen.

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