Ungeliebter Rollentausch

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Seit zehn Jahren erlaubt das Gesetz auch Männern, in Karenz zu gehen. Doch von diesem Recht machen nur wenige Väter Gebrauch. Die Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern ist offensichtlich eine Frage des Willens.

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Seit zehn Jahren erlaubt das Gesetz auch Männern, in Karenz zu gehen. Doch von diesem Recht machen nur wenige Väter Gebrauch. Die Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern ist offensichtlich eine Frage des Willens.

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Am 1. Jänner 1990 trat in Österreich das Eltern-Karenzurlaubsgesetz inKraft, in dem erstmals Müttern und Vätern gleichermaßen die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Erziehung ihrer Kleinkinder zu übernehmen.

De facto hat sich aber kaum etwas geändert: Damals wie heute halten Männer an ihrer Rolle als Ernährer fest; Frauen kümmern sich um die Pflege der Kinder, zumindest in deren ersten Lebensjahren. Laut Arbeiterkammer Wien bezogen im August vergangenen Jahres 79.300 Personen Karenzgeld. Nur 1,7 Prozent davon waren Männer. Dazu kommen zwar noch rund 2.500 Beamte und Vertragsbedienstete, deren Karenzgeld nicht von den Sozialversicherungsträgern, sondern von den Gebietskörperschaften bezahlt wird, doch der Prozentsatz von Männern in Karenz dürfte auch in diesem Bereich nicht viel höher sein.

Ökonomische und sozio-kulturelle Faktoren erklären, daß so wenige Väter inKarenz gehen, wobei - wie so oft bei gesellschaftlichen Phänomenen - die Ursachen zueinander in Wechselwirkung stehen. Gewiß fällt es für die ganze Familie ins Gewicht, welcher Elternteil zu Hause bleibt, wenn dieEinkommensunterschiede zwischen den Partnern groß sind.

Angesichts handfester finanzieller Überlegungen werden Gleichberechtigungswünsche leicht ad acta gelegt. "Die Schwierigkeit ist, daß es oft Familien sind, die sich gerade eine Existenz gründen, sprich eine Eigentumswohnung oder ein Haus anschaffen, und sich auch mit Rückzahlungen verpflichtet haben. Dann kann man es sich wahrscheinlich einfach nicht leisten", erklärt Franz Waltl, Vater von zwei Kindern, der gerade vor seiner zweiten Karenzzeit steht. Er ist Leiter einer Einrichtung der steirischen Caritas, seine Frau führt ein Bildungshaus. Wenigstens für dieses Elternpaar waren finanzielle Überlegungen irrelevant, da sie beide gleich viel verdienen.

Robert Schlarb allerdings relativiert die Bedeutung ökonomischer Gründe. In seinem Buch "Unser Vater, der du zu Hause bist" vertritt er die Meinung, daß Einkommensgründe deswegen so oft angeführt werden, weil sie leicht verständlich sind. "Hier bleiben einem Abschweifungen in peinliche Erklärungen, die den Intimbereich tangieren, erspart. Wenn der Arbeitskollege achselzuckend erklärt ,wegen dem Geld haben wir das so gemacht', ist das ganz klar. Oder etwa nicht?", schreibt er ironisch.

Auch Universitätsprofessor Christoph Badelt von der Abteilung für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien sieht die Hindernisse für eine Gleichberechtigung der Geschlechter eher im soziologischen und im sozialen Bereich. Insoweit äußert er seine Zweifel, daß ein einkommensabhängiges Karenzgeld eine große Veränderung bringen würde. Vielmehr sieht der Sozialwissenschaftler die Beteiligung von Männern an der Kinderbetreuung als einen sehr mühsamen Prozeß, der über Generationen laufen wird.

"Versäumte" Kinder Wie mühsam es sein kann, hat Johannes Holzmannhofer selbst erfahren. "Ich hab' schon ein paar Widerstände überwinden müssen", gibt er zu und erklärt: "Privat war's total klaß. Aber am Abend, wenn der Lukas im Bett gewesen ist, habe ich permanent das Gefühl gehabt, ich müßte eigentlich noch was für die Arbeit tun. Die Trennung zwischen Privatem und Beruflichem - dem, was man glaubt, noch tun zu müssen - ist immer schwierigergeworden".

Der Medizinphysiker hat das zweite Karenzjahr mit seiner Frau, einer Krankenschwester, geteilt: Jeder ist zur Hälfte dem Beruf nachgegangen und hat die restliche Zeit Kind und Haushalt gewidmet. Sein halber Posten aber wurde nicht nachbesetzt. Die Gründe für diese Entscheidung sind Holzmannhofer nicht bekannt. Er weiß nur, daß die ihm anvertraute Arbeit nicht in 20 Stunden zu bewältigen war, sondern immer "mit einem deutlichen Mehraufwand, den ich halt selber getragen hab". Kein Wunder, daß sich beim zweiten Kind das Ehepaar die Karenzzeit nicht mehr teilt.

Irene Kernthaler vom Österreichischen Institut für Familienforschung sieht einen einfachen Grund in der Tatsache, daß viele Vorgesetzte wenig Verständnis für Mitarbeiter zeigen, die eine Karenz anstreben. DieVorgesetzten selbst, so Kernthaler, haben schließlich ihre Kinder kaum erfahren. "Ich erlebe es so in der Generation meines Vaters, der halt jetzt langsam in Pension geht, wo die Männer einmal zugeben, daß sie eigentlich ihre Kinder versäumt haben. Sie stellen einfach fest, den Bezug zu den Kindern, wie ihn die die Frauen haben, selbst nicht zu besitzen."

Die ärmliche Beziehungsqualität von Männern zu ihrem Nachwuchs hat wiederum einen Einfluß auf das Bild, das sich Kinder von den Rollen der Geschlechter machen. Es wirkt sich somit auf ihr zukünftiges Verhalten als Erwachsene aus. Im Allgemeinen erleben Kinder ihren Vater als jenen Elternteil, der für die Erwerbs-tätigkeit, für Freizeitaktivitäten sowie für die Kontakte zur Öffentlichkeit zuständig ist.

Die Mutter dagegen wird mit Haushalt, Alltag und Privatbereich in Verbindung gesetzt. Dieses Ergebnis geht aus einer Studie über Väterrollen und Männerbilder aus der Sicht der Kinder hervor, die im Auftrag der Katholischen Jungschar durchgeführt wurde. Dieser Untersuchung zufolge widmen die meisten Väter ihren Kindern wenig Zeit, und wenn, dann nur für selektive Tätigkeiten: Ihre Beziehung reduziert sich auf die Rolle des "sachlichen Freizeitunterhalters".

Eine ganz andere Qualität hat dagegen das Verhältnis Vater-Kind in jenen Fällen, in denen der Mann über einen längeren Zeitraum in allen Angelegenheiten die Hauptansprechsperson für das Kind ist.

Waltl hat diese Situation aus eigener Erfahrung schätzen gelernt: "Man muß sich mit dem Kind auch in einer Krise auseinandersetzen. Ich bin nicht immer nur der liebliche Vater, der nach der Arbeit nach Hause kommt und der halt dann Zeit hat für's Kind, sondern man muß dem Kind auch Nähe und Distanz zeigen". Doch ein solcher Fall wird wohl noch länger die Ausnahme sein.

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