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Das Leben mit Kindern

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In einer großangelegten Langzeitstudie, die vom Institut für Demographie der österreichischen Akademie der Wissenschaften auch für das Familienministerium durchgeführt wurde und das „Leben mit Kindern -Wunsch und Wirklichkeit“ zum Inhalt hatte, wurden 2.700 Frauen, die in den frühen siebziger Jahren geheiratet hatten, über ihre Kinderwünsche und z. T. über ihre Lebenspläne befragt.

Als 6,5 Jahre später deren Realisierung überprüft wurde, ergab sich das beruhigende Bild, daß Österreich weit weniger vom Aussterben bedroht scheint als statistische Prognosen vermuten ließen: Etwa die Hälfte der neuerdings Befragten hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt ihre Kinderwünsche erfüllt (von 100 Frauen waren jeweils 158 Kinder geboren worden) und vom Rest war plausibel, daß er es später tun würde.

Der Kinderwunsch war erstaunlich konstant geblieben: Jede zweite Befragte etwa wollte zwei Kinder, eine von sieben nur eins, ein Drittel mehr als drei. Lediglich die Motive hatten sich gegenüber den früheren der Agrar-gesellschaft geändert:

Nicht mehr Erben oder Familienarbeitskräfte, auch nicht Kranken- oder Altersversorgung versprach man sich von den Kindern, sondern die Erfüllung persönlicher Glückserwartungen, Stärkung der Partnerbeziehung, Geliebt- und Gebrauchtwerden, Sinn und Inhalt des elterlichen Lebens.

Etwa die Hälfte der ganztägig Erwerbstätigen (über 80 Prozent) gab ihre Arbeit nach dem ersten Kind auf, jede Vierte davon für immer. Nach dem zweiten Kind arbeitete nur mehr ein Drittel, mit drei praktisch keine. Manche taten es gerne, andere hatten keine Wahl.

Denn entgegen den ursprünglichen Vorstellungen von Partnerschaft bei der häuslichen Arbeitsteilung ergab sich eine Rückkehr zu traditionellen Formen: Mit steigender Kinderzahl nimmt nämlich die Männerhilfe im Haus stark ab, wenngleich die außerhäusliche, wie Einkaufen oder Amtswege besorgen, noch zunimmt.

Auch bei der Kinderbetreuung sind die Väter sehr selektiv — sie konzentrieren sich auf den attraktiven Teil der Aufgaben wie Spielen, ins Kino oder auf den Sportplatz gehen, mitunter auch „ein ernstes Wort reden“. Kaum findet man Väter, die Kinder abholen oder mit ihnen lernen.

Insgesamt wurde klar, daß Väter, wenn überhaupt, Kinder keineswegs beschäftigen, um die Mütter zu entlasten, sondern weil es einem allgemeinen Trend zur Väterlichkeit entspricht. Der Haushalt ist in diese neudefinierte Rolle nicht einbezogen.

Stehen beide Eltern im Beruf, ist das Mißverhältnis besonders groß, und die Doppelverantwortung der Frau wächst. Nur wenige können häusliche Aufgaben wirklich aufteilen, wenngleich dies geplant war. Manche Frauen beziehen dann wichtige Teile ihrer Identität aus der Alleinverantwortung, werden „Hausfrauen“ und erleben subjektiv die größte Belastung.

Kinderwünsche sind erstaunlich einkommensunabhängig. Beim zweiten Kind spielt die

Schichtzugehörigkeit mit, beim dritten die Größe der Herkunftsfamilie und die eigene Religiosi-' tat.

Interessant ist, daß bei vorkommendem Rollentausch auch die Männer ein „Haushaltssyndrom“ der Überlastung entwickeln und daraufhin ihr Engagement meist rasch aufgeben. Ihr Einsatz für Kinder wird übrigens als „niedrig“ bewertet, wenn er 25 Prozent der anfallenden Arbeit nicht überschreitet.

In der Podiumsdebatte anläßlich der Buchpräsentation fragte Birgit Bolognese-Leuchtenmül-ler, wie Familien wohl aussähen, wenn man mütterliche Zuwendung ebenfalls schon bei 25 Prozent bereits als „hoch“ bezeichnete.

Von ausländischen Begutachtern des Buches wurde angeregt, mit jenen Pionierfamilien, bei denen die partnerschaftliche Arbeitsteilung tatsächlich durchgeführt wurde, unterstützend weiterzuarbeiten. Vielleicht könnte man brauchbare Modelle schaffen und Frauen aus ihrer Dreifachbelastung helfen, besonders da ja flexible Arbeitszeiten auch auf uns zukämen.

Hans Strotzka, der die Diskussion leitete, stellte fest, daß im Vergleich zu früher die Haushaltsführung erleichtert, durch den Wertewandel die Erziehung aber viel schwerer geworden sei. Man merke es an einem gesteigerten Bedürfnis nach Beratung. Wir alle, vor allem aber die Männer, müßten uns Gedanken darüber machen, wie man den Frauen bei der heute eher schwierigen Kindererziehung besser zu Hilfe kommen könne.

LEBEN MIT KINDERN - Wunsch und Wirklichkeit. Von Rainer Münz (Hrsg.). Deuticke, Wien 1985, öS 290,-.

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