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Hausfrau und Mutter

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Rolle der Frau - ein heißes Thema, durchaus umstritten, gerade unter Frauen. Denn vielfach fühlen sich ,,Nur“-Hausfrauen am meisten von berufstätigen Frauen belächelt.

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Rolle der Frau - ein heißes Thema, durchaus umstritten, gerade unter Frauen. Denn vielfach fühlen sich ,,Nur“-Hausfrauen am meisten von berufstätigen Frauen belächelt.

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Solidarität von Frauen untereinander war und ist immer wieder ein mehr als heikles Thema. Solidarität zwischen berufstätigen Frauen und den sogenannten „Nur“-Hausfrauen scheint es nicht zu geben. Im Gegenteil, immer tiefer wird der Graben zwischen diesen beiden Gruppen.

Die Diskriminierung der nichterwerbstätigen Hausfrau - des „Heimchen am Herd“ - wird bekanntlich vor allem von den berufstätigen, den Karrierefrauen besorgt.

Männer sind an dieser Kampagne weitaus weniger beteiligt. Zu viele von ihnen wissen zu genau, daß eine Frau, die sich „nur“ um Haushalt und Kinder kümmert, das Familienleben nicht nur bereichert, sondern in vieler Hinsicht auch erleichtert.

Trotzdem wird man nicht müde, den Berufs verzieht — und sei er nur vorübergehend — als Schritt in die Unfreiheit, die Abhängigkeit vom Mann, als Verlust von Emanzipation und Selbständigkeit, als Verzicht auf die über alles angestrebte Selbstverwirklichung zu bezeichnen.

Immer neue Umfragen und Untersuchungen sollen belegen, daß Fratrenf m^'Beruf'tmrJ•■fFämifii vereinbaren, zufriedener und ausgeglichener als diejenigen sind, die sich ausschließlich auf die Familie „beschränken“.

Angeblich fühlen sich berufstätige Mütter in ihrer Doppelrolle wohler und sind durch ihre Familie weniger gestreßt als Frauen, die nur zu Hause sind und „nicht arbeiten“.

Zu diesem Resümee kommt eine soeben in der Münchner Medizinischen Wochenschrift veröffentlichte Erhebung zum Thema: „Streß bei Hausfrauen“.

In der Tat, es gibt inzwischen wenige Hausfrauen, die selbstbewußt und fröhlich ihren Status bejahen und diesen offen und öffentlich bekennen.

Wer hätte nicht schon einmal die fast verschämte und entschuldigende Antwort auf die Frage nach dem Beruf bekommen: „Ich bin nur Hausfrau.“

Ist das wirklich verwunderlich? Ganz sicher nicht — zu lange und zu intensiv ist in den vergangenen Jahren die Minderwertigkeit des Hausfrauendaseins, des Hausfrauenberufs betont und propagiert worden. Zu viele gesellschaftliche Gruppen und Institutionen haben sich an dem Feldzug zur Glorifizierung der Berufstätigkeit von Müttern beteiligt. Die Tübinger Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel scheute sich nicht, Hausfrauen, die keiner außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgehen, als „verstümmelte, verkümmerte Schöpfung Gottes“ zu bezeichnen.

Dieser Geist hat in all den Jahren seine Wirkung nicht verfehlt. Das Selbstwertgefühl, die ganze psychische Verfassung der betroffenen Frauen ist empfindlich berührt, ja verletzt.

Hier liegt ein geradezu klassisches Beispiel für die Wirkung der „Schweigespirale“ vor.

„Schweigespirale heißt: Menschen wollen sich nicht isolieren, beobachten pausenlos ihre Umwelt, können aufs feinste registrieren, was zu-, was abnimmt. Wer sieht, daß seine Meinung zunimmt, ist gestärkt, redet öffentlich, läßt die Vorsicht fallen. Wer sieht, daß seine Meinung an Boden verliert, verfällt in Schweigen.“ (Elisabeth Noelle-Neu-mann: Die Schweigespirale, Frankfurt 1982)

Genau in dieses Schweigen sind nichterwerbstätdg» Frauen, Hau“ frauen, verfallen. Dadurch haben sie, ohne es zu wollen, selbst zu ihrer Isolation beigetragen.

Wer es wagt, gegen diesen Strom des Zeitgeistes zu schwimmen und sich gegen Klischeevorstellungen hinsichtlich der „Nur“-Hausf rau zur Wehr zu setzen, muß mit einer Flut von Unterstellungen rechnen:

• Frauen auf die drei K's (Kinder-Küche-Kirche) reduzieren zu wollen,

• Frauen als stille „Arbeitsmarktreserve“ zu mißbrauchen, indem sie je nach Bedarf geholt bzw. nach Hause geschickt würden,'

• Frauen eine „ganzheitliche Existenz“ (Beruf und Familie) zu verwehren,

• Frauen die ökonomische und damit verbundene sexuelle Freiheit zu versagen,

• Frauen der „Machtdominanz“ und dem „Machtüberhang“ der Männer preiszugeben.

Die angeblich so abhängigen Frauen sollten sich angewöhnen, zurückzutragen. Ist die Abhängigkeit, bedingt durch einen Beruf, wirklich so viel besser als die Abhängigkeit einer Hausfrau?

Warum wird im übrigen — wenn man schon von Abhängigkeiten redet — nicht viel mehr von der Abhängigkeit eines Kindes von der Mutter in den ersten Lebensjahren gesprochen? Warum spielt das Kind — das Kostbarste, was uns anvertraut ist - bei all diesen Überlegungen eine so nachgeordnete Rolle?

Es hat sich längst herumgesprochen, daß dieses Kind schon bei der Geburt vertraut ist mit den Herzschlägen der Mutter, mit ihrer Stimme, ihrem Geruch usw. Neun Monate Schwangerschaft haben Mutter und Kind eben doch in einer einzigartigen Weise verbunden. Der Vater, dessen Bedeutung hier überhaupt nicht in Abrede gestellt werden soll, kann diesen „Vorsprung“ nicht ungeschehen machen. Er wird immer eine andere Bindung und Beziehung haben als die Mutter.

Darum würde ein „Rollentausch“ in der ersten Zeit nach der Geburt allenfalls Identitätsprobleme bei allenBeteiligten produzieren. Warum fällt es vielen Müttern zunehmend schwer, dies zu erkennen? Warum überlassen sie ihre kleinen Kinder zu früh anderen, um den Anschluß an Beruf und Karriere nicht zu verpassen?

Handeln Mütter dabei nicht gegen ihre tiefsten Gefühle? Im Grunde sehnen sie sich nämlich nach ihren Kleinen. Nicht nur das Kind verlangt nach der Mutter, auch die Mutter verlangt — wenn sie ehrlich ist — nach dem Kind. Sie sollte den Mut haben, diesem emotionalen Bedürfnis zu folgen — allen Einflüsterungen des Zeitgeistes, Mütter seien durch andere Bezugspersonen ersetzbar, zum Trotz.

Unsere Zeit braucht viel mehr Mütter, die auf den Ruf oder den Schrei ihres Kindes antworten können: „Ich bin da und habe für dich Zeit.“ Ein schöneres Geschenk können sie ihren Kindern nicht machen.

Die Autorin ist Herausgeberin des kürzlich im Hanssler-Verlag erschienenen Büches „Nur-Hausfrau?“, siehe FURCHE 15/1986.

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