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Das Verhältnis zwischen heranwachsenden Kindern und ihren Eltern ist stets schwierig. Für Mütter und Töchter ist alles noch ein bisschen komplizierter.

Die Rolle der Mutter hat sich verändert. Wurde vor nicht allzu langer Zeit überwiegend die Hausfrau gesehen, erleben Kinder nun, dass nicht nur eine, sondern beide elterlichen Bezugspersonen eine Bildungsbiografie vorweisen, zum Familieneinkommen beitragen und ein buntes Privatleben führen, erklärt Familienpsychologin Karin Alt.

In der Folge stieg der Druck auf den Nachwuchs, der heute über alle Lebensbereiche hinweg mehr Leistung erbringt, um diesem gesellschaftlichen Ideal erfolgreich entsprechen zu können. "Das ergibt viel Konfliktpotential zwischen den Generationen“, sagt Alt.

Zugleich hat es eine Verschiebung der Eltern-Kind-Beziehung gegeben. Sie wurde weniger hierarchisch und autoritär; die Ehrfurcht vor dem Alter verlor an Bedeutung. Viele Eltern streben eine partnerschaftliche Beziehung zu ihren Sprösslingen an, paraphrasiert Harald Werneck, Professor am Institut für Entwicklungspsychologie der Universität Wien, diese Entwicklung.

Eine Frage der Erziehung?

Für heutige Kinder und Jugendliche sei das selbstverständlich; aber dennoch erwarten sich die Eltern letztlich oft Dankbarkeit und Gehorsam. Ab einem gewissen Alter der Kinder sei es in bestimmten Bereichen möglich, ein freundschaftsähnliches Verhältnis zu etablieren.

Eine "horizontale“ Beziehung wie zwischen herkömmlichen Freunden sieht Werneck aber nur eingeschränkt. Eher noch würden Mütter und Töchter eine gleichwertige Beziehung anstreben als Väter und Söhne, "weil Frauen nach wie vor eher konsens-, kooperations- und gruppenorientiert“ seien. Allerdings stelle sich dabei die Frage, inwiefern das anerzogenen Rollen entspricht.

Trotz aller die schwierige Adoleszenz überlebenden Harmonien sehen sich die wenigsten Frauen als Wiedergängerin ihrer Mutter. Eine qualitative Studie der niederländischen Sozialwissenschaftler Anna Lichtwarck-Aschoff, Saskia E. Kunnen und Paul van Geert ("Here We Go Again: A Dynamic Systems Perspective on Emotional Rigidity Across Parent-Adolescent Conflicts“) untersuchte 2009 das Konfliktverhalten halbwüchsiger Mädchen und ihrer Mütter.

17 junge Frauen im Alter von 15 Jahren führten über zwölf Monate hinweg in sechs Phasen ein Konflikt-Tagebuch. Neben allgemeinen Fragen über ihren Gefühlszustand, die täglich neu zu beantworten waren, stand es ihnen bezüglich Umfang, Stilform und zeitlichem Abstand zum Geschehen frei, ihre Emotionen im Mutter-Tochter-Streit darzulegen.

Neben dem Ergebnis, dass mit zunehmender Konfliktfrequenz die emotionale Tiefe einerseits und die Vielfahlt der Gefühle andererseits abnahmen - also eine gewisse Abstumpfung erfolgte -, sind die Streitthemen interessant. Von den 147 beschriebenen Konflikten drehte sich die Hälfte um Autonomie und Eigenständigkeit der Töchter. Jeder fünfte Streit beinhaltete sogar den mehr oder weniger expliziten Vorwurf der Mutter: "Du bist nicht wie ich!“

Von Freundinnen und Rivalinnen

Die "Disco-Mutter“ sei - abgesehen von einzelnen spaßhaften Unternehmungen, die gemeinsam mit der Tochter angegangen werden - ein unpassendes Konzept. Wenn "beste Freundinnen“ bedeute, dass die Mutter ihrer Tochter auch von Ehekonflikten erzählt, dann "ist das keine gute Idee“, bestätigt Ulrike Russinger, systemische Familientherapeutin mit eigener Praxis in Wien und Vortragende an der Lehranstalt für systemische Familientherapie.

Wenn sich beide über Mode austauschen und die Mutter von ihren Erfahrungen als Frau erzählt, ihre eigene Biographie vermittelt, dann sei das je nach Alter und Reife der Tochter okay. Vor allem wenn der Altersabstand zwischen beiden gering ist, spiele mitunter "ein Stück Rivalität“ gegenüber der Heranwachsenden mit: "eine Fehlform“ in der familiären Beziehung.

Tendenziell sei das Verhältnis aber freundschaftlicher als jenes zwischen Vätern und Söhnen, bestätigt Russinger die Einschätzung Wernecks. Mit Verweis auf die deutsche Shell-Jugendstudie 2010 bestätigt sie, dass der horizontale Abstand von Eltern und Kindern durchwegs kleiner wird.

Gleichzeitig bleibe es Eltern nicht erspart, loslassen zu lernen, so Alt - womit gemeinhin eher die Mütter Schwierigkeiten hätten. Es sei aber immens wichtig "zu erkennen, dass ein weiterer Entwicklungsschritt gekommen ist, und z.B. eine Tochter manche Dinge anders macht - und eben auch eine andere Persönlichkeit hat“.

Elternschaft bedeutet lernen

Das beginne beim dreijährigen Kind, das in die Krippe kommt und gleich problemlos in Fremdbetreuung bleibt: "Das ist für Mütter oft härter als für die Kleinen“, sagt Alt, aber "so geht es dann weiter“. Wird ein Kind eingeschränkt, und als Maßstab für die Entwicklung nur "die Erfahrung der Mutter“ zugelassen, dann "hat das langfristig keine gute Auswirkung auf die Mutter-Tochter-Beziehung“. Deshalb stellt Alt unumstößlich klar: Auch Eltern lernen ab dem Tag der Geburt ihrer Kinder stets dazu.

Am Ende scheint die Entwicklung jedes Menschen ohnehin begrenzt, wenn man die Erkenntnisse der Genetik, soziale Umstände und Familienmilieus berücksichtigt. In gewisser Weise könne man dem Schicksal wohl nicht entkommen, den Eltern bzw. dem gleichgeschlechtlichen Elternteil zu ähneln, meint auch Russinger.

In früheren Zeiten sei das nicht so thematisiert worden, weil "die Gesellschaft weniger individualistisch war. Man hat viel mehr erwartet, dass Kinder das weiterführen, was die Eltern begonnen haben“. Dem elterlichen Vorbild entkommen zu wollen ist also möglicherweise nur die dringende Vorstellung "in einer bestimmten Phase des Lebens“.

Bei der Wahl des Lebenspartners manifestiere sich schließlich die Bedeutung des gegengeschlechtlichen Elternteils. Wer ein gutes Verhältnis hatte, orientiere sich am Vater oder der Mutter; sonst sei eher ein "Gegenmodell“ gefragt, so Werneck - wenngleich das natürlich nicht das einzige Kriterium sei.

Dieser Ansicht kann sich auch Alt anschließen: "Wir suchen das, was uns vertraut ist, was Geborgenheit und Sicherheit gibt.“

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