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Digital In Arbeit

Der andere Weg zum eigenen Kind

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Für viele Paare kommt zuerst die berufliche Selbstverwirklichung, erst dann wird an ein Kind gedacht. Doch oft ist es schon zu spät und es bleibt nur mehr die Adoption.

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Für viele Paare kommt zuerst die berufliche Selbstverwirklichung, erst dann wird an ein Kind gedacht. Doch oft ist es schon zu spät und es bleibt nur mehr die Adoption.

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Kinder? Ja, schon. Aber nicht jetzt. Es ist nicht der richtige Moment dafür. Keine Zeit. Aber vielleicht später ...

Sehr häufig entscheiden sich Paare vorderhand dafür, Karriere zu machen und haben deshalb keine Zeit, sich um Nachwuchs zu kümmern. Man tut alles Mögliche dafür, kein Kind zu bekommen, um keine Einschränkungen in Berufs- und Privatleben in Kauf nehmen zu müssen. Das traute Heim zu dritt oder zu viert liegt in ferner Zukunft.

Doch die Zeit vergeht. Und irgendwann kann es trotz aller medizinischen Fortschritte zu spät dafür sein. Der Familiengründung sind immer noch biologische Grenzen gesetzt -auch wenn aufsehenerregende Einzelfälle (siehe Kommentar auf dieser Seite) das Gegenteil davon zu beweisen scheinen. Wird Elternschaft zum Pensionistenvergnügen?!

Aber was tun, wenn man nicht mehr nur Babysitter für Freunde und Verwandte sein möchte oder ein” bestauntes Wunder und Demonstrationsobjekt medizinischen Fortschritts? Was tun, wenn der Wunsch - spät aber stark - nach jungem Leben im Eigenheim erwacht?

Wenn Paaren leibliche Kinder versagt bleiben, wird oft der Weg zur Adoptionsstelle gewählt. Bis Anfang der siebziger Jahre war es auch kein Problem, auf diesem Weg zu einem Kind zu kommen. Doch Pillenknick, Abtreibung und sicherlich auch der ge-stiegerte Wohlstand haben dazu beigetragen, daß es in Osterreich mittlerweile wesentlich weniger Kinder gibt, die zur Adoption freigegeben werden, als potentielle Eltern, die diese gerne aufziehen würden.

Die Vorstellung von vielen armen Kinder in Kinderheimen ist hierzulande überholt. Finstere und trostlose Waisenhäuser, aus denen man verlassene Kinder herausholen möchte, sind eine nicht mehr zeitgemäße Vorstellung. Fleute werden Waisen meist von Großeltern oder anderen engagierten Verwandten großgezogen.

Aber welche Kinder werden nun adoptiert und von wem?

Meistens sind es Säuglinge, deren Mütter und Väter nicht die finanzielle Möglichkeit haben, sie selbst großzuziehen, oft ungewollte Kinder von jungen Mädchen, die noch bei den Eltern wohnen, kein eigenes Einkommen haben, keine gefestigte Beziehung. Es sind Mädchen, die das Bedürfnis haben, das Leben in seinen vielfältigen Möglichkeiten auszukosten, sich nicht trauen oder auch nicht eine so große Verantwortung übernehmen wollen. Man hat sich aber trotzdem entschieden - oder entscheiden müssen (für eine Abtreibung war es manchmal einfach schon zu spät) -, das Kind vorerst zu behalten und später zur Adoption freizugeben.

Der Wunsch dahinter: dem Kind soll eine unbeschwerte Kindheit und Jugend in einer anderen - hoffentlich harmonischen - Familie ermöglicht werden. Deshalb nehmen.auch die leiblichen Eltern die Chance wahr, auf die Auswahl der zukünftigen Eltern ihres Kindes Einfluß zu nehmen.

Ks ist ein weitverbreiteten Irrtum zu glauben, daß Staat, Kirche oder andere Institutionen die Bedingungen festlegen, unter denen ein bestimmtes Kind adoptiert werden kann. Es ist vielmehr so, daß die leiblichen Kitern ihre Vorstellungen von der zukünftigen Familie des Kindes der Adoptionsstelle mitteilen und diese bemüht ist, ein entsprechendes Paar aus der

Warteliste der Adoptionswilligen auszuwählen. Momentan warten beispielsweise in Wien rund 250 Paare auf ein Kind, heuer konnten bisher etwa zehn Adoptionen durchgeführt werden. Nicht etwa, weil der Amtsschimmel so langsam trabt, sondern weil das „Angebot” nicht größer ist.

Die Möglichkeiten:

Die Adoptionen werden auf Landesebene geregelt. Die Bestimmungen in den einzelnen Bundesländern weichen leicht voneinander ab. (Die folgenden Krläuterungen beziehen sich auf Wien, sind aber im großen und ganzen auch für die restlichen Bundesländer gültig.)

Es gibt drei Formen der Adoption, erklärt Hana Holman, Sozialarbeiterin, und spezialisiert auf Adoptionsangelegenheiten.

■ Die Inkognito-Adoption- Sie ist die häufigste Form und wird am meisten gewünscht, von allen Beteiligten. Die Anonymität ist gewährleistet, allerdings wird sie nicht mehr so streng gehandhabt wie früher, erzählt Holman aus ihrer über zehnjährigen Erfah-rung. Das bedeutet, daß die Adoptionsstelle als Vermittlerin Kontakte zu beiden Seiten bewahrt, Fotos sammelt, Informationen über Rntwick-lung, Fort- und Weiterbildung erhält. Diese können sowohl Kinder und Adoptiveltern als auch leibliche Eltern erhalten, sofern Name und Adresse der „anderen Partei” nicht genannt wird.

Im allgemeinen beginnen aber die Adoptivkinder schon relativ früh, sich für ihre leiblichen Eltern zu interessieren. Sie können auch Kontakt mit ihnen aufnehmen, sofern diese als auch die leiblichen Eltern sich damit einverstanden erklären.

■ Die halboffene Adoption: Hier kommt es zu einem persönlichen Kennenlernen zwischen leiblichen Eltern und Adoptiveltern, ohne daß diese Namen und Adressen voneinander erfahren. Sie können allerdings ihre Emotionen und Ängste gegenseitig artikulieren, und die Adoptionsstelle hat wie im ersten Fall beratende Vermittlungsfunktion inne. uDie offene Adoption: Die dritte Form ist äußerst selten. Es gibt persönliche Kontakte, das Ausmaß ist mündlich oder schriftlich geregelt. Das Kennenlernen beginnt meist schon vor der Geburt, und die leiblichen und die Adoptiveltern pflegen ihre Kontakte auch nach der Adoption. Diese Form wird meist im Freundeskreis praktiziert. Das heißt, die leiblichen Eltern haben die” zukünftige Familie ihres Kindes bereits definitiv ausgewählt.

Wer adoptiert?

Wer sind nun die Eltern, die Kinder adoptieren?

Frau Holman beurteilt die Bandbreite der Interessierten mit: „quer durch alle Berufs- und Sozialschichten”. Es gibt allerdings auch gesetzliche Vorgaben. Und zwar eine Altersuntergrenze: Frauen müssen mindestens 28 und Männer mindestens 30 Jahre alt sein, um ein Kind adoptieren zu können. Nach oben gibt es kein gesetzliches Limit. Allerdings wünschen sich die leiblichen Mütter beziehungsweise Väter meistens möglichst junge Adoptiveltern, und die Adoptionsstelle ist an ihre Wünsche gebunden, was bedeutet, daß man sich schon relativ früh an diese Beratungsstellen wenden sollte.

Haben die leiblichen Eltern keine besonderen Wünsche in bezug auf die Adoptivfamilie, so kann die Adoptionsstelle freier auswählen. Doch meist haben die Kitern, die ein Kind freigeben, sehr genaue Vorstellungen von der Familie, in der ihr Kind einmal aufwachsen soll.

Die Adoptionsstelle hat nun die Qual der Wahl, unter den Paaren auf der Warteliste jenes auszusuchen, welches den Wünschen der leiblichen Eltern (am ehesten) entspricht.

Diese Diskrepanz zwischen „Angebot” und „Nachfrage” ist für die Zukunft der Kinder meist günstig, denn es kann unter der großen Auswahl an Paaren die optimale Familie ausgewählt werden. Allerdings können dadurch auch die Wartezeiten auf Adoptivkinder lang sein.

Es besteht übrigens kein Rechtsanspruch auf Vermittlung, und es darf nicht dafür geworben werden. Im allgemeinen wissen die „Bewerber” allerdings über Gesetze, Wartezeiten und andere Umstände sehr gut Bescheid, bevor sie sich dafür entscheiden, ein Kind zu adoptieren.

In den meisten Fällen sind die zukünftigen Eltern sehr gut auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie haben auch oft schon in mehrjähriger kinderloser Ehe die Belastbarkeit des Partners „getestet” und wissen sehr genau, worauf sie sich einlassen.

Sollte die Adoption im Inland scheitern, so gibt es noch die Möglichkeit, sich als Pflegeeltern zu bewerben.

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