Werbung
Werbung
Werbung

Adoptionen sind eine heikle Angelegenheit: Wie können sie glücken?

S icher, es hätte Mittel und Wege gegeben - etwa eine kostspielige Untersuchung auf der Gerichtsmedizin. Dann würde Claudia Krömer das wirkliche Alter ihrer Tochter wissen. Etwas mehr als zwei Jahre alt hätte Samira Sitha laut "Child-Report" sein sollen, als sie im Dezember 1999 - gemeinsam mit ihrem sieben Monate jüngeren (!) Bruder Samuel Rakesh - in Delhi vor ihr stand. Mit acht Jahren begann das Mädchen freilich schon zu pubertieren. "Als ein Zahnarzt festgestellt hat, dass beide dieselbe Zahnfehlstellung haben, habe ich wenigstens gewusst, dass sie tatsächlich Geschwister sind", erinnert sich ihre 45-jährige Adoptivmutter. "Alle weiteren Untersuchungen habe ich mir gespart."

Unklare Herkunft

Auch im Fall jener zwei äthiopischen "Waisen", die vom Wiener Verein "Family for You" unter dubiosen Umständen nach Österreich vermittelt wurden, waren die Kinder vermutlich älter als angegeben. Damit enden aber die Gemeinsamkeiten: Während im Fall der afrikanischen Kinder Vermittlungskosten von knapp 10.000 Euro anfielen, war bei der Adoption von Samira und Samuel, die über den Orden "Missionarinnen der Nächstenliebe" abgewickelt wurde, kaum Geld im Spiel: "Bei der Abholung musste ich nur 100 Dollar für Rechtsanwalt, Pässe und Impfungen bezahlen", erinnert sich Krömer. "Das wäre zu wenig gewesen, um einer Mutter ihr Kind wegzunehmen."

Der Bezug zu Indien habe sich über ihren damaligen Mann, einen Tee-Importeur, ergeben. Nach langen Jahren der Kinderlosigkeit habe man sich deshalb entschlossen, ein indisches Geschwisterpaar zu adoptieren.

Über die Herkunft der Kinder weiß sie fast nichts. Im Adoptionsakt des indischen Gerichts ist von "Waisenkindern" die Rede; die indischen Schwestern haben hingegen erzählt, dass die Kinder weggelegt worden seien.

Ob sie die Eltern, wenn sie noch leben würden, gerne kennenlernen würde? "Eher nicht", antwortet sie nach einer Nachdenkpause. "Es ist auch faktisch unmöglich." Die Adoption selbst werde freilich immer thematisiert. Auch eine Indien-Reise sei geplant: "Der Samuel sagt, dass er endlich die Tiger sehen will."

Ob bei Auslands- oder Inlandsadoptionen, ob früher oder später: Die Frage nach den eigenen Wurzeln wird irgendwann für alle Adoptivkinder virulent. Experten raten Adoptiveltern deshalb, von Anfang an das Thema Adoption altersadäquat anzusprechen - und alle greifbaren Informationen über die leiblichen Eltern des Kindes einzuholen.

Bei Auslandsadoptionen ist dies meist unmöglich. Bei Inlandsadoptionen gibt es freilich oft Anhaltspunkte. Dennoch wollen viele Adoptiveltern im Grunde gar nicht wissen, woher ihr Kind stammt. Erst recht haben Sie Angst davor, mit der leiblichen Mutter in Kontakt zu treten. Entsprechend hoch ist das Interesse an einer "Inkognitoadoption" (siehe Kasten): So hat etwa bei 33 der 37 Adoptionen, die im Jahr 2007 in Wien vermittelt wurden, die leibliche Mutter keine Ahnung, wo sich ihr Kind befindet - und damit auch keine Möglichkeit, mit ihren oft überwältigenden Schuldgefühlen umzugehen. Doch auch die "offene Adoption" hat Tücken, weiß die deutsche Adoptionsforscherin Christine Swientek: "Das kann so offen werden, dass Eltern und Adoptiveltern mitsamt Kind regelmäßig Kaffee trinken - und irgendwann dann nicht mehr weiter wissen."

Problematische Transparenz

Für die Expertin liegt die Lösung in der Mitte, bei der halboffenen Adoption: Obwohl hier das Inkognito gewahrt bleibt, kann das adoptierte Kind regelmäßig Informationen über seine leiblichen Eltern abfragen. Auch die Suche nach ihnen verläuft später leichter. Bei den Adoptiveltern setzt diese Wurzelsuche freilich nicht selten Verlustängste frei. "Doch wenn die Beziehung des Kindes zu ihnen gut und von Offenheit geprägt ist", weiß Swientek, "dann wird die Kontaktaufnahme zur leiblichen Mutter an dieser Beziehung nichts ändern."

Ehrlichkeit ist folglich eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass eine Adoption für alle Beteiligten glücklich verläuft. Ebenso wichtig ist, dass angehende Adoptiveltern - nach Jahren der Kinderlosigkeit - nicht allzu große Erwartungen an das Adoptivkind stellen. "Wenn es dann nicht so brav, intelligent und hübsch ist, kann es zu großen Enttäuschungen kommen - und das Kind spürt das", weiß Gundula Ebensperger-Schmidt, Psychotherapeutin in Graz und Referentin bei den Vorbereitungskursen des Pflegeelternvereins Steiermark. Umso wichtiger sei es, angehende Adoptiveltern mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch zu konfrontieren.

Nicht zuletzt spielt das Alter des Kindes bei der Adoption eine Rolle. "Am leichtesten fällt Kindern die Trennung von ihrem vertrauten Umfeld innerhalb der ersten acht Monate, bevor das Fremdeln einsetzt", weiß Ebensperger-Schmidt. Erfolgt die Adoption später, könnten heftige Trennungsreaktionen auftreten. "Eine Faustregel besagt, dass die Dauer der Eingewöhnungsphase etwa dem Alter des Kindes bei der Adoption entspricht."

"Warum bist du braun?"

Auch bei Claudia Krömer gab es Eingewöhnungsschwierigkeiten. "Die Kinder haben aus ihrer Zeit im Kinderheim starken Hospitalismus gehabt", erzählt sie. Nach und nach sei es ihr aber gelungen, das Vertrauen der beiden zu gewinnen.

Dennoch blieb die Situation herausfordernd, erinnert sich Krömer: "Einmal haben andere Kinder im Kindergarten gefragt:, Warum bist du braun und deine Mama ist weiß'?" Auch die Trennung von ihrem Mann war für die Kinder nicht ganz einfach, erzählt sie: "Sie haben geglaubt, dass sie schuld daran sind und haben mich gefragt, ob ich sie jetzt wieder zurückschicke."

Um mit Situationen wie dieser, aber auch mit alltäglichen Erziehungsproblemen umgehen zu lernen, hat sie gemeinsam mit anderen Adoptiveltern einen "Familienkreis" gegründet, der sich in unregelmäßigen Abständen zum Austausch trifft. "Insgesamt betrachtet braucht man eben eine Eselsgeduld - aber welche Eltern brauchen die nicht?"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung