Wenn Teenager Mütter werden

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Jährlich bringen in Österreich etwa 3000 junge Mädchen ein Kind zur Welt. Die Einrichtung "Young Mum“ hilft ihnen, sich an ihre neue Rolle als Mutter zu gewöhnen.

Amanda Dohnal sitzt im Behandlungszimmer des Frauenarztes. Sie ist seit drei Monaten mit ihrem Freund zusammen und möchte sich die Anti-Baby-Pille verschreiben lassen. Nach einer routinemäßigen Untersuchung überbringt ihr der Arzt eine überraschende Nachricht: Für die Pille ist es zu spät, Amanda ist bereits in der fünften Woche schwanger. Zu diesem Zeitpunkt ist die Niederösterreicherin 15 Jahre alt. Auf eine Schwangerschaft hatte zuvor nichts hingedeutet: Die monatliche Blutung kam erwartungsgemäß, von morgendlicher Übelkeit keine Spur. Trotz anfänglichem Schocks über die Nachricht, war die 15-Jährige entschlossen: "Ich wusste gleich, dass ich das Kind zur Welt bringen werde. Ich habe mich darauf gefreut.“ Die Mutter ihres Freundes wies sie schließlich auf das Beratungszentrum "Young Mum“ hin, welches das Mädchen bald darauf zum ersten Mal besuchte.

Den Mädchen den Rücken stärken

Neben dem Krankenhaus "Göttlicher Heiland“ im 17. Wiener Gemeindebezirk schirmt ein dunkler Holzzaun das Zentrum von der Dornbacher Straße ab. Jährlich kommen etwa 180 von insgesamt rund 800 sogenannten "Teenager-Müttern“ aus Wien hier her, um sich beraten und durch die Zeit der Schwangerschaft begleiten zu lassen. Als "Young Mum“ gilt, wer unter 20 ist, durchschnittlich sind die Mädchen 16,5 Jahre alt. Diplomhebamme Uschi Reim-Hofer weiß, wie sie auf die Mädchen zugehen muss: "Das Wichtigste ist, das man sie wertschätzt und akzeptiert. Wir stärken den Mädchen für die Situation, in der sie sind, den Rücken und zeigen Perspektiven auf, damit sie den Mut nicht verlieren“. Nach einer Erstberatung mit einer Hebamme stehen den jungen Frauen jederzeit Psychotherapeutinnen, Sozialarbeiter und Gynäkologen für ihre Anliegen zur Verfügung. Angebote wie etwa Geburtsvorbereitungskurse oder eine Mutter-Kind-Gruppe, sollen den Schwangeren nicht nur die Angst vor dem nehmen, was ihnen bevorsteht: "Die Mädchen können sich auch untereinander austauschen und sehen, dass sie in ihrer Situation nicht alleine sind“, so Reim-Hofer.

In der Vergangenheit hätten schwangere Mädchen die Beratungsstelle meist alleine aufgesucht, weil sie sich für ihre Situation geschämt hätten. Heute merkt die Hebamme, dass die jungen Frauen immer häufiger von der Mutter oder dem Vater begleitet werden: "Natürlich strampeln die jungen Omis und müssen erst einmal Luft holen, bis sie die Nachricht verdaut haben. Aber das ganze läuft nicht mehr so versteckt ab“. Die meisten jungen Frauen würden sich sehr davor fürchten, ausgegrenzt zu werden. Das zentrale Thema seien laut Reim-Hofer jedoch immer die Eltern: "Egal was man tut, man will es ihnen immer recht machen. Das ist der springende Punkt: Wenn sie sagen ‚Puh, aber wir kriegen das schon hin‘, dann geht es den Mädchen gleich viel besser“, so Reim-Hofer. Auch Amanda Dohnals Familie war zu Beginn geschockt, als sie von ihrer Schwangerschaft erzählte: "Mein Papa hat fast geweint, einerseits weil er sich freute und andererseits, weil es so ein Schreck war. Meine Mama konnte eine Zeit lang nicht mit mir sprechen, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte.“ Für ihre Freunde stand die Frage, ob Amanda ihre Ausbildung an einer Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (BAKIP) abschließen werde, im Mittelpunkt.

Vorurteil als ständiger Begleiter

Mittlerweile ist Dohnal 17 Jahre alt und Mutter eines sieben Monate alten Mädchens, in ihrer Ausbildung hat sie eine einjährige Pause eingelegt. Ein Monat, nachdem sie das Kind zur Welt gebracht hatte, verließ sie ihr Freund. Weil er sich nicht an Besuchszeiten halten wollte, haben sie momentan keinen Kontakt zueinander.

Neben ihrer neuen Aufgabe als Mütter müssen die Schwangeren auch lernen, mit der Voreingenommenheit vieler Mitmenschen umzugehen: "Die Mädchen werden stigmatisiert und an den Rand gedrängt, weil viele nicht verstehen, wie man in diesem Alter schon schwanger werden kann, obwohl wir so eine große Aufklärungsschiene fahren“, so Reim-Hofer. Oftmals sei aber nicht nachlässiges Verhütungsverhalten, sondern die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit ausschlaggebend: "Wenn Mädchen aus einer zerrütteten Familie kommen, versuchen sie häufig, die Welt durch ein Kind wieder heil zu machen.“

Die Intoleranz gegenüber jungen Müttern bekommt auch Amanda Dohnal regelmäßig zu spüren: "Ganz egal, wo ich bin, ich ernte immer skeptische Blicke. Auch in Internetforen für Mütter höre ich Anspielungen auf mein Alter heraus, und man unterstellt mir im Unterton, dass ich nicht für mein Kind sorgen kann“, so die 17-Jährige. So wurde beispielsweise der Besuch einer Baby-Schwimmgruppe, die nicht speziell auf Teenager-Mütter ausgerichtete war, für sie zu einer Herausforderung: "Man hat mich die ganze Zeit über komisch angeschaut und anders behandelt. Deswegen bin ich froh, dass ich bei "Young Mum“ bin, denn dort kann ich jederzeit mit einer Hebamme oder anderen Leuten ein Gespräch führen und ich werde ohne jedes Vorurteil unterstützt.“

Auf dieses Vertrauen in die Beratungseinrichtung ist Reim-Hofer besonders stolz: "Wenn die Mädchen in einem Kurs sind, dann sieht man draußen Omas und Opas, die ihr Enkelkind im Tragetuch, Maxi Cosi oder Kinderwagen hüten und auf ihre Kinder warten. Das ist hier einfach ein sehr friedlicher Ort, an dem nicht gewertet wird.“

Besonders beliebt bei den jungen Müttern ist der Kochkurs von "Young Mum“. Vor allem nach der Geburt sei das Angebot gefragt. "Das ist der Kurs, bei dem am meisten gelacht wird. Die jungen Frauen kommen wirklich gerne, haben ihre Kinder mit und schließen untereinander Freundschaften, die außerhalb des Hauses weiter existieren“, freut sich Reim-Hofer. Diese neuen Kontakte seien für die Mädchen besonders wichtig, denn wie es auch bei erwachsenen Eltern oftmals der Fall ist, würden sich viele Freunde nach der Geburt eines Kindes aufgrund unterschiedlicher Interessen abwenden.

Veränderter Freundeskreis

"Ich habe viele Freunde verloren, aber darüber bin ich sogar froh, denn ich habe dadurch gesehen, wer wirklich zu mir hält“, bestätigt Amanda Dohnal diese These. Viele ihrer Freunde hätten kein Problem mit ihrer neuen Rolle als Mutter: "Sie sagen zwar, dass sie sich auch wieder darüber freuen, wenn wir einmal etwas alleine unternehmen können, aber sie akzeptieren die Situation und lieben die Kleine“. Auch im besagten Kochkurs hat Dohnal neue Gefährtinnen gefunden. Gemeinsam würden immer wieder Ausflüge unternommen oder zu klein gewordene Kinderkleidung ausgetauscht. "Wir schreiben uns immer und schauen, wie wir einander helfen können, wenn jemand beispielsweise einmal krank wird. Es ist ein richtiger Zusammenhalt da“, erzählt sie.

In ihre Mutter-Rolle sei die 17-Jährige "total hineingewachsen“: "Ich bin 24 Stunden am Tag für die Kleine da - und dadurch auch recht schnell erwachsen geworden“, meint sie. Kommenden September wird die Jungmutter ihre Ausbildung fortsetzen. Damit sie ihre Tochter nicht in einer Betreuungsstelle abgeben muss, hat man eine externe Regelung gefunden, bei der sie von zuhause aus lernen und ihre Prüfungen in der Schule ablegen kann. Auch wenn sich ihre Lebenssituation innerhalb der letzten beiden Jahre enorm geändert hat: Nun ist alles gut, wie es ist. "Im Nachhinein denke ich mir natürlich schon oft, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn ich schon eine Ausbildung und eine eigene Wohnung gehabt hätte. Aber ich bin wirklich mit Leib und Seele Mutter und möchte meine Kleine nie mehr wieder hergeben.“

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