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Hilfe für ledige Mütter

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„Ich hab zu meiner Mutter g’sagt: Ich will das Kind bekommen. Aber meine Eltern war’n dagegen. Sie hab’n g’sagt: Entweder du laßt das abtreib’n oder du mußt gehn. Aber ich hab mein Kind hab’n wollen. Jetzt hab ich’s!“

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„Ich hab zu meiner Mutter g’sagt: Ich will das Kind bekommen. Aber meine Eltern war’n dagegen. Sie hab’n g’sagt: Entweder du laßt das abtreib’n oder du mußt gehn. Aber ich hab mein Kind hab’n wollen. Jetzt hab ich’s!“

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Mafie ist 17 Jahre alt, noch ohne Beruf. Trotz der Schwierigkeiten mit ihren Eltern brachte sie einen Sohn zur Welt. Zufällig erzählte ihr eine Freundin, daß vielleicht in Linz Hilfe zu erwarten wäre: im „Haus für Mutter und Kind“ in der Rudolfstraße Nr. 38. Marie erkundigte sich, es war gerade ein Platz frei und sie kam dort unter. Heute ist sie froh, daß sie sich für das Kind entschieden hat. Sie fühlt sich wohl, und ihr kleiner Gerhard verbringt die ersten Monate seines. Lebens in Geborgenheit und Liebe.

Diese Wohngemeinschaft, die neben anderen Stiftungen und Institutionen eine Alternative gegen vorschnelle und verantwortungslose Abtreibung bildet, besteht seit April 1978 und hat bis jetzt 16 Mütter beherbergt. Der Plan dafür entstand 1973 in der Diskussion um die Fristenlösung. Der „Verein Jugendzentren“ in Linz war der Meinung, daß die Katholiken nicht nur Grundsätze zum Schutz des Lebens vertreten, sondern auch konkrete Taten zur Rettung des ungeborenen Lebens setzen sollten. Unterstützt von der Diözesancaritas, der Katholischen Jugend und der Aktion Leben richtete er eine Wohnung in der Herrenstraße als Wohngemeinschaft für werdende und alleinstehende Mütter ein. Es sollte ein Experiment für die Zeit von Jänner bis August 1974 sein,

Unter den ersten, die damals betreut wurden, war die neunzehnjährige Anni. Sie kam aus tristen Faihilienver- hältnissen, wuchs in verschiedenen Heimen und Sonderschulen auf und bekam von ihrem Schwager, der im selben Haus lebte und selbst eine fünfköpfige Familie hat, ein Kind. Er bedrohte sie, falls sie ihn verraten sollte. So kam Anni in ein Heim, wo sie ihr Kind zwar zur Welt brachte, weitergeholfen hat man ihr nicht. Erst in der Herrenstraße lernte sie ihren Sohn richtig zu pflegen und mit dem Haushalt umzugehen.

Die meist noch unreifen Mütter werden nicht bevormundet. Sie sollen dazu gebracht werden, selbst die Verantwortung für ihr Leben und das ihrer Kinder zu übernehmen, und haben auch die Möglichkeit, für ihre Zukunft vorzusorgen.

So war die siebzehnjährige Marie zuerst ganz erstaunt, als ihr ein Haustorschlüssel in die Hand gedrückt wurde. „Ja, muß ich denn da niemand fragen, wenn ich abends weggeh’?“ Vorher war sie in einem Heim in Graz. Dort mußte sie vieles tun, dessen Sinn sie nicht verstand. Ihr Tag war dort in festen Einheiten eingeteilt. Selbständig keit lernte sie dort nicht. In der Steingasse, der neuen Wohnung der Wohngemeinschaft, versuchten eine Sozialhelferin und einige engagierte Freiwillige die jungen Frauen zur Selbsthilfe zu erziehen. Sie sollten ihr Leben selbst in die Hand nehmen.

Es ist vor allem das persönliche, klärende Gespräch, das allein schon viele Probleme löst. Anderseits informieren die Helfer auch über gesetzliche Ansprüche und Leistungen, von denen die Betroffenen meist überhaupt nichts wissen und helfen den manchmal etwas verschreckten Müttern bei Ämtern und Behörden weiter. Wichtig ist, daß eine Wohnung und ein geeigneter Arbeitsplatz gefunden wird, was bei Schwangeren besonders schwierig ist.

Trotz aller Schwierigkeiten war die Wohngemeinschaft in der Steingasse ein großer Erfolg. Die Frauen finden leicht Anschluß aneinander. Natürlich gibt es durch das enge Zusammenleben Probleme. Manchmal kapselt sich eine Mutter ab. Trotzdem - es herrscht eine Atmosphäre der Kameradschaft, in der sich neue Beziehungen entwik- keln können. Viele Frauen finden in dieser Zeit zum Kindesvater oder zu ihren Familien zurück, etliche gehen neue Verbindungen ein. Ein nicht geringer Teil will vorerst allein bleiben. Daran sind allerdings nicht nur die Enttäuschungen schuld. Es ist dies auch ein Zeichen für die beginnende Selbständigkeit.

Die Erfahrungen, die die Helfer mit ihrem Leiter, Julius Brock, gemacht haben, zeigten, daß die optimale Durchführung nur in einem eigenen Haus möglich ist. Vor einem Jahr wurde das Haus Rudolfstraße Nr. 38 frei, das bis dahin ein Altersheim für Priester gewesen war. Die Diözese

Linz stellte es 1977 dem „Verein Jugendzentren“ für ihre Arbeit mit ledigen und alleinerziehenden Müttern zur Verfügung. Das Land Oberösterreich, die Raiffeisen-Zentralkassa und private Spender halfen zusammen, damit das Haus umgebaut und eingerichtet werden konnte.

Trotz der vielen Spenden ist die Finanzierung noch ein großes Problem. Der Umbau des Hauses, der 1 1/4 Millionen Schilling kostete, ist noch nicht ganz bezahlt. Auch die 800.000 Schilling, die der laufende Betrieb erfordert, sind zum Teil noch ungedeckt.

Brock, der die Aktion auch ins Leben rief, hat viele Pläne, wie er die Wohngemeinschaft ausbauen könnte. Bedarf dafür wäre genug vorhanden. Denn bis jetzt wurden schon 62 Mütter beherbergt. Und immer wieder müssen Mütter in Notsituationen aus Platzmangel abgewiesen werden. Drei bis vier Räume könnten durch den Ausbau des Dachbodens gewonnen werden. Für den Keller, der jetzt als Bastelraum dient, plant er einen Mehrzweckraum für Meditation oder Gruppenspiele.

Das schönste Kompliment für diese engagierten Christen kam von der 24- jährigen Christine, die in ihrem Heimatdorf mit „strenggläubigen Katholiken“ leider schlechte Erfahrungen gemacht hat, seit sie ein Kind erwartet: „Ich weiß nicht, ob es (Christen sind oder nicht. Aber es sind Menschen, auf die man sich verlassen kann.“

Dazu gehören auch die unermüdlichen Damen Uschi Halbmayr und Grete Häring, die jedoch fix angestellt sind. Ebenso haben die Mütter Gelegenheit, sich mit Psychologen auszusprechen. Da die Bezeichnung „Psychologe“ bei sozialen Unterschichten aber eher abschreckend wirkt, wird einfach mit „Berti und Gabi geplaudert“; nicht im stillen Kämmerlein, sondern ganz frei im komfortablen Wohnzimmer. Auch hier zeigt sich, daß das Wort „Heim“ völlig falsch wäre.

Diese Gespräche sind sehr wichtig, denn die Frauen sind nicht nur ins „Haus für Mutter und Kind“ gekom-

men, weü sie materiell arm sind. Viel schlimmer sind die Vorurteile ihrer Umgebung, die sie in die Isolation drängen.

„Für Notfälle dieser Art gibt es ja schon staatliche Unterstützung, zum Beispiel die Fürsorge“, meint Brock, „aber es gibt immer wieder Löcher im Sozialsystem, etwa bei Frauen, die im Ausland gearbeitet haben. Oder bei Frauen, die ihre Umwelt nicht leben läßt. Der Staat kann mit seinen materiellen Mitteln eben nicht alles. Dafür sind wir da!“

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