Mit kleinen Schritten zurück ins eigene Leben

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Das Mutter-Kind-Heim der Caritas Socialis in Wien unterstützt Frauen und Kinder in Krisen. Viele müssen erst lernen, für sich und andere zu sorgen.

Ihr großer Wunsch scheint nun ganz nahe gerückt, fast zu nahe. "Ich wünsche mir eine eigene Wohnung, das hatte ich noch nie, und einen guten Job", sagt sie schüchtern mit einem freundlichen Lächeln. Barbara ist 30, sie kommt aus Ungarn und lebt mit ihren zwei Kleinkindern seit zwei Jahren im Wohnheim für Mutter und Kind der Caritas Socialis im neunten Bezirk in Wien.

Ein Jahr will die junge Frau noch bleiben, sie fühle sich sehr wohl. Ihr richtiger Name darf nicht genannt werden, sie hat Traumatisches erlebt, mehr möchte die Leiterin des Mutter-Kind-Heimes, Schwester Sieglinde, nicht erzählen. Barbara soll auch nicht darauf angesprochen werden.

Es zählt der Blick nach vorne. Das Ziel ist wie bei allen Frauen, die hier Zuflucht und Stabilität suchen, die Selbstständigkeit: Selbstständig leben und ihre Kinder versorgen. "Viele der Frauen, die hierher komme, haben als Kind keine Familie gehabt", erzählt die Leiterin des Wohnheims, Schwester Sieglinde. In diesem Haus würden viele Frauen die ersten vertrauensvollen Beziehungen in ihrem Leben erfahren. Und dabei sind die meisten der Frauen schon um die 30 Jahre alt, wenn sie ins Heim kommen.

"Ich bewundere die Frauen auch", sagt die Pädagogin, "wie sie trotz schwieriger Ausgangsposition das Leben wieder selber in die Hand nehmen." So auch Barbara, die ebenso lange nicht wusste, was eine Familie eigentlich bedeutet. Und trotzdem habe sie es geschafft zu lernen, ihren Kindern eine so gute Mutter zu sein, erzählt die Leiterin und führt durch das Wohnheim. Es gibt zwei Spielzimmer, eine Gemeinschaftsküche - ein gut ausgestattetes Wohnheim eben für 16 kleine Familien mit Hausordnung und gelegentlicher Unordnung: für diese Frauen aber oft ihr erstes stabiles Zuhause.

Ein gemütliches Zimmer mit Kochnische und Bad ist gerade frei geworden. Das wird es nicht lange bleiben. Die Warteliste ist lang. Es kann bis zu einem Jahr dauern, bis etwas frei wird. 16 Wohneinheiten gibt es in diesem Mutter-Kind-Heim. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ist zwei Jahre. Zwei Sozialarbeiterinnen, eine Pädagogin und eine Psychotherapeutin unterstützen und begleiten die Frauen. Ein Psychotherapeut kommt einmal pro Woche, er therapiert vor allem die Kinder, die vielfach Traumatisierungen aufweisen.

Die meisten Frauen, die hierherkommen, fliehen aus Gewaltbeziehungen. Oder sie sind aus ihrem Heimatland geflohen, haben dort sowie auf der Flucht oft Gewalt erlebt und manche auch noch in der Beziehung. Auf der Flucht waren diese Frauen alle in irgendeiner Form.

Im Jahr 2008 lebten im Wohnhaus 26 Frauen mit ihren 40 Kindern aus elf verschiedenen Nationen. Neun Frauen zogen im vergangenen Jahr in eine eigene Wohnung.

Das Caritas Socialis Wohnheim arbeitet auch eng mit dem Jugendamt zusammen, erklärt die Leiterin. Viele Frauen kommen über das Jugendamt ins Mutter-Kind-Heim, manche vom Frauenhaus, wenn sich ihre Situation beruhigt hat. "Manche von ihnen wissen oft die einfachsten Dinge in der Versorgung ihrer Kinder nicht. Großteils gelingt es, dass Mutter und Kind zusammenbleiben können. Es sind meist kleine Schritte, die die Frauen lernen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. So klein, dass sie für Außenstehende kaum wahrgenommen würden", erzählt die Schwester.

Viele der Frauen hatten zuvor keine Struktur, konnten weder mit Geld umgehen noch mit ihren Kindern. Jede Frau bekommt ihre Begleiterin, die sie regelmäßig zu einem Gespräch treffen sollte. Das ist eine Auflage, um im Heim aufgenommen zu werden. Es gibt auch Ausschlussgründe, etwa: Es darf keine unmittelbare Gefahr durch einen gewalttätigen Partner bestehen oder ein akutes Drogenproblem. Dafür sei man einfach nicht ausgerüstet, erklärt die Leiterin.

Barbara hat sich hier nun gut eingelebt. Der Weg in die Selbstständigkeit macht ihr noch etwas Angst. Sie will noch länger bleiben. Doch nach zwei Jahren wird es schwieriger, die finanzielle Unterstützung durch den Fonds Soziales Wien zu bekommen. "Wenn sie einen Job hat, wird sie es schaffen", meint Sieglinde zuversichtlich. Genau das aber wird schwierig. Barbara hat keinen Beruf erlernt. Für Bürger aus den sogenannten neuen EU-Staaten ist die Situation noch einmal komplizierter.

Und "draußen" zählt das, was sie im Heim für Mutter und Kind gelernt und erfahren hat, eher wenig, für sie und ihre Begleiterinnen ist es aber sehr viel: Selbstständigkeit und Vertauen in sich und andere Menschen. (bog)

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