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Sie leben am Rande der Gesellschaft, oft fehlt das Geld für das Allernötigste. Die Lage von alleinerziehenden Müttern ist dramatisch. Eine Betroffene erzählt.

Er wollte Geschäfte in Nordafrika machen, edle Stoffe nach Österreich importieren, ein kleines Vermögen verdienen. Zumindest erzählte er ihr das. Dann wurde er am Flughafen in Marokko verhaftet. Seit zwei Jahren sitzt Natalias Mann nun im Gefängnis, und die 34-Jährige ist mit der vierjährigen Maria alleine.

Natalia heißt nicht wirklich so, auch ihre Tochter hat einen anderen Namen. Aber die junge Frau versucht gerade, ein neues Leben aufzubauen, und möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.

Seit Mai leben Natalia und Maria in einem Mutter-Kind-Haus in St. Pölten. Sie haben ein Zimmer mit Kochnische und falls es Schwierigkeiten gibt, kann sie rund um die Uhr jemanden um Hilfe bitten. So viel Unterstütung hatte Natalia noch nie in ihrem Leben.

Als ihr Mann nicht von Marokko zurückkam, war sie plötzlich allein in einem großen Haus, in einem kleinen Dorf. Sie kannte niemanden, hatte keine Arbeit, kein Geld, dafür ein Kind, das nicht einmal zwei Jahre alt war. Mit 27 ist Natalia aus der Ukraine nach Österreich gekommen, Familie hat sie hier keine. Und die Eltern von ihrem inhaftierten Mann, immerhin Marias Großeltern, brachen den Kontakt zu ihr ab.

Von der Abhängigkeit in die Armut

"Die Tage waren furchtbar lang“, erzählt Natalia heute. Trost fand sie im Alkohol. "Manchmal habe ich drei Tage lang durchgetrunken.“ Es dauerte nicht lange, bis das Jugendamt vor der Tür stand. Sie nahmen ihr das Sorgerecht und brachten Maria in ein Kinderheim. "Damals war ich am Ende. Mein Leben war mir nichts mehr Wert“, sagt Natalia.

Emotionale wie finanzielle Abhängigkeit, Armut, psychische Probleme - Natalias Geschichte kann getrost als Schablone für Frauen in Notlagen herhalten. "Der Anteil von psychischen Erkrankungen ist bei Frauen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, viel höher als bei Männern“, bestätigt Elisabeth Corazza, Sozialarbeiterin beim Verein Wobes. "Wenn ihnen dann noch die Kinder weggenommen werden, ist das schrecklich: Für viele Frauen ohne Beruf und ohne Selbstvertrauen sind die Kinder identitätsstiftend. Oft kommt dann Sucht ins Spiel, um den Verlust zu kompensieren.“

Mehrere Monate verbrachte Natalia allein in dem Haus. Rechnungen konnte sie nicht mehr zahlen, ihr Zustand verschlechterte sich: "Am Schluss hatte ich richtig Angst vor Menschen.“ Dann kam sie in die Psychiatrie, später in eine Entzugsklinik, zuletzt ins Frauenhaus. Nach zwölf Probetagen mit Maria unter Aufsicht des Jugendamtes wurde ihr das Mutter-Kind-Haus in St. Pölten vorgeschlagen. Seit sie dort ist, geht es bergauf.

Zehn Frauen und elf Kinder leben momentan in dem Haus, das von der Caritas geführt wird. "Manche sind schwanger, andere befinden sich in einer akuten Notsituation“, erzählt Irene Schogger, die Leiterin des Hauses. Zwischen sechs Monaten und eineinhalb Jahren bleiben die meisten hier. Ihre Geschichten sind unterschiedlich, aber eines haben alle gemeinsam: Alle leben unter der Armutsgrenze. Und immer zieht die Frage "Wie soll es weitergehen?“ mit ein. "Aber wenn sie das Haus verlassen, haben sie eine Perspektive“, sagt Schogger.

Auch Natalia schaut wieder positiv in die Zukunft. Alkohol hat sie seit dem Entzug nicht mehr angerührt. Sie ist zuversichtlich, dass sie bald das Sorgerecht zurückbekommt und bemüht sich um eine Ausbildung als Chemielabortechnikerin. Im Frühling will sie mit Maria in eine eigene kleine Wohnung ziehen. Und sie weiß auch, was sie nicht mehr will: "Mich verlieben und wieder abhängig sein von einem Mann.“ Auch Natalias Vater war Alkoholiker, in ihrer Erinnerung sieht sie sich selbst als trauriges Kind: "Das soll meiner Tochter erspart bleiben. Sie hat schon viel erlebt für ihre vier Jahre. Jetzt möchte ich Stabilität im Leben - für Maria und für mich.“

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