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Alleinerzieher fangen neu an

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25. März: Sonntag der Familie. Daß Kirche nicht nur für intakte Familien da ist, zeigt die Pfarre Hernais: Frauen aus zerbrochenen oder nicht zustande gekommenen Ehen erfahren neue Hoffnung.

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25. März: Sonntag der Familie. Daß Kirche nicht nur für intakte Familien da ist, zeigt die Pfarre Hernais: Frauen aus zerbrochenen oder nicht zustande gekommenen Ehen erfahren neue Hoffnung.

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Ja, es sei alles gut gegangen, sagt sie am Telefon. Genaueres würde sie bei einer anderen Gelegenheit erzählen. Jetzt habe sie ein Gespräch, mit mir. Renate Schattovits, Leiterin des Ausschusses Ehe und Familie der Pfarre Hernais, nimmt wieder mir gegenüber Platz und setzt den Bericht über ihre Erfahrungen mit einer Runde alleinerziehender Mütter fort.

Und sie erzählt mir, was sie eigentlich dem Anrufer erzählen wollte, nämlich die jüngste Begebenheit, die die Runde beschäftigt hatte: „Eine noch sehr junge Frau hat bisher mit einem Mann, der ihr Vater hätte sein können, zu-

sammengelebt. Sie haben miteinander ein Kind. Der Vater trinkt, hat kein Einkommen, ist nicht sozialversichert. Vor längerer Zeit kam diese Frau zu uns. Sie war mit der Sozialhelferin der Pfarre in Kontakt gekommen. Diese hatte sie auf unsere Runde aufmerksam gemacht."

Zuerst sei die junge Frau eher mißtrauisch gewesen, voller Aggressionen gegen die Kirche. Langsam aber habe sie Vertrauen gewonnen und begonnen über ihre Probleme zu sprechen. Da wurde klar, unter welch schlimmen Verhältnissen sie leben mußte. Besonders belastend waren nämlich zu allem Übel die pausenlosen Auseinandersetzungen, die das Paar hatte.

In der Runde wurde viel hin und her überlegt. Schließlich riet man

der Frau, sich eine andere Wohnung zu suchen und half ihr dabei. Dann mußte ein Moment abgewartet werden, wo sie unbemerkt und rasch ausziehen konnte. Gestern sei das über die Bühne gegangen. Viele hätten mitgeholfen.

. Nicht immer geht es so aufregend in dieser vor drei Jahren gegründeten Runde zu. Der Alltag vereint eine Gruppe von etwa zehn Frauen, die sich regelmäßig einmal monatlich treffen, um über Probleme zu sprechen. Es sind geschiedene Frauen mit Kindern, ledige Mütter und eine Witwe, die sich in den Pf arräumen bei Kaffee, Tee und Kuchen zusammensetzen.

Während Frau Schattovits die Gesprächsrunde der Frauen leitet, kümmert sich Theresia Mit-mannsgruber, eine gelernte Kindergärtnerin, um die dazugehörigen Kinder. Das ist keine leichte Aufgabe, denn sie sind altersmäßig bunt zusammengewürfelt und haben natürlich auch unter den schwierigen Lebensverhältnissen gelitten.

Das Treffen dauert zwei Stunden. Jedesmal bereitet die Leiterin ein Thema vor, das sich mit Problemen der persönlichen Lebensgestaltung oder der Erziehung auseinandersetzt. Da geht es nicht um neue wissenschaftliche Erkenntnis, sondern um Austausch von Lebenserfahrung. „Es soll nicht oberg'scheit sein und ich bringe auch meine Probleme mit ein", beschreibt meine Gesprächspartnerin ihre Bemühungen.

Als die Runde gegründet wurde, war dies zweifellos eines der Pro-

bleme, daß die Teilnehmerinnen durchwegs Partnerschaftsprobleme hatten, die Initiatorin der Runde aber aus einer intakten Ehe kam. Darüber wurde lange offen gesprochen. Seither hat man die Vorteile dieser Konstellation zu schätzen gelernt.

Während des Treffens wird jedoch nicht nur über das vorbereitete Thema gesprochen. Als Einstieg berichtet vielmehr jede der Teilnehmerinnen über das, was sie seit dem letzten Treffen an positiven und negativen Erfahrungen gemacht hat. Das erleichtert es den neu Dazugestoßenen, Anschluß zu finden.

Denn Neue kommen immer

wieder dazu. Kürzlich wurden sogar zwei Frauen vom Jugendamt des Magistrats geschickt. Meistens aber sind es persönliche Kontakte über Pfarrmitglieder, insbesondere solche der Sozialhelferin, die die Brücke zur Runde herstellen. Auf diese Art sind in den letzten drei Jahren insgesamt 25 Frauen — wenn auch manche nur vorübergehend — dazugesto-ßen.

Und was sind nun die Hauptprobleme dieser zumeist jungen Frauen? Sie fühlen sich allein gelassen, sind fast durchwegs arbeitslos und haben finanzielle Probleme. Uberfordert fühlen sie sich auch meistens von der Kinderbetreuung — obwohl sie die Kinder durchwegs gut versorgen.

Die seelischen Probleme lassen sich in der Gruppe relativ gut aufarbeiten. Die Frauen bekommen einen Rückhalt. Man merkt den Fortschritt daran, daß sie sich zunehmend für die Sorgen der anderen öffnen und diese mittragen. Die Runde wird immer stärker als Heimat empfunden, was etwa daran deutlich wird, daß Frau Schattovits nicht mehr jedesmal alle anrufen und einladen muß. Aber es klappt natürlich nicht immer. Einige hat man aus den Au-

gen verloren.

Wo besondere materielle Probleme auftreten, kann zwar die Runde selbst nur wenig helfen, dafür aber die Pfarre, zu der ja Kontakt besteht. Insbesondere hat die Pfarre einen Arbeitskreis „Teilen", der in Notsituationen die notwendigen Mittel aufbringt.

Viele sind fernstehend

Die Zusammenarbeit mit der Pfarre ist auch noch in anderer Hinsicht wichtig. Hinter jeder alleinerziehenden Frau steht jemand aus der Pfarre, der in der Umgebung wohnt und gewissermaßen als Anlaufstelle für Sorgen und Probleme im Alltag dient, also zwischen den monatlichen Treffen als Vertrauensperson wirkt. Auch untereinander halten die Frauen Kontakt.

„Ich habe mich bewußt herausgehalten. Nur wo besondere Probleme auftreten, springe ich ein. Denn ich will nicht den Eindruck vermitteln, ich sei die Mutter der Runde", erklärt Frau Schattovits, die bewußt eine Betreuungssituation vermeiden wollte — von Anfang an.

Regelmäßig in die Kirche gehen nur einige Frauen, viele sind fernstehend, einige öffnen sich langsam für Gott. Das zeigt etwa das Beispiel einer jungen Frau, die mit ihrem bluterkrankten Kind und ihrer schwer zuckerkranken Mutter (die wiederum sehr dominant ist) zusammenlebt. Sie selbst ist seelisch schwer belastet, und kommt dann, wenn sie in ganz besonders schweren Depressionen steckt, zu meiner Gesprächspartnerin plaudern — und beten. Meistens geht sie getröstet heim.

Und das ist eine weitere Form, in der die Pfarre hinter dem anliegen der Runde steht: Sie trägt die Menschen mit in ihrem Gebet—im Alltag und bei konkreten Anliegen.

Wer sich nur von großen Zahlen beeindrucken läßt, wird sagen, es müßte viel mehr geschehen. Wer um das Besondere an jedem Menschen weiß, wird sich über dieses Zeichen der Hoffnung freuen.

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