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Digital In Arbeit

„Junggebliebene sucht Dauernebenbeziehung ...”

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Christine Bauer-Jelinek, psyciioth erapet'ti n: „Die zunehmende Vereinsamung bedingt sicher eine steigende Nachfrage nach Partnervermittlungsinstituten. Hohe Scheidungsraten und schlechter funktionierende Sozialkontakte fördern diese Entwicklung noch zusätzlich. Früher, zu Zeiten unserer Eltern, gab es eine Vielzahl von Vereinen und Hobbygemeinschaften, die über eine lange Zeitdauer hinweg frequentiert wurden und in denen Menschen Gelegenheit fanden, einander kennenzulernen.

Diese Form der Kommunikation gibt es heute nicht mehr. Die ständig steigende Mobilität in allen l^e-bensbereichen hat dazu geführt, daß heute Klubs und Vereine häufig gewechselt werden: Man bleibt ein Jahr lang in einem bestimmten Fitneß-Verein, wechselt dann zu einem anderen, Kontinuität gibt es also in diesem Sinne nicht mehr.

Eine große Bolle spielt dabei auch das von der Werbung sehr unterstützte und geförderte Bedürfnis, nur ja nichts zu versäumen. In der Generation unserer Eltern war eine solche Vielfalt von Angeboten und Möglichkeiten auch großteils unbekannt. Also blieb man - oft ein Leben lang - in der gleichen Gemeinschaft.

Heute stellt sich das Kennenlernen so dar, daß sogenannte Abenteuer-, Dauer- oder Dauernebenbeziehungen per Institut oder Inserat gesucht und ausprobiert werden. Es wird vielfach auch als spannend empfunden, als Mensch sozusagen ,auf den Markt zu kommen'. Bekommt ein Inserent auf seine Anzeige 50 Briefe und mehr, so wird das vom Betreffenden als sehr aufregend und reizvoll empfunden.

Es gibt heute sogar eine gewisse ,Szene' von Menschen, die dauernd inserieren, die das direkt hobbymäßig betreiben. Sie inserieren manchmal bis zu zehn Jahre hindurch regelmäßig, ohne die ernste Absicht zu haben, sich wirklich dauerhaft zu binden. Das sind Menschen, die Spaß daran finden, andere Menschen quasi per Versandkatalog auszusuchen und kennenzulernen.

Eine ganz aktuelle Form der Part-nersuche gibt es heute ja auch schon über „Internet”,- da gibt es eigene Telefonnummern, die die Menschen miteinander „vernetzen”. Internet ist an die Stelle der früher sehr beliebten Brieffreundschaften getreten.

Aber zurüdk zu den Partnerinstituten: Sie werden gerne in Anspruch genommen, weil die Suchenden das Gefühl von Sicherheit haben wollen: ,1m Institut habe ich jemanden, der mir bei der Partnersuche behilflich ist, -der Berater begleitet mich im unweg-. samen Gelände meiner Sehnsucht... Ich werde ernst genommen.'

Partnerinstitute haben sehr unterschiedliche Niveaus: Es gibt viele, die nur die rein äußerlichen Kriterien der Kunden in ihre Kartei aufnehmen

(Größe, Alter, Haarfarbe), und andere, die Persönlichkeitsmerkmale erheben und sich auf Persönlichkeitsanalysen spezialisiert haben. Das heißt, in guten Partnerinstituten sind Psychologen angestellt, die mit jedem Bewerber auch sogenannte ,Tiefen-interviews' führen. Ich beobachte auch einen Trend in der Bewußtseinsbildung von Partnersuchenden, daß Beziehung auch Arbeit und nicht nur Konsum ist, daß vieles auch selbst eingebracht werden muß, wenn eine Partnerschaft gelingen soll. Ohne einen solchen Selbstreflexionsprozeß geht heute gar nichts mehr.

Der Trend geht eindeutig hin zur Partnersuche. Mittlerweile haben die meisten einsamen Menschen erlebt, daß sie immer häufiger Opfer von psychosomatischen Erkrankungen wie Panikattacken, Schlafstörungen oder Depressionen werden. Das Fehlen eines Partners ist ja immer auch gleichbedeutend mit dem Verlust der für den Menschen elementar notwendigen mitmenschlichen Fürsorge.

Ich kenne Manager, die nieman^ den haben, der für sie beispielsweise einkaufen geht, wenn sie krank und mit Fieber im Bett liegen. Diese ^erlassenen' Menschen versuchen meist mit Hilfe von starken Medikamenten, ihre Erkrankung rasch in den Griff zu bekommen, um so bald wie möglich wieder funktionsfähig' zu sein.

Eine andere Form der Lebensführung als das funktionieren' ist für sie bereits undenkbar. Das Bewußtsein: ,Ich kann alles alleine' - das vielen unserer Generation so nachhaltig eingetrichtert wurde, hat sehr viele in Einsamkeit und Isolation geführt.

So hat nicht nur ein dauerhaftes Vereinsleben zu existieren aufgehört -vielleicht hat es auch sein natürliches Lebensalter erreicht und ist einfach nicht mehr regenerierbar, - es ist auch der komplette Verlust von sozialen Netzen feststellbar.

Was bleibt also dem Einsamen, der seiner Lebenssituation hilflos gegenübersteht?”

Sind Partnerinstitute die geeignete Lösung? Ist diese Verantwortung wirklich delegierbar?

Steigende Angst vor zu viel Nähe psvchotherapeutin Elisabeth Muschik „Ich beobachte eine sehr geringe Ausdauer bei der Beziehungsfähigkeit von Menschen. Außerdem nimmt die Angst vor Nähe stark zu. Parallel dazu steigen die Ansprüche an den Partner ins Unendliche.

Daß Beziehung Arbeit ist, hat sich bei den meisten noch nicht herumgesprochen, - wenn es nicht ,gleich paßt', ist die Gna-denlosigkeit von Trennungen und Abbruchen enorm. Ich stelle auch einen gewissen Streßfaktor fest, der sich in einem Bedürfnis nach immer mehr und besseren Kontakten festmachen läßt. Jeder ist ständig auf der Suche nach dem ,Über-drüber-Partner', ohne jedoch an sich selbst besonders hohe Ansprüche zu stellen. Begleiterscheinungen dieser Entwicklung sind Angstgefühle, Panikattacken und Frustrationen bei Versagern.

Sind Menschen unserer Tage überhaupt noch ,partnerfähig', -oder entsteht eine Generation von Singles?”

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