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Wie Familie gelingen kann

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Zum Thema Familie haben in der Wiener Pfarre Am Schöpfwerk Frauen und Männer im Gespräch Erfahrungen ausgetauscht.

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Zum Thema Familie haben in der Wiener Pfarre Am Schöpfwerk Frauen und Männer im Gespräch Erfahrungen ausgetauscht.

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Es war wohl für alle Teilnehmer befreiend, zu erfahren, daß es auch in anderen Beziehungen zwischen Ehepartnern nicht immer harmonisch zugeht. Auch ganz massive Krisen wurden offen zugegeben. Wie wurde man damit fertig?

Eine Anregung war etwa, sich bei Schwierigkeiten an die Anfänge der Beziehung zu erinnern; Was hat uns damals aneinander gefallen? - Bereichernd ist es auch, dem Partner die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Denn jeder ist geprägt durch seine Vergangenheit, speziell durch seine Kindheit. Da gab es nicht nur Schönes, sondern auch Verletzungen, die immer wieder aufbrechen. Kennt der Partner diese inneren Schrammen, kann er leichter mit mancher ihm vielleicht eigenartig erscheinenden Verhaltensweise umgehen.

Von bleibender Wichtigkeit ist es, für den anderen dankbar zu sein, die Freundschaft als Geschenk Gottes zu sehen und sie nicht nur eigener Leistung zuzuschreiben. Kein Mensch kann Gott ersetzen. Damit wäre er heillos überfordert. Deshalb muß man lernen, die Fehler und Grenzen des anderen anzunehmen. Das bedeutet; nicht aufzuhören, davon zu träumen und daran zu arbeiten, daß das Zusammenleben doch immer harmonischer werden kann. Eine gute Ehe besteht also nicht darin, daß beide Partner perfekt sind, sondern daß beide bereit sind, ständig zueinander unterwegs zu sein.

Einer Beziehung tut es nie gut, wenn Probleme nicht ausgesprochen werden. Unausgesprochene Verletzungen stauen sich auf und die Gefühle füreinander werden blockiert.

Das gilt nicht nur für die Ehepartner, sondern auch für deren Umgang mit ihren Kindern. Unterschiedlich waren dabei die Meinungen darüber, ob es ratsam ist, daß Eltern vor ihren Kindern Konflikte austragen. Die Befürworter meinten, es sei gut, wenn die Kinder durch das Vorbild der Eltern lernten, fair zu streiten. Das bedeutet: die eigene Meinung klar sagen, aber den anderen nicht zu demütigen, ihn dennoch spüren zu lassen, daß man ihn liebt.

Psychologisch ist es außerordentlich wichtig, sowohl dem Partner als auch den Kindern ihrem Alter entsprechend Freiräume zu gewähren. Natürlich ist die Familie die erstrangige Gemeinschaft. Diese muß mit Phantasie gepflegt werden, wenn sie gelingen soll: durch gemeinsames Gespräch, Gebet, durch Ausflüge, Spiele et cetera. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß jeder auch Zeit für sich braucht, in der er sich zurückziehen möchte oder einmal etwas mit anderen Freunden unternehmen will. Wenn diese Außenbeziehungen nicht überhcmd nehmen (und die Familie nur mehr Eß- und Schlafplatz ist), können sie das Zusammenleben enorm bereichern: Jeder kann andere Erfahrungen ein- bringen. Ganz wichtig ist es, daß Eltern ihre Kinder nicht als ihren Besitz betrachten und auch die Größe haben, sie mit wachsendem Alter loszulassen und ihre Eigenverantwortung zu fördern.

Natürlich hat jede Familie ein Recht auf Eigenleben, auf Zeit, die Beziehungen ungestört zu genießen. Dennoch war es aufschlußreich, daß von einigen Familienmitgliedern unabhängig voneinander betont wurde, wie wichtig andere Gemeinschaften (die Pfarrgemeinde, die Verwandten und Freunde oder andere Familien, mit denen man die Ferien verbrachte) für die eigene Gemeinschaft sind. Sich’s nur in den eigenen vier Wänden gemütlich zu machen, ist auf Dauer unbefriedigend. Der Austausch von Gedanken und konkreten, Hilfen ist unersetzlich. Man weiß: Ich muß nicht alles allein schaffen. Als hilfreich wurde erwähnt, wenn auch andere eine feste Bindung als solche anerkennen und mittragen.

Die Kindererziehung ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben. Einig waren sich die Gesprächsteilnehmer darüber, daß Kinder einerseits Liebe und Geborgenheit brauchen, daß sie aber auch Grenzen erleben müssen. Ein Kind, das nicht von klein auf zu verzichten lernt, wird auch später immer nur konsumieren wollen, nur seine eigenen Interessen durchzusetzen versuchen und letztlich unfähig zur Freundschaft mit anderen Menschen und zum dankbaren Genießen der vorhandenen Möglichkeiten. Ab- elehnt wurde jeder unnötige Zwang indem gegenüber. Sie sollen ihre eigenen Wünsche aussprechen können. Dies ist nicht nur für die Kinder wichtig, sondern für jede geglückte Beziehung: Der andere kann nicht erraten, was ich gern hätte.

Erfahrungen mit größeren Kindern zeigen: Nach und nach wird alles an Abhängigkeiten von den Eltern abgebaut. Die durch äußere Notwendigkeiten bestimmten Kontakte zerfallen. WELS bleibt, ist das Vertrauen zueinander, wenn es rechtzeitig (das heißt von Kindheit an) aufgebaut wird. Familie wurde auch als Lerngemeinschaft gesehen. Nicht nur die Kinder sind dabei die Lernenden, sondern auch die Eltern. So haben etwa gerade die Kinder manchen zum Nachdenken über den eigenen Glauben gebracht.

Eindrucksvoll schilderten Frauen in den kleinen Gesprächsgruppen, daß sie vieles an Problemen nicht bewältigt hätten, ohne fest daran zu glauben, daß Gott auf ihrer Seite ist. Selbst wenn man von dem Bewußtwerden des eigenen Versagens niedergedrückt zu werden droht, kann man darauf vertrauen: Trotz der eigenen und auch der fremden Schuld läßt uns Gott nicht fallen.

Der Autor ist Pfarrer von Am Schöpfwerk in Wien.

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