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Ja sagen zu Liebe und Leben

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Unglaublich: So gut besucht war noch kein Kongreß im Austria-Center. Nicht Experten kamen da zusammen, sondern Interessierte aus allen Schichten. Laien hatten ihn organisiert, um Mut zur christlichen Familie zu machen.

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Unglaublich: So gut besucht war noch kein Kongreß im Austria-Center. Nicht Experten kamen da zusammen, sondern Interessierte aus allen Schichten. Laien hatten ihn organisiert, um Mut zur christlichen Familie zu machen.

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Ehe und damit Familie ruhen auf der Basis einer persönlichen Entscheidung, einer Festlegung. Nicht ohne Grund wird ja auch in der Schöpfungsgeschichte im Zusammenhang mit der Ehe von Verlassen und Binden gesprochen

(Gen. 2,24). Leiden wir aber heute nicht unter einem besonderen Mangel an Bindungsfähigkeit? Ist dieses Manko nicht besonders stark bei den jungen Männern ausgeprägt? Da wird probiert, ob die eingegangene Beziehung auch wirklich funktioniert.

Dieser Ansatz beruht auf der falschen Vorstellung, man könne die Ehetauglichkeit eines Menschen prüfen, wie man ein Auto testet. Das führt zu nichts. Ich kenne ein junges Paar, das seit Jahren testet. Bald stehen sie im zehnten Jahr ihres Dauertests — ohne Entscheidung. Die Beziehung schleppt sich dahin. Die Umgebung weiß nicht, ob sie in die Beziehung investieren soll oder ob sie mit dem bevorstehenden Abbruch rechnen muß.

. Papst Johannes Paul II. hat diesbezüglich einmal eine wichtige Klarstellung getroffen, als er sagte: Das Wesentliche im Leben könne man nicht auf Probe machen. Man könne nicht auf Probe leben,auf Probe glauben, auf Probe sterben und vor allem nicht auf Probe lieben. Entweder man liebt oder man liebt nicht!

Denn Liebe lebt von der Entscheidung für den Geliebten. Die Ehe mit Zukunft lebt aus dem Ja für den Partner. Das sei vor allem uns Männern in Erinnerung gerufen, die wir ja anfällig für die Verlockungen sind, die von dem Umstand rühren, daß „eine andere Mutter ja auch ein schönes Kind hat“.

Es geht also um das Ja, das wir zueinander sprechen. Ehe und Familie leben von diesem bewußten Ja — und nicht vom reibungslosen Funktionieren der Beziehungen.

Wer sich die perfekte Harmonie erhofft, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Und dieses Ja muß einmal - zu Beginn der Ehe -ganz bewußt ausgesprochen werden, in dem Wissen, daß es keine Garantie für Harmonie gibt.

Wer kann für sich selbst garantieren, daß er jeder auftretenden Situation gewachsen sein wird? Wer kennt seine Zukunft, ja, wer kennt die Abgründe, die er selbst in sich trägt? Wer kennt sich selbst? Wer kann daher erwarten, er werde den Partner durchschauen? Das einzige, womit wir sicher rechnen können, ist, daß sich dieser Partner ändern, entwickeln, hoffentlich entfalten wird.

Und daher beruht die Ehe mit Zukunft auf dem unbedingten Ja zu diesem Partner, zu seinem Heute, vor allem aber auch zu seiner Zukunft, die wir beide nicht kennen.

Und dieses Ja wird dann tragfähig, wenn es im Verlauf der Beziehung immer neu wiederholt wird — gerade in Zeiten der Krise. Dazu ein Erlebnis, das mir diese Einsicht besonders klar vor Augen geführt hat: Eines Tages kam ein Freund zu mir. Er müsse mir etwas erzählen, sagte er und berichtete, daß seine Frau und er sich schon seit längerem in Fragen Nachwuchs nicht einig gewesen seien.

Zeiten der Krise

Er hätte gern ein Kind, sie aber nicht. Nun sei er am Vortag nach Hause gekommen und seine Frau habe ihm eröffnet, daß sie schwanger sei. „Großartig!“ war meine erste Reaktion. „Ja“, ergänzte er, „nur ist sie leider nicht von mir schwanger.“ Und dann zu meiner größten Überraschung: „Was meinst Du, kann ich tun, um das Vertrauen meiner Frau wiederzugewinnen?“

Da war mir plötzlich klar: Diese Ehe war deswegen nicht tot, weil da einer sein Ja sprach — gerade in einer scheinbar aussichtslosen Krise. Und diese Ehe würde leben, wenn auch seine Frau dieses Ja zu ihm sagen könnte, ein Ja, das auch ihr schwerfallen würde nach all den Nackenschlägen, die sie von ihm bekommen hatte.

Ehe und Familie funktionieren also nicht, weil die passenden Partner zueinandergefunden haben, sondern wenn jeder dazu beiträgt, der passende Partner zu sein.

Familie lebt aus der täglichen Entscheidung für den anderen.

Das gilt auch für das Kind. Besonders heute, im Zeitalter des „Wegwerfkindes“, bedarf es in besonderer Weise der Entscheidung zum Kind. Auch da sollten wir nicht alle zu sicher sein, daß wir selbst über jede Anfechtung erhaben sind.

Wo diese Entscheidung für das Kind fällt, nimmt der Betroffene eine Haltung ein, die ganz gegen den Zeitgeist steht. Er verzichtet auf die möglichst überschaubare Planung des eigenen Lebens. Denn wer ein Kind in sein Leben und somit an sich heran läßt, macht sich verwundbar, läßt sich auf ein unabsehbares Abenteuer ein.

Ein Abenteuer

Sind wir nicht zuletzt deswegen heute so kinderfeindlich, weil wir damit viele scheinbare Sicherheiten aus der Hand geben?

Wer das aber tut, macht eine wesentliche Erfahrung: Das Leben läßt sich nicht versichern, es läßt sich aber immer neu wagen. Und so können wir unsere Kinder als Chance erkennen, tiefer zu begreifen, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Da ist zunächst die offenkundige Einsicht, daß das Kind die Erfahrung der Geborgenheit ebenso dringend braucht wie die Nahrung. Diese Geborgenheit wird dann erfahren, wenn das Kind mitbekommt, daß es um seiner selbst willen geliebt wird. Es muß erfahren, daß es angenommen ist, unabhängig davon, ob es brav oder schlimm ist, ob es gut lernt oder schlechte Noten heimbringt. Es ist heute vor allem wichtig, daß Väter ihren Kindern die Erfahrung vermitteln: „Es ist gut, daß Du da bist, gut, einfach weil Du Du bist. Ich stehe zu Dir, auch wenn Du meinen Leistungsanforderungen nicht ensprichst.“

Menschwerdung

Nur wer Liebe erfahren hat, kann zur Person heranreifen, kann sich zu jener Form des Daseins aufschwingen, die kennzeichnend für den Menschen ist, zur eigenen Liebesfähigkeit. Wem nie Liebe entgegengebracht wurde, der ist in Gefahr, auf der Ebene bloßer Existenz zu verharren, auf der die Befriedigung von Bedürfnissen verschiedenster Art zum Lebensinhalt wird. Liebe ist das Klima, in dem allein Menschwerdung stattfinden kann. Das gilt für Kinder, das gilt für Erwachsene.

CHRISTOF GASPARI

Auszug aus einem Vortrag auf dem 12. Internationalen Familienkongreß, der vom 20. bis 23. Oktober in Wien stattgefunden hat.

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