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Scheiden tut weh

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„Alle Jahre wieder”... rauscht das Thema Scheidung durch den Blätterwald, wenn die neueste Scheidungsstatistik veröffentlicht wird. Also auch heuer: 1984 gab es einen Rekord. Fast jede dritte Ehe ging in Österreich in Brüche. Jeder erlebt die damit verbundenen Tragödien in seinem Bekanntenkreis. 16.500 Kinder werden jährlich zu Scheidungswaisen!

Unglaubwürdig klingt die dann laut werdende „Sorge” in Medien, die jahrein, jahraus, wie „profil” und „Stern”, die Emanzipationsmasche abspulen. Typisch für diesen Stil waren auch die beziehungsvollen Titel einer „Lebens-hilfe”-Serie 1983 im „Kurier”: „Jeder Mann steht ihrer Karriere im Weg”, „Eine gute Freundin ist besser als der beste Mann.” Die „Bunte” wiederum bewunderte kürzlich die Harmonie berühmter Zeitgenossen mit Dauerfreundinnen. Um Freiheit gehe es ihnen. Daher brauchten sie auch „weder den institutionellen Kitsch noch den institutionellen Rahmen der Ehe.”

Ganz allgemein wird die Vorstellung kultiviert, wichtig an den Mann-Frau-Beziehungen sei vor allem der Sex: Das gelte selbstverständlich schon für Jugendliche. Man zerbricht sich nur mehr den Kopf darüber, wie man sie zu möglichst wirksamer Verhütung anleitet. Banalisiert wird auch der Seitensprung, dem manche sogar „therapeutische” Wirkung zusprechen.

Problematisch ist aber nicht nur die sexuelle Liberalisierung, die landauf, landab verkündet wird, auch daß Karriere Selbstverwirklichung bedeutet, ist eine moderne Selbstverständlichkeit. Im Beruf erfülle sich das Leben — und in den Hobbys. Aber Familienidylle? Welch nostalgisch verklärtes Relikt einer Zeit, in der man sich nur nicht scheiden lassen konnte.

Wer den Menschen so sieht, dürfte sich um Ehescheidungen eigentlich nicht bekümmern. Sie sind vorprogrammiert. Dagegen hilft auch das Propagieren der Probeehe nichts (siehe „profil” Nr. 22, 23). Dieses Denken beruht auf einer falschen Menschensicht. Solche Vorschläge gehen nämlich von der Annahme aus, man könne eine Ehe wie eine Maschine testen* Wenn ihre Zahnräder gut ineinandergreifen, dann funktioniere das Modell eben. Welch ein Unsinn!

Wir sind doch keine unveränderlichen Zahnräder. Vielmehr ist unsere Wandlungsfähigkeit

Wesensmerkmal unseres

Menschseins. Und zu dieser mit Sicherheit eintretenden Veränderung des Partners gilt es, ja zu sagen. Auf diese Wandlung muß man sich einlassen, sie muß man begleiten. Daher kann man auch den Partner nicht wirklich endgültig testen.

Die Frage ist also nicht so sehr, ob man den richtigen Partner gefunden hat, sondern ob man selbst ein guter Partner ist. Was dabei herauszufinden wäre? Ob ich verzeihen, verzichten, vergessen, neu anfangen, zuhören kann... Das gut es vor der Ehe herauszufinden, nicht ob man sexuell miteinander zurechtkommt.

Eine tiefere Sicht vom Wesen der Ehe wäre notwendig: Sicher ist sie ein Wagnis, wie jede menschliche Beziehung, unberechenbar, wie unser ganzes Leben sich ja der Berechnung entzieht. Aber es ist wert, sich auf diesen Weg zu begeben, weil er uns die einmalige Chance eröffnet, unsere tiefe Sehnsucht nach unbedingter Annahme zu erfüllen. Suchen wir nicht alle jemanden, auf den wir uns unbedenklich verlassen können, der uns vertraut, auch wenn alles gegen uns spricht, der sich von Herzen mit uns freut, der aber auch unser Leiden und unsere Sorgen mitträgt?

Wo sollte solches tiefer erlebt werden können, als in einer erfüllten Ehe? Sie ist ein Raum, in dem Mann und Frau immer mehr eins werden können, in dem wir erfahren dürfen, daß Liebe unbegrenzt wachsen kann. Und ist das nicht auch die Hoffnung, mit der auch heute Ehen geschlossen werden?

Träumereien — wird sich so mancher denken, die Wirklichkeit ist anders. Vielleicht stimmt das nur deswegen, weil wir zu sorglos mit dieser Beziehung umgehen? Früher haben die gesellschaftlichen Spielregeln dafür gesorgt, daß Paare nicht auseinandergegangen sind. Man konnte sich einfach nicht trennen.

Diese Zeiten sind vorüber. Unsere Wertvorstellungen und Gesetze machen das Auseinandergehen leicht. Man hätte sich hohe Scheidungszahlen ausrechnen können. Läßt der Druck von außen nach, so ist das einzige Mittel gegen Scheidungen die Pflege des inneren Zusammenhaltes der Ehe. Wer aber (wie die meisten Medien) das Leitbild des emanzipierten Selb st verwirklichers (männlich wie weiblich) propagiert, erreicht das Gegenteil.

Für Christen ist das kein Grund zur Resignation. Im Gegenteil, gerade heute wird immer deutlicher, worauf es in der Ehe wirklich ankommt: auf das Offensein für das konkrete Wirken Gottes. Nicht weil Christen bessere Menschen wären oder Erfolgsrezepte für die Ehe besäßen, können sie sich auf das Wagnis eirfer lebenslangen Gemeinschaft einlassen. Nur im Vertrauen darauf, daß Gott immer wieder die Kraft zur Uberwindung von Krisen gibt, können sie zu tiefer Einheit gelangen, die ohne Bewältigung von Problemen einfach nicht zu erreichen ist.

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