6885674-1979_26_11.jpg
Digital In Arbeit

Helfen bei Bewältigung der Scheidungstrauer!

Werbung
Werbung
Werbung

Aus vielen Gründen kann es dazu kommen, daß die Ehegemeinschaft beiden Partnern als unerträgliche Belastung erscheint. Sie suchen den Ausweg in der Trennung. Vielleicht ist es auch nur ein Partner, der die Scheidung anstrebt. Dann hat der andere Partner um so eher das Gefühl, im Stich gelassen zu sein.

Die Enttäuschungen und die Bitterkeit, die für viele Frauen und Männer aus dem Scheitern ihrer Partnerbeziehung sich entwickelt, werden in keiner Statistik erfaßt, ganz abgesehen von den Folgen, die eine zerbrochene Ehe für die Kinder haben kann. Mit der gerichtlichen Scheidung ist die Trennung gewöhnlich nicht erledigt. Neben den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten bleiben die Probleme bei der Erziehung der Kinder und die vielen persönlichen Wunden.

• „Seit unserer Scheidung habe ich auch jede Achtung vor mir selbst verloren. Ich glaube gar nicht, daß es in meinem Leben noch etwas Sinnvolles gibt. Ich habe es nicht geschafft, meinen Mann glücklich zu machen und ihn zu halten. Die Scheidung liegt zwar schon ein halbes Jahr zurück, aber ich komme noch immer nicht darüber hinweg.“

e „Unsere Ehe ist bereits seit zwei Jahren geschieden, aber unsere Trennung geht schon viel weiter zurück. Mein Mann hat beruflich immer auswärts zu tun gehabt. Wenn er nach Hause gekommen ist, war er hundemüde und erschöpft. Ich habe auf ihn Rücksicht genommen und immer zurückgesteckt. Um so härter bin ich wie aus allen Wolken gefallen, als ich dahintergekommen bin, daß er für eine andere Frau sehr viel Zeit gefunden hatte. Ich bin so tief verletzt und enttäuscht gewesen, daß ich ihn nicht mehr ertragen konnte.“

• „Wir haben unsere Ehe zuversichtlich begonnen. Dann haben allerdings die Eltern meiner Frau immer häufiger gegen mich gehetzt. Meine Frau ist zwischen mir und ihren Eltern hin- und hergerissen worden. Ihren Eltern hat sie nicht wehtun können. Ich bin von ihr wie ein Kind abgeschoben worden. Es hat harte Auseinandersetzungen gegeben. Wir haben uns beide immer mehr entfremdet. Schließlich ist es den Schwiegereltern gelungen, den Keil soweit zu treiben, daß wir uns getrennt haben.“

Eine Ehe ist die intensive Erfahrung der Nähe eines Partners. Die gemeinsamen Erlebnisse und Sorgen verbinden. Wenn durch die Scheidung der Partner verloren wird, so kann die Trennung erlebt werden, als wäre er gestorben, tot, er ist nicht mehr da. Zurück bleibt die Trauer

über den Verlust eines geliebten Menschen. Es sieht alles hoffnungslos und leer aus, Erst nach Aufarbeitung der schockartigen Enttäuschungen wird es wieder lichter.

Ähnlich wie nach dem Verlust eines Partners durch den Tod kann auch nach einer Scheidung eine notwendige „Trauerarbeit“ einsetzen.

Sie hat eine Bewältigung der Enttäuschungen zum Ziel, ohne daß beständige Auflehnung oder anhaltender Haß gegen den weggegangenen Partner und gegen das Schicksal zurückbleiben.

Dieser Prozeß der Scheidungstrauer geht gewöhnlich in mehreren Phasen. Zunächst kann es für den, der sich im Stich gelassen fühlt, wie ein Schock sein. Bis zuletzt hat er um den Partner gekämpft und sich um die Aufrechterhaltung der Ehe bemüht. Wenn vor Gericht die Scheidung ausgesprochen wird, scheint es ihm unfaßbar, daß es wirklich wahr sein soll.

Wenn die Entfremdung schon lange angewachsen ist, wird die Scheidung nicht diese Überraschung bedeuten. Dennoch mag vielleicht erst danach so deutlich bewußt wer den: Ich bin allein!

Die Wohnung ist leer; die Probleme können nicht mit einem Partner besprochen werden; die wirtschaftlichen Probleme stellen sich neu; die gesellschaftlichen Beziehungen haben sich verändert, weil schon in der Zeit der spürbaren Ehekrise sich viele Freunde zurückgezogen haben; die Sorgen für die Kinder müssen allein getragen werden. Die Enttäuschung führt zu größerer Empfindlichkeit, Verletzbarkeit und zu Mißtrauen gegenüber der Umwelt.

Es kann eine Phase starker Regression werden, in der sich die Betroffenen sehr ichbezogen zurückziehen, apathisch und gegen alles widerwillig werden. Oder es wird eine Phase bitterer Aggressionen, in der alle Bekannten die Gemeinheiten des untreuen Partners erfahren. Eine Vielfalt von Gefühlen tritt ins Bewußtsein, die nicht leicht zu akzeptieren sind: Anklagen gegen den Partner, Haßgefühle, persönliche Schuldgefühle.

Es ist wichtig, solche Gefühle ausdrücken zu dürfen. Hier können Freunde, die verstehend zuhören, viel zur Aufarbeitung beitragen.

In der Phase der Bitterkeit besteht auch erhöhte Gefahr für Kurzschlußhandlungen. Um das Gefühl der Verlassenheit zu verlieren, flüchten manche in eine neue Beziehung, die zu wenig auf ihre Ernsthaftigkeit und Tragfähigkeit geprüft wird. Traurig berührt es, wenn sich ähnliche Fehlentscheidungen und enttäuschende Entwicklungen in einer neuen Partnerbeziehung wiederholen. Nicht unbedeutend ist nach einer Scheidung eine erhöhte Neigung zur Selbsttötung.

Wenn der Schock und die Phase der Bitterkeit bewältigt werden können, kann die Scheidung wie eine Befreiung erfahren werden. Viele Fä higkeiten und Neigungen, die durch den belastenden Kleinkrieg in der

„Für die Bewältigung der Scheidungstrauer müssen die Ursachen erkannt werden.“

Ehe abgewürgt worden sind, brechen wieder durch und finden eine neue Entfaltung. So haben Ehepartner nach einer Scheidung ihre alten, sie befriedigenden Talente wieder freilegen können.

Auch die Mitwelt stellt freudig fest, wie solche Partner, die vor der Scheidung meistens bedrückt und depressiv erlebt worden sind, danach neu aufwachsen und neuen Lebensmut finden.

Für die Bewältigung der Scheidungstrauer müssen die Ursachen erkannt werden, die zum Scheitern der Ehe geführt haben. Sie können in äußeren Umständen hegen, häufiger aber in inneren Problemen der beiden Partner.

So treten heute viele Burschen und Mädchen relativ jung in eine feste Bindung ein. Für ihr Alter sicher ernsthaft, aber im gesamten doch unreif,-schließen sie die Ehe. Ihr Wille zur Ehe ist häufig weniger eine bewußte Entscheidung für diesen Partner, sondern eher der Wunsch, von zu Hause oder vom Alleinsein wegzukommen. Im Laufe weniger Jahre kann sich die Beziehung ändern, „die Augen gehen auf“ und der Partner wird völlig anders erlebt.

Wenn eine junge Frau einen um mehrere Jahre älteren Mann geheiratet und in ihm anfangs eine Vaterfigur erfahren hat, kann sie nach einiger Zeit vor einem veränderten Wunsch stehen: sie will nicht immer nur das kleine Mädchen sein, sondern als Partnerin ernstgenommen und eigenständig sein. Gelingt beiden Partnern gemeinsam eine Veränderung ihrer anfänglichen Beziehung, so reift ihre Ehe gemeinsam, i Manche scheitern jedoch daran. Zumindest kann durch diese Enttäuschung bewußt werden, in welcher Weise die Betroffenen sich persönlich entwickeln. In der Psychologie wird vom notwendigen Nachreifen gesprochen. Dafür kann eine neuerliche Auseinandersetzung mit der Elternbeziehung und die innere Loslösung vom Elternhaus Voraussetzung für einen befriedigenden Neuanfäng sein. ' '■- • ■

Religiös eingestellte Ehepartner erleben gewöhnlich mit ihrer Ehekrise feine religiöse Krise. Sie fühlen sich Öls Ausgestoßene und werden leider auch zuweilen von den Gemeinden diskriminiert. Das Vertrauen, das aus dem christlichen Glauben kommen sollte, könnte viele Schwierigkeiten durchtragen und bewältigen helfen.

Auch die Menschen, die durch Enttäuschungen das Vertrauen zu sich selbst und zu ihrer Mitwelt verloren haben, sind von einem Geborgenheit bietenden und verzeihenden Gott nicht im Stich gelassen. Auch hier kann die Erfahrung, im persönlichen Leben erschüttert zu sein, zu einer Erschütterung und danach zu einer Neubesinnung und Vertiefung des religiösen Lebens führen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung