7032724-1989_37_10.jpg
Digital In Arbeit

Geschiedene weiter für ihre

Werbung
Werbung
Werbung

Die in der ökonomischen Entwicklung begründete weitgehende Trennung von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit und die damit verbundene Aufwertung der Bedeutung der Mutter für die Entwicklung der Kinder, wie sie in der „tender years doctrine“ zum Ausdruck kommt, legte den Vater zunehmend auf eine Ernährerrolle fest Wenn sich auch in jüngster Vergangenheit die Tendenz zeigt, den Vater in seiner Bedeutung für die kindliche Entwicklung „wieder-zuentdecken“, hat dies bislang noch wenig daran geändert, daß im Scheidungsfall in 84 Prozent der Fälle die Mutter das alleinige Sorgerecht für die Kinder üb emirnrnt und der Vater auf ein Umgangsrecht beschränkt wird. Erschwerendkommt hinzu, daß auch die Väter selbst vielfach annehmen, sie seien für die Kinder eher verzichtbar als die Mutter. Untersuchungen zur Entwicklung der Kinder in der Nachscheidungssituation unterstützen jedoch die Annahme von der relativ geringeren Bedeutung des Vaters in keiner Weise. Vielmehr hat sich gezeigt, daß Kinder die Scheidung dann am besten verarbeiten, wenn beide Eltern in ihrem Leben präsent bleiben. Ebenso liegen Untersuchungen vor, die nachweisen, daß Väter als alleinerziehende Eltern ebenso kompetent sind wie alleinerziehende Mütter.

Die Bedeutung, die der nichtsor-geberechtigte Vater in der Nachscheidungssituation für die Kinder hat, muß vor dem Hintergrund seiner eigenen Bewältigung des Scheidungsgeschehens betrachtet werden. Die Bewältigungsphase ist gekennzeichnet durch emotionale Probleme, Verlustgefühle, Konflikte, Veränderungen im Selbstkonzept sowie der sozialen Bolle, die Neugestaltung des täglichen Lebens und nicht zuletzt die Reorganisation der Familie unter den Bedingungen des Scheidungsgeschehens. Es hat sich gezeigt, daß das Ausmaß der Beteiligung des Vaters an der Kinderbetreuung und -erziehung vor der Scheidung wenig Aussagekraft für seine Beteiligung nach der Scheidung hat. Manche, während der Ehe stark an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder beteiligten Väter, ziehen sich nach der Scheidung zurück, während andere, die sich während der Ehe wenig um die Kinder gekümmert haben, nach der Scheidung großes Engagement im Umgang mit den Kindern entwickeln.

Dennoch läßt sich ein häufig vorkommendes Grundmuster hinsichtlich der Kontakthäufigkeit der Väter beschreiben. Während der ersten Monate nach der Scheidung halten nichtsorgeberechtigte Väter häufig das gleiche Ausmaß an Beteiligung wie vor der Scheidung aufrecht, nicht wenige verbringen sogar mehr Zeit mit ihren Kindern. Die Motive dafür können unterschiedlich sein: Manche Väter erleben den mit der Scheidung einhergehenden Fortfall der täglichen

Farrulienkonflikte als Erleichterung und können unter diesen Bedingungen die Beziehung zu ihrem Kind unbeschwerter erleben; andere sehen in der Aufrechterhaltung von Kontakten eine Verpflichtung oder fühlen sich ihren Kindern oder aber auch der ehemaligen Partnerin eng verbunden. Vielfach ist auch der Wunsch nach Kontinuität und Struktur im eigenen Leben Anlaß für den regelmäßigen und häufigen Kontakt mit den Kindern.

Li vielen Fällen reduziert sich aber der Kontakt nach einiger Zeit. Dies kann darauf zurückgeführt werden, daß sich beide Eltern über die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Vater-Kind-Beziehung nicht im klaren sind, die Mütter die Kinder zum Kontakt mit dem Vater nicht ermutigen, ihn möglicherweise erschweren oder gänzlich zu unterbinden versuchen. Auf der anderen Seite kann das Leid der sich immer wiederholenden Trennungen den Vater dazu verleiten, die zeitlichen Abstände zwischen den Besuchen zu vergrößern. Auch kann es für den Vater mit zunehmendem Alter der Kinder und der damit verbundenen verstärkten Hinwendung zu Gleichaltrigen schwierig werden, die gemeinsame Zeit befriedigend zu gestalten und gemeinsame Interessen zu finden. Viele Väter beklagen das unterhaltungsorientierte Zusammensein mit ihren Kindern und die Unmöglichkeit, auf ein Kind stärker einzugehen, wenn mehrere Kinder vorhanden sind. Anlaß zu diesen Klagen geben die vielfach weder den Bedürfnissen der Kinder noch der Väter angemessenen star-renBesuchsregelungen. Sie beinhalten die Gefahr, daß die Vater-Kind-Beziehung über die Zeit hinweg allmählich inhaltsleer wird, was für beide eine schmerzliche Erfahrung darstellt.

Keshet & Rosenthal (1978) haben den Prozeß beschrieben, in dem sich die Rolle des rdchtsorgebe rechtigten, aber dennoch engagierten Vaters gestaltet: Die Unveränderlichkeit des ehelichen Scheiterns muß akzeptiert werden; damit wächst allmählich die Unabhängigkeit vom Partner und die Beziehung zum Kind gewinnt eine neue Qualität. Elemente des neuen Lebensbereiches und' des täglichen Lebens nach der Scheidung werden in das Zusammensein mit dem Kind einbezogen, so daß die Erfahrung der eigenen Kompetenz im Umgang mit dem Kind ein neues Selbstverständnis fördert. Das heißt, der Vater entwickelt Fähigkeiten, die ihm in der traditionellen Sozialisation teilweise nicht vermittelt wurden. Die mit der Betreuung und Versorgung verbundenen praktischen Probleme treten in den Hintergrund, und die Qualität der Vater-Kind-Beziehung gewinnt an Bedeutung.

Der physische und psychische Rückzug des nichtsorgeberechtigten Vaters aus dem Leben seiner Kinder geht, wie Wallerstein & Kelly (1980) eindrucksvoll berichten, einher mit einem verringerten Selbstwertgefühl der Kinder, mit Trauer und Sehnsucht, mit der Idealisierung des abwesenden Vaters und irrealen Wiedervereinigungsphantasien, aber auch mit der Entwicklung eines negativen Vaterbildes. All diese Reaktionen auf den Rückzug des Vaters können die Entwicklung des Kindes nachhaltiger und längerfristig beeinträchtigen als die Scheidung per se.

Die weitere Präsenz und Beteiligung des nichtsorgeberechtigten Vaters kann darüber hinaus eine „Pufferfunktion“ gegenüber unangemessenem Erziehungsverhalten der sorgeberechtigten Mutter erhalten. In der Nachscheidungssituation fällt die Erziehungsqualität gerade der sor-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung