Leben mit dem "Vater-Malus"

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Blockierende Mütter? Desinteressierte Väter? Eine aktuelle Studie hat die Gründe für den Kontaktabbruch zwischen Vätern und ihren Kindern analysiert.

D as Ergebnis klang zu trist, um wahr zu sein: Die Hälfte der Väter habe ein Jahr nach einer Scheidung oder Trennung keinen Kontakt mehr zum eigenen Kind, stellte der Grazer Soziologe Max Haller 1996 fest. "Das schien uns extrem hoch", erinnert sich Mariam Irene Tazi-Preve. Und so nahm die Mitarbeiterin am Österreichische Institut für Familienforschung der Universität Wien gemeinsam mit sechs Kolleginnen und Kollegen die "Väter im Abseits" erneut unter die Lupe.

Kein leichtes Unterfangen: Schließlich fanden sich die Forscher bald inmitten einer polarisierten Debatte, in der entweder die blockierende Mutter oder der desinteressierte Vater als Sündenbock gilt. Um eine Studie mit Schlagseite zu verhindern, befragte das Forscherteam folglich nicht Betroffene, sondern führte qualitative Interviews mit Expertinnen und Experten, wertete statistische Daten des Mikrozensus 2001 aus - und studierte die einschlägige Literatur.

Die jüngst publizierten Erkenntnisse waren freilich abermals ernüchternd: Zwischen 40 und 60 Prozent betrage demnach der Anteil der Väter, die nach einer Trennung oder Scheidung ihr Kind aus den Augen verlieren.

Mutter als "Gatekeeperin"

Wie häufig der Vater-Kind-Kontakt ausfällt, ist laut Tazi-Preve von mehreren Faktoren abhängig: So führen räumliche Nähe sowie ein höherer sozialer Status des Vaters zu häufigeren Treffen mit dem Kind. Je länger der Zeitpunkt der Trennung zurückliegt und je älter das Kind bei der Trennung ist, desto seltener werden die Kontakte. Zudem zeigt sich, dass geschiedene, nicht sorgeberechtigte Väter zu ihren getrennt lebenden Söhnen einen intensiveren und regelmäßigeren Kontakt pflegen als zu ihren Töchtern.

"Insgesamt wird die rechtliche Ebene beim Vater-Kind-Kontakt aber meistens stark überschätzt", erklärt Tazi-Preve. Auch wenn etwa bei der Trennung oder Scheidung fixe Besuchszeiten des Vaters vereinbart worden seien, so fungiere die Mutter in der Praxis als "Gatekeeperin": "Wenn die Mutter den Kontakt nicht wünscht, aus welchen Gründen auch immer, dann kann sie diesen Kontakt unterbinden - entweder über die Besuchszeiten oder dadurch, dass sie die Autorität des Vaters untergräbt und versucht, das Kind so stark wie möglich an sich zu binden."

Insgesamt sei ein so genannter "Mutter-Bonus" bei Obsorgefragen belegt. "Das hat aber auch damit zu tun, dass der gesellschaftliche Vorwurf, eine schlechte Mutter zu sein, ganz stark sanktionierend wirkt", meint die Forscherin. "Eine Mutter muss ein Kind auch dann bei sich behalten, wenn sie das gar nicht wolle." Väter würden hingegen leichter aus ihrer Verantwortung entlassen.

Wie sehr mancher Vater unter dieser Abseits-Stellung leidet, weiß Edwin Wiedenhofer nur zu gut: "Viele alleinerziehende Mütter können es sich nicht vorstellen, wie verzweifelt mancher Mann um sein Kind weint", erzählt der Mitarbeiter der Innsbrucker Männerberatungsstelle "Mannsbilder". Umso dringlicher wünscht er sich für diese Väter zumindest eine Recht auf Information. "Ich hätte gern, dass die Jugendwohlfahrt den Besuchsvater regelmäßig informiert, wie es dem Kind geht", meint Wiedenhofer. Von "Scheidungsvätern" zu sprechen, widerstrebt ihm jedenfalls: "Von einem Kind kann man sich ja nicht scheiden lassen."

www.mannsbilder.at

Buchtipp:

VÄTER IM ABSEITS. Zum Kontaktabbruch der Vater-Kind-Beziehung nach Scheidung und Trennung

Von Mariam Irene Tazi-Preve et al.

VS Research, Wiesbaden 2007

296 Seiten, brosch., € 36,90

Männer- und Paarberater Gottfried Kühbauer über verwaiste Väter, den "Mutter-Bonus" und die späte Warum-Frage der Kinder.

Die Furche: Herr Kühbauer, wie kann es Ihrer Erfahrung nach dazu kommen, dass Väter nach einer Scheidung oder Trennung den Kontakt zu ihren Kindern völlig verlieren?

Gottfried Kühbauer: Meist geht es darum, offene Rechnungen für erlittene Kränkungen zu begleichen. Hier gibt es eben die zwei klassischen Kampfmittel: auf Seiten der Mütter das Besuchsrecht und auf Seiten der Väter das Geld. Manchmal kommt es auch zum Kontaktabbruch, weil die Väter einfach ihre Unterhaltspflichten nicht einhalten oder keinen kindgerechten Umgang wählen. Es gibt aber auch jene Väter, die von sich aus beziehungslos zu dem Kind sind. Und schließlich gibt es auf Seiten der Mütter auch quasi symbiotische Beziehungsgestaltungen nach dem Motto "Ich und mein Kind - ein Kosmos".

Die Furche: Teilen Sie die Ansicht, dass es in Obsorge-Streitigkeiten einen "Mutter-Bonus" gibt?

Kühbauer: Ja - nur ist dieser Bonus in Familien, wo eine moderne Elternschaft gelebt wird, nicht mehr so groß. Trotzdem kommt es häufig vor, dass Männer, die sich jahrelang um ihre Kinder gekümmert haben, benachteiligt werden, weil von den Richtern noch sehr traditionell gedacht wird.

Die Furche: Schützt die "Obsorge beider Eltern" die Väter vor einem Kontaktabbruch zu ihrem Kind?

Kühbauer: Ich glaube, die gemeinsame Obsorge ist nur ein Etikett: Wenn es dem Paar gelingt, eine Trennung gut durchzuführen, dann ist sie nur ein Ausfluss dessen, was ohnehin praktiziert wird. Bei Paaren hingegen, wo nichts funktioniert, macht auch ein Antrag auf gemeinsame Obsorge keinen Sinn.

Die Furche: Viele Väter haben zwar ein Besuchsrecht, können es aber nicht durchsetzen. Was raten Sie diesen Männern?

Kühbauer: Ich empfehle eine Doppelstrategie: Einerseits um die Kinder zu "kämpfen" - wobei das nicht aggressiv gemeint ist, sondern nachhaltig und bestimmt. Sie sollen deutlich machen: Mir sind die Kinder nicht egal. Andererseits sollten sie manchmal einen Schritt zurückgehen und sich fragen: Ist das, was ich mache, für mein Kind, mich und uns noch förderlich? Das ist ganz schwierig, weil das als Kapitulation gesehen wird. Und dieses Ohnmachtsgefühl ist schwer auszuhalten.

Die Furche: Wie können Väter mit dieser Ohnmacht umgehen lernen?

Kühbauer: Ich rate ihnen oft, eine Dokumentation anzulegen: Sie sollen Briefe kopieren, Geschenke, die zurückkommen, aufheben und so fort. Denn manchmal, oft nach Jahren, wenn die Kinder in der Pubertät sind und nicht mehr von der Mutter kontrolliert werden können, kommen sie, um die Warum-Frage zu stellen. Und dann ist es gut, wenn man einen Ordner übergeben kann: "Sieh her, das ist die Geschichte meiner Bemühungen!" Das Kind sieht dann: "Aha, eigentlich war das ganz anders, als mir immer erzählt wurde." Ich rate den Männern auch, die Frauen von dieser Dokumentation zu informieren. Die Frauen müssen wissen, was der Preis für ihr Vorgehen ist. Denn wenn die Kinder sehen, dass man ihnen etwas Falsches erzählt hat, dann werden sie wirklich böse und wenden sich aus einem inneren Gerechtigkeitsbedürfnis heraus dem Elternteil zu, der benachteiligt wurde. Aber zugegeben. Das ist für den betroffenen Vater nur ein geringer Trost.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

www.maenner.at

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