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Werktätigkeit wider Willen

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Wie haben sich in Österreich die Mutterschutzbestimmungen entwickelt? Welchen Gebrauch machen die Frauen davon? Diesen Fragen galt eine wissenschaftliche Studie.

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Wie haben sich in Österreich die Mutterschutzbestimmungen entwickelt? Welchen Gebrauch machen die Frauen davon? Diesen Fragen galt eine wissenschaftliche Studie.

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Frau X. hat bis zur Geburt ihres ersten Kindes gearbeitet. Jetzt steht sie vor der Wahl, entweder sofort nach Ablauf der Mutterschutzfrist ihren alten Beruf wieder aufzunehmen oder ein (bezahltes) Karenzjahr lang beim Kind zu Hause zu bleiben. Wenn sie dann wieder arbeiten gehen will, kann sie an ihren vorherigen Arbeitsplatz zurückkehren. Falls

sie nicht verheiratet ist und alleine lebt, kann sie weitere zwei Jahre eine Sondernotstandshilfe beanspruchen.

Frau X. hat als Österreicherin Glück. In ihrem Heimatland hat der Schwangeren- und Mutterschutz — im historischen wie im internationalen Vergleich — ein relativ hohes Niveau.

Dies war jedoch nicht immer so. Noch vor etwa hundert Jahren mußten Frauen, die im Bergbau oder in der Industrie beschäftigt waren, bis zum Tag der Entbindung und auch sofort nach dem Wochenbett wieder arbeiten. Erst 1884/85 wurden für einen Teil der arbeitenden Frauen gesetzliche Regelungen zum Mutterschutz eingeführt.

Wie sich die Gesetzgebung betreffend den Schutz der Mütter vor und nach der Geburt in Österreich entwickelt hat und wie die Frauen hierzulande die heutigen Bestimmungen nützen, erläutert eine jüngst erschienene umfangreiche Studie des Instituts für Demographie der österreichischen Akademie der Wissenschaften.

„Frauenarbeit, Karenzurlaub und berufliche Wiedereingliederung“ heißt die teilweise historische, größtenteils jedoch empirische Arbeit der drei Autoren Rainer Münz, Gerda Neyer und Monika Pelz.

Historisch betrachtet, verbesserte sich für die meisten Frauen in den Mutterschutzbestimmungen bis zum Anschluß an Hitlerdeutschland relativ wenig. Erst dann galt auch für Österreich die eher fortschrittliche Gesetzgebung. Sie wurde 1945 in Österreich beibehalten und 1957 neu kodifiziert. Seit 1961 gibt es für sozialversicherte Frauen die Möglichkeit eines — vorerst sechsmonatigen, unbezahlten - Karenzurlaubes, der 1974 schließlich auf das heutige gültige Niveau gebracht

wurde. Vorläufig letzter großer Schritt ist die Einführung des Elternurlaubes, den wahlweise auch Väter antreten können.

„Österreich ist im Hinblick auf die Mutterschutzbestimmungen in Westeuropa wegweisend“, meint Rainer Münz, dem die Koordination der Studie oblag. „Dennoch befinden sich auch hierzulande Frauen, die Kinder haben wollen und berufstätig sind, in einem doppelten Dilemma: Das eine heißt: Beruf oder Kinder. Für jene, die Kinder bekommen, lautet ein weiteres: jahrelange Doppelbelastung oder Verzicht auf den alten Arbeitsplatz.“

Wie die Österreicherinnen dieses Problem zu lösen versuchen und welche Fragen dabei nach wie vor offenbleiben, zeigen die Ergebnisse der letzten Mikrozensus-erhebung sowie einer Repräsentativumfrage, die im Rahmen der Studie durchgeführt wurde.

So arbeiten heute weitaus mehr Frauen als noch in den sechziger Jahren. Von den 20- bis 25jährigen sind heute drei Viertel erwerbstätig, von den 25- bis 50jährigen immerhin drei Fünftel.

Beträchtlich erhöht hat sich in diesem Zeitraum auch der Anteil der Frauen, die vor und nach einer Geburt Wochengeld beziehungsweise Karenzurlaub in Anspruch nahmen (1962: 37 Prozent, 1981: 58 Prozent insgesamt und 95 Prozent aller anspruchsberechtigten Mütter).

Wie viele Frauen kehren nach einem Karenzjahr wieder ins Berufsleben zurück? Rund 30 Prozent arbeiten sofort nach Ende des Karenzurlaubs weiter, ein Drittel unterbricht die Erwerbstätigkeit für längere Zeit (meist drei oder sechs Jahre), und 33 bis 40 Prozent kehren vermutlich nie wieder ins Berufsleben zurück.

Es sind nach wie vor hauptsächlich wirtschaftliche Gründe, die Mütter zur Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit veranlassen. Nur drei von zehn der berufstätigen Mütter gaben an, um der Arbeit selbst willen und wegen der sozialen Kontakte ins Berufsleben zurückzukehren.

Für die Frauen, die längere Zeit oder ganz zu Hause bleiben wollten, waren neben dem Wunsch, primär das Kind zu betreuen, mehrere Gründe ausschlagge-

bend: fehlende Unterbringungsmöglichkeit für das Kind, Angst vor der Doppelbelastung oder Widerstand des Ehemannes (22 Prozent). Jede Fünfte fand längere Zeit keinen neuen Arbeitsplatz.

Insgesamt gilt jedoch: Je weniger qualifiziert und je schlechter bezahlt die berufliche Position war, die eine Frau vor der Geburt innehatte, umso geringer war auch das Interesse an einer Rückkehr ins Erwerbsleben.

In einem letzten Teil der Studie wurden betroffene Mütter befragt, welche weiteren Reformwünsche sie im Rahmen familienpolitischer Maßnahmen haben.

Fast alle Befragten würden die Möglichkeit einer Teilzeitarbeit, allerdings nur für die ersten Jahre nach der Geburt, begrüßen. Vier Fünftel sprachen sich für einen auf drei Jahre verlängerten (unbezahlten) Karenzurlaub aus. Die Hälfte der Frauen würde schließlich auch eine Teilzeit-Arbeitsregelung für Väter von Kleinkindern erwarten. Fast ebenso viele plädierten für den Karenzurlaub, der wahlweise auch vom Vater in Anspruch genommen werden soll.

Kann nun mit Hilfe weiterer fa-milienpolrtischer Maßnahmen-die Benachteiligung berufstätiger Mütter und solcher, die ins Erwerbsleben zurückkehren möchten, wirklich aufgehoben werden? Die Autoren der Studie verneinen das: „Es gibt keine Patentlösungen. Wirkliche Verbesserungen setzen individuelle, also .maßgeschneiderte' Lösungen voraus. Damit die oft beschworene Wahlfreiheit der Mutter nicht als Dilemma erlebt wird, müßten Frauen tatsächlich zwischen flexibleren Betreuungsangeboten und Erwerbsformen wählen können.“

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