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Gegenseitige Hilfe

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Im Juni 1987 fand in Österreich eine Mikrozensus-Erhebung über die Lebensumstände älterer (über 60jähriger) Mitbürger statt. Die 14.000 befragten Personen sind repräsentativ für rund 1,48 Millionen Österreicher dieser Altersklasse. Bemerkenswert ist zunächst die Relation der Geschlechter: Auf 100 Personen über 65 kommen 37 Männer und 63 Frauen. Probleme des Alters betreffen also in besonderem Maße die Frauen, einfach deswegen, weil sie im Durchschnitt um sieben Jahre älter werden.

Deutlich wird dies besonders dann, wenn danach gefragt wird, von wem sich ältere Menschen im Krankheitsfall eine Betreuung erhoffen: Mehr als zwei Drittel der Männer rechnen mit der Unterstützung durch die Gattin, während sich nur jede vierte Frau auf Pflege durch den Ehemann verlassen kann. Das mag zwar etwas mit eingespieltem Rollenverhalten (weniger häuslichem Engagement der Männer) zu tun haben, ist aber vor allem darauf zurückzuführen, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Männer vor ihren Frauen sterben. Und daher sind eben sehr viele alte Frauen alleinstehend und somit auf die Hilfe von Kindern, Außenstehenden oder besonderen Einrichtungen angewiesen.

Wie sieht es nun aber allgemein mit der Hilfsbedürftigkeit älterer Menschen aus? Fast jeder zweite (45 Prozent) bekommt Hilfe in irgendeiner Form. Das erweckt den Eindruck großer Hilfsbedürftigkeit. Eine eingehendere Betrachtimg zeigt aber, daß tägliche Hilfe doch weit seltener ist: 15 Prozent bekommen solche Hilfe beim Einkaufen und Aufräumen, 18 beim Kochen, zehn beim Waschen und Bügeln.

Das sind auch die Tätigkeiten, die am meisten Schwierigkeiten bereiten. Die Hilfsbedürftigkeit steigt deutlich mit dem Alter: Im Vergleich zu den 60- bis 65jährigen brauchen die über 75jährigen dreimal so oft täglich Hilfe.

Und wer hilft am ehesten? Am häufigsten genannt werden die Töchter und die Schwiegertöchter, sowie andere Verwandte. Söhne helfen am ehesten beim Einkaufen und bei Erledigungen. Hilfestellung durch Freunde oder Nachbarn ist eher selten anzutreffen.

Was die materielle Unterstützung anbelangt, ist die Unabhängigkeit noch größer: Nur 1,2 Prozent der befragten bekommen sie regelmäßig und 1,1 Prozent in Notfällen.

Im Zeitvergleich ist gegenüber 1979 ein leichter Rückgang bei den Hilfeleistungen festzustellen. Besonders ausgeprägt ist dieser bei der gegenseitigen Unterstützung älterer Menschen. Dennoch ist festzuhalten, daß rund 70 (in Wien sind es sogar 83) Prozent der über 60jährigen nie Hilfe bekommen, also ganz auf sich selbst gestellt sind. Das ist sicher einerseits Zeichen der überwiegend vorhandenen Selbständigkeit der älteren Menschen. Andererseits aber gibt zu denken, daß 40 Prozent jener, deren Gesundheitszustand schlecht ist, ebenfalls keinerlei Unterstützung bekommen. Dennoch geben nur wenige alte Menschen (fünf Prozent der über 75jährigen) an, mehr Hilfe zu benötigen.

Hilfeleistungen gehen jedoch keineswegs nur in eine Richtung. Die älteren Menschen engagieren sich zum Teil recht intensiv für ihre Familie: 20 Prozent beaufsichtigen mindestens einmal wöchentlich ihre Enkel (elf Prozent sogar täglich). Nicht unbeachtlich ist auch die Hilfe bei der Haushaltsführung und bei der Betreuung von Wohnung und Garten während des Urlaubs. Auch hier ist das Engagement der Frauen wieder deutlich höher als das der Männer. Außerdem unterstützen rund 36.000 ältere Österreicher ihre Kinder materiell. Hilfe ist also durchaus keine Einbahn -auch wenn das auf Unterstützung Angewiesensein mit dem Alter doch deutlich zunimmt.

Wie steht es aber mit den Kontakten? Etwa ein Drittel aller älteren Menschen wird täglich und ein weiteres Drittel wöchentlich von den Kindern besucht. Die Besuchstätigkeit der Kinder nimmt im allgemeinen mit dem Alter der Eltern zu. Wer aber weder Kinder noch Schwiegerkinder hat, ist häufig recht isoliert. Bekannte und andere Verwandte pflegen die Beziehungen nur sporadisch. Je größer der Wohnort, umso weniger intensiv sind die Kontakte.

Und wie steht es mit dem Wunsch, in ein Altersheim zu übersiedeln? Im internationalen Vergleich tun sich die Österreicher schwer mit dieser Lösung. Nur 6,5 Prozent der untersuchten Altersgruppe haben sich in einem Heim angemeldet -wobei die Tendenz allerdings seit 1971 steigend ist. Die Bereitschaft zu diesem Schritt wächst mit steigendem Alter und Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Sie ist bei älteren Menschen ohne Kinder und bei den Wienern am größten.

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