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Wir sind ganz schön im Streß
Jeder ächzt unter der Belastung des Alltags. Streß scheint ein Statussymbol zu sein. Eine Studie in Wien versuchte das Ausmaß der Streßbelastung zu erheben.
Jeder ächzt unter der Belastung des Alltags. Streß scheint ein Statussymbol zu sein. Eine Studie in Wien versuchte das Ausmaß der Streßbelastung zu erheben.
Im Rahmen des WHO-Projekts „Wien - gesunde Stadt" wurden anläßlich der Wiener Ferien-und Freizeitmesse 1993 für die Studie „Streß - Droge und Fluch im' Leben" 1.250 Personen ausführlich über ihre persönliche Streßsituation befragt. Die Auswahl der Befragten wurde dem Zufall überlassen. Geantwortet haben mehr Frauen (56 Prozent mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren) als Männer (Durchschnittsalter 36 Jahre).
Festgehalten sei weiters, daß 61 Prozent der Befragten keine und nur 22 Prozent zwei oder mehr Kinder hatten und der Großteil von ihnen berufstätig war: zwei von drei Frauen 20 bis 40 Wochenstunden, jeder zweite Mann 40 bis 60.
Eine Reihe von Fragen war daher darauf gerichtet, die Situation am Arbeitsplatz zu erfassen. Auf die Frage: „Wie fühle ich mich in der Arbeit?", gab es sehr positive Reaktionen: „...65 Prozent aller befragten Frauen (haben) ein sehr gutes Gefühl; das heißt, sie fühlen sich in der
Arbeit keinem Streß ausgesetzt. Bei den Männern sind es sogar 70 Prozent," stellen die Autoren fest.
Anders ist die Reaktion allerdings, wenn es um das Arbeitstempo geht: „Immerhin haben fast 36 Prozent der Frauen und sogar 44 Prozent der Männer leichte Probleme mit dem Arbeitstempo. Zwischen 16 und 17 Prozent aller befragten Frauen und Männer finden es schwierig, das Arbeitstempo zu halten und zwei bis drei Prozent kommen überhaupt nicht mehr mit." Tempo, Tempo als belastendes Merkmal vieler Arbeitsplätze also.
Nicht unproblematisch dürfte für viele die Zusammenarbeit mit den Kollegen sein: „Etwas mehr als ein Drittel der Befragten ... sehen ,Team-work' von der positiven Seite. Fast die Hälfte ... steht diesem Gedanken nur mehr neutral gegenüber. Das bedeutet, daß sie Zusammenarbeit eher als leichten Streß empfinden. Zwei bis drei Prozent empfinden das kollegiale Zusammenarbeiten als unangenehm und immerhin acht bis zehn Prozent beurteilen es als aufreibend".
Auf diesem Hintergrund ist es eher überraschend, daß die Frage nach der Anerkennung durch die Mitarbeiter eher positiv beantwortet wird: „Die Hälfte der Befragten fühlt sich durchaus von ihren Kollegen anerkannt und ein Drittel zumindest geschätzt."
Dieses Ergebnis ist wohl etwas widersprüchlich. Wenn aus ihm die
Schlußfolgerung gezogen wird, daß die „Mehrzahl an Frauen und Männern nicht mehr fähig (ist), miteinander einen gemeinsamen Weg zu gehen", so erscheint das doch einigermaßen überzogen.
Belastend wird wiederum die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten erlebt, vor allem von den Frauen. Nur mehr 21 Prozent beurteilen die gemeinsame Arbeit als gegenseitig fördernd, zehn Prozent als unangenehm und 13 als aufreibend. Allerdings scheint auch hier die Belastung nicht Folge mangelnder Anerkennung zu sein.
Wie wird nun auf Sorgen und Belastungen reagiert? Die Antworten zeigen, daß „es nur circa 37 Prozent beider Geschlechter (gelingt), sich bei Überlastung einem gesteigerten Suchtverhalten zu entziehen. Die restlichen zwei Drittel der Frauen reagieren vornehmlich mit einem gesteigerten Eßverhalten und höherem Nikotingenuß. Alkohol liegt -prozentuell gesehen - abgeschlagen an dritter Stelle... Bei den Männern... liegt zwar ebenfalls an erster Stelle das gesteigerte Eßverhalten, aber der gesteigerte Nikotinkonsum und Alkoholgenuß halten sich die Waage." Beruhigungsmittel werden kaum eingenommen.
Für die Hälfte aller Befragten ist der Haushalt ein streßfreier Bereich. Viele - vor allem Frauen - fühlen sich aber auch dort zu stark gefordert. „Betrachtet man dazu die Streßbelastung im Beruf, dann erkennt man, daß die Streßbelastung im Haushalt der des Berufes für Frauen gleich ist! ... Ein Drittel aller Frauen fühlt sich bezüglich des Arbeitstempos im Haushalt typischen Merkmalen von Streß ausgesetzt," hält die Studie fest.
Was die Familiensituation anbelangt, überwiegt die Zufriedenheit -
immerhin bei zwei Drittel der Befragten. Nervenaufreibend finden ihre Familien allerdings zwölf Prozent der Frauen - hingegen nur sechs Prozent der Männer. Die Belastung geht dabei eher vom Partner als von den Kindern aus. Frauen nennen relativ oft die Eltern.
Registrieren die Befragten gesundheitliche Folgen ihrer Belastungen? Hier fällt auf, daß Frauen weitaus häufiger als Männer über körperliche Belastungserscheinungen klagen. Zwei Drittel von ihnen leiden unter Verspannungen (Männer: 44 Prozent), 30 Prozent unter Reizbarkeit und fast ebenso viele unter Kopfschmerzen. Jede vierte Frau hat mit Schlafstörungen zu kämpfen. All das tritt bei Männern deutlich seltener in Erscheinung. Noch schwerer wiegende Symptome (Gastritis, Magenbeschwerden oder Bluthochdruck) findet man immerhin bei zehn bis 14 Prozent, allerdings ohne geschlechtstypische Häufung.
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