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Wo bleibt die Glewhberechtigang?

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Erst 100 Jahre ist es her, daß erstmals in der Geschichte Österreichs eine Frau ein Universitätsstudium abschließen durfte (siehe Seite 16). Nach jahrelangem Ringen promovierte Gabriele Possanner von Ehrenthal 1897 zum Doktor der Medizin. Ein für die Frauen revolutionärer Durchbruch war geschafft. Was vor 100 Jahren noch Männergemüter erhitzte, ist heute selbstverständlich. Im Wintersemester 95/96 studierten rund 200.000 ordentliche Hörer an den österreichischen Universitäten, davon knapp die Hälfte Frauen.

Das weibliche Geschlecht, so könnte man auf den ersten Blick annehmen, hat in diesem Jahrhundert viel erreicht. Aber, um beim Beispiel Hochschulen zu bleiben: sieht man sich die Hochschulstatistik etwas genauer an, so sticht ein krasses Ungleichgewicht ins Auge. Je höher man in der Hierarchie hinaufsteigt, desto weniger Frauen sind zu finden. Der Anteil der Assistentinnen beträgt nur noch 21 Prozent. Von den 1.152 Universitätsprofessoren bleiben dann gar nur gezählte 40 (drei Prozent) Frauen übrig. Die oberste Führungsgarde, die Rektoren, ist durchgehend männlich. Die Diskriminierung von Frauen ist aber auch im alltäglichen Leben augenfällig. Ob im Fernsehen, in der Politik oder bei öffentlichen Vorträgen.

Die Schlagzeile einer Tageszeitungen erregte kürzlich Aufmerksam-

Redaktionelle Gestaltung: Elfi Thiemer

keit „Zweite Frau im Höchstgericht!" Eine Sensation bei 14 Vollmitgliedern des Verfassungsgerichtshofes?

„Frauen - ab ins Biotop", lautete der treffende Titel einer Glosse der Tageszeitung „Die Presse": „Daß Frauenanliegen extra ausgeschildert werden müssen, daß man diesen Themen wie in einem geschützten Biotop das Überleben sichern muß, zeigt, daß es noch ein weiter Weg ist bis zur Gleichberechtigung. Daß sich männliche Moderatoren, wenn es um sogenannte Frauenthemen geht, zu mildem Gönner-Lächeln bemüßigt fühlen, spricht Bände ..."

Mit der Gleichberechtigung ist es tatsächlich noch nicht weit her:

■ Frauen verdienen immer noch um ein Drittel weniger als Männer.

■ Wegen Kind oder Mann bleibt fast jede dritte Frau unbezahlt zu Hause, nahezu jede fünfte Frau arbeitet Teilzeit. Die Folge, so eine Studie des Frauenministeriums:

Während Männer im Schnitt mit 13.296 Schilling in Pension gehen, haben Frauen nur 7.039 Schilling auf dem Pensionskonto.

■ Über fünf Stunden verwendet eine berufstätige Frau mit Kindern für Einkaufen, Kochen, Putzen und Kinderbetreuung. Dagegen greifen ihre Männer nur 41 Minuten pro lag zum Putzlappen und Kochlöffel und kümmern sich um die Kinder. Die Zahlen, vom Statistischen Zentralamt im Mikrozensus 1992 erhoben, belegen eines sehr deutlich: Haushalt und Kinder sind nach wie vor Frauensache.

Ein paar statistische Fakten, die die

Klar diskriminiert

in vielen Bereichen fühlen sich auch heute viele Frauen. Ein „Volksbegehren" soll Druck auf die Regierung ausüben.

Ungleichbehandlung in Zahlen festmachen. Viel schlimmer wiegt aber oft der „psychologische Streß", dem Frauen täglich ausgesetzt sind:

Sie müssen sich immer den Kopf zerbrechen, wie Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen sind und ob sie den „Karriereknick" in Kauf nehmen wollen. Warum ist es für die meisten Männer selbstverständlich, daß eine Familiengründung für sie keine beruflichen Nachteile bringt?

Die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern ist die stärkste Belastung, mit der Frauen zu kämpfen haben, analysierte das Linzer Meinungsforschungsinstitut „market". 76 Prozent der befragten Frauen gaben an, daß die Doppelbelastung ihnen am meisten zu schaffen macht. An zweiter Stelle, mit 55 Prozent steht die Sorge um die Möglichkeit des Wiedereinstieges in den Beruf, gefolgt von der mangelnden Anerkennung der Hausarbeit, den schlechteren Berufschancen trotz gleicher Qualifikation und vom Wunsch nach finanzieller Gleichstellung am Arbeitsplatz. Letzteres steht bei der Frage nach den „Frauenwünschen an die Regierung" mit 68 Prozent an oberster Stelle.

Sieglinde Rosenberger, Universitätsprofessorin am Institut für Politikwissenschaften in Innsbruck, erklärt, warum es für Frauen so schwierig ist, die alten Strukturen zu durchbrechen: Frauen haben selbstverständlich Interesse an Veränderung, denn sie können gewinnen: Einfluß, Geld und Möglichkeiten. Männer hingegen verteidigen den Ist-Zu-stand, denn sie können nur verlieren.

Den einzigen Weg, dem „schwachen" Geschlecht zu ihren Rechten zu verhelfen, sahen nun einige Frauen in der Durchführung eines „Frauenvolksbegehrens", das Anfang April in ganz Österreich abgehalten wird und bereits jetzt die Gemüter erhitzt. Gefordert wird, die Gleichstellung von Frauen und Männern im Bundesver-fassungsgesetz zu verankern. De facto gibt es die bereits auf dem Papier. Die Bundesverfassung schreibt vor, daß alle Menschen gleich zu behandeln sind. Das Problem sei aber, argumentiert Mitinitiatorin Eva Rossmann, daß damit kein aktiver Handlungsauftrag an die Begierung verbunden ist. Und bei Frauen gehe es darum, daß sie aus den vielen Benachteiligungen erst einmal herauskommen müssen. „Mit einer definitiven Festschreibung von Mann und Frau als gleich ist die Begierung gezwungen,

Maßnahmen zu setzen."

„Der berühmte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat", erklärt Rossmann den Grund für das Volksbegehren, „war das zweite Sparpaket, das vor allem der jetzige Bundeskanzler Klima zu verantworten hat." Das Sparpaket würde ganz besonders die Frauen belasten, durch die Verschärfungen im Arbeitslosenbereich, durch die Anhe-bung der Jahre für die Frühpension und die Verkürzung der Karenzzeit (90 Prozent der alleinerziehenden Eltern sind Frauen). „Gerade das bedeutet, daß man viele Alleinerzieherinnen in die absolute Armut treibt-mit ihren Kindern."

Für Rossmann ist es unübersehbar, daß in den letzten Jahren punkto Gleichbehandlung ein Rückschritt zu bemerken war. „Auch ideologisch. Eine Zeitlang hätten sich die Politiker gar nicht offen sagen getraut, was sie jetzt sagen, nämlich, daß die Frauen doch eher bei den Kindern bleiben sollen, daß sie es daheim ja eh schöner haben." Das sei eine gewisse ideologische Wende, die es aufzuhalten gilt. Deswegen habe das Volksbegehren genau zu diesem Zeitpunkt eine besondere Zugkraft, weil Frauen merken, daß sie wieder zurückgedrängt werden. Und: „Wenn wir auf die Hilfe von Männern warten, dann können wir lange warten."

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