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Die Angst der Kirche......vor den Frauen

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Es ist nicht gewollt, daß Männer und Frauen dasselbe tun dürfen, sagen die mächtigen Männer in der katholischen Kirche. Während in anderen Bereichen der Gesellschaft Frauen pro forma Gleichberechtigung zugestanden wird, reagiert die Amtskirche mit der offenen Verweigerung des Zugangs zu allen hierarchischen Funktionen. Ist sie damit ärger, oder nur einfach ehrlicher? Denn die Realität sieht auch für Frauen in der „zivilen Gesellschaft" nicht rosig aus. Noch immer verdienen sie um ein Drittel weniger, noch immer wird Frauen der Großteil der Hausarbeit aufgeladen, noch immer sind Frauen die ersten, die vom Arbeitsmarkt zu verschwinden haben, wenn Arbeitsplätze knapp werden. Zum ersten Mal ist der Reformdruck der Frauen in der katholischen Kirche aber größer als das allgemeine Streben nach Gleichbehandlung. Es gibt auch besonders viel aufzuholen. Die feministische Theologin Renate Mercsanits brachte es in einem Gespräch für mein Buch auf den Funkt: „Es gibt zwei Gruppen von Menschen, die vom Priesteramt und damit von der Machthierarchie ausgeschlossen sind: erstens Frauen und zweitens Männer, die mit Frauen zu tun haben." Die meisten Frauen, die Reformen einfordern, sind fest verwurzelte Katholikinnen, viele von ihnen arbeiten hauptberuflich in der Kirche, der Glaube ist einer der Zentralpunkte in ihrem Leben. Aber sie wollen nicht mehr länger akzeptieren, daß ausschließlich Männer befugt sind, diesen Glauben auszulegen, daß sie nur dann „katholisch" sind, wenn sie das Männerpriestermonopol und ihre Hierarchie als gottgewollt hinnehmen.

Als Herrscher ihre absolute Macht noch von Gott ableiteten, war es praktisch unmöglich, dagegen zu' argumentieren. Denn was wollte man dagegen einwenden, wenn sich Macht nicht auf Recht, sondern letztlich auf Glauben stützt? Ähnlich scheint es jetzt mit der männlichen Kirchenhierarchie zu stehen: Argumentieren Frauen dagegen, gelten sie als ungläubig. Veränderungen werden daher von der Basis kommen müssen, vielleicht gestüzt vom Mittelbau, zu dem ich doch auch einen Teil der Bischöfe zähle. Das Kirchenvolks-Be-gehren könnte der Anfang einer solchen - sanften - Reform von unten gewesen sein. Warum aber bemerkt der Vatikan nicht selbst, daß die Kirche in ihrem Bestand bedroht ist, wenn sie die Hälfte der Bevölkerung von ihren heiligsten Funktionen ausschließt? Kr hat - und auch da unterscheiden sich die Männer des Vatikans nicht wesentlich von Männern früherer Kaiserhöfe - Angst vor Veränderungen, weil sie mit Machtverzicht verbunden wären. Gäbe es Priesterinnen, würde die männliche Kirchenhierarchie unterminiert. Hierarchie, das heißt: heilige HERRschait, und dabei soll es bleiben. Und -die wohl größte Angst der jetzigen HERRschah - Frauen könnten sich dann eben auch an der Auslegung des Glaubens beteiligen.

Wie sehr Frauen von der Amtskirche versteckt wurden, zeigen folgende Beispiele: Im Lukasevangelium wird berichtet: „Jesus sandte 72 aus." Luther übersetzte das mit: „Jesus sandte 72 Jünger aus." Und in heutigen Bibelausgaben steht: „Jesus sandte 72 Männer aus." So schnell kann der Eindruck entstehen, es hätte keine Apostelinnen gegeben. Ähnlich ist es mit dem Argument, daß Jesus eben nur Priester eingesetzt habe. Jesus setzte weder Priester noch Priesterinnen ein, dieses Amt entwickelte sich erst im Laufe der nächsten Jahrhunderte. Und zumindest unter den ersten Gemeindeleitern befanden sich auch Frauen, Phoebe ist in den Paulusbriefen erwähnt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie in den Bibelübersetzungen aber von der Diakonin zur „Dienerin" degradiert.

Natürlich gibt es auch Frauen in der Kirche, die diese Männerbotschaften annehmen. Ihre Position ist mir im Zuge der Becherchen verständlicher geworden. Auch Verzicht, Unterordnung, Gehorsam sind -wenn sie ehrlich gemeint sind und nicht bloß Duckmäusertum - ein ehrenvoller Weg im Bemühen um ein christliches Leben. Wenig Verständnis habe ich dagegen für jene Kirchenmänner, die Frauen den Platz der demütigen Dienerin zuweisen, um ihre eigene HERRsch&h zu schützen. In seinem Schreiben „Uber die Würde der Frau" faßte der Papst 1988 sein Frauenbild in einem Absatz zusammen. Er erklärte, für welche Frauen die Kirche „Verehrung und Dankbarkeit" hege. „Es handelt sich um heilige Märtyrerinnen, Jungfrauen, Mütter, die mutig ihren Glauben bezeugt und dadurch, daß sie ihre Kinder im Geiste des Evangeliums erzogen, den Glauben und die Überlieferung der Kirche weitergegeben haben." Entweder hat sich eine Frau also ganz Gott oder ganz einem Mann hinzugeben. Frauen als selbstbestimmte Wesen kennt der Papst - und somit auch die Amtskirche - nicht.

Das wirkt sich auf den Umgangston gewisser Kirchenmänner aus: Herabwürdigende i Bemerkungen und Bollenzuweisungen sind Formen des Sexismus, die von vielen Männern gar nicht als solche erkannt werden. In der Kirche gibt es sie in besonderem Ausmaß. Die Ordensfrau M. Karin Kuttner erzählte mir von einem Ordensmann während ihres gemeinsamen Theologiestudiums: „Einmal hat er gesagt: ,Wenn wir fertig sind mit dem Studium, dann gehen wir in die Mission. Ich gründe eine Missionsstation, und du wirst meine Pfarrhaushälterin.' Ich habe geantwortet: ,Ich gründe eine Schule, und du wirst mein Schulwart.' Seither hat er nicht mehr mit mir gesprochen."

Die Unterwerfung der Frauen in der Kirche hat neben dem Machterhalt noch einen zweiten, damit eng verbundenen Grund: Die Angst der Amtskirche vor Sexualität. Über Jahrhunderte hinweg wurde Priestern befohlen, sich von Frauen fernzuhalten. Die Frau wurde zu I der, die in Versuchung führt. Eva reichte den Apfel, I und schwupps verloren die Männer 1 das Paradies. Viele I meiner Gesprächspartnerinnen ka-I men zu einem ähnli-i chen Ergebnis: Wäre j der Pflichtzölibat | nicht mehr die einzig mögliche Lebensform von Weltpriestern, würde sich auch der Umgang der Kirchenmänner mit Frauen ändern. Solange der Pflichtzö-libat bleibt, bleiben überdies Lügen in der Amtskirche. Können Priester dieses Gebot nicht halten, sind die Leidtragenden auch ihre heimlichen Frauen und Kinder.

Der Umgang mit diesem Problem ist absurd: Öffentlich betont die Amtskirche immer wieder, daß es sich dabei lediglich um wenige Einzelfälle handelt. Doch der überwiegende Teil meiner Gesprächspartnerinnen nannte sofort Fälle aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis. Die Präsidentin der Katholischen Aktion, Eva Petrik, merkte an: „Es gibt in den Diözesen Solidarkassen für Priesterkinder, aber offiziell gibt es die Priesterkinder nicht."

Wie wichtig es wäre, daß sich der Zugang der Amtskirche zur Sexualität entkrampft, zeigt auch der verquere Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen. Eine festverwurzelte Katholikin, die sich nach vielen Qualen von ihrem keineswegs liebenden Mann scheiden ließ und wieder heiratete, erzählte von der Erstkommunion ihres Sohnes: Die Zeremonie, bei der die Mütter neben ihren Kindern stehend die Kommunion empfangen, wurde geprobt. Der Pfarrer tat, als würde er Hostien reichen. Vor einer geschiedenen Frau aber blieb er stehen und sagte laut: „Sie wissen ohnehin, daß Sie keine bekommen."

Draußen, so erzählte die Frau, habe ihr Sohn gefragt, was sie denn angestellt habe. Daß dieser brutale Umgang weniger mit der „Unauflöslichkeit der heiligen Ehe" zu tun hat als mit abstrusem Macht- und Sexualitätsverständnis, läßt sich nachweisen: Kleriker anderer Kirchen können übertreten und zu katholischen Priestern geweiht werden, auch wenn sie verheiratet sind. Zwei der Bedingungen des Vatikans lauten: „die totale Trennung von der Ehefrau, was die Wohnung betrifft" sowie „die freie und bewußte Annahme des zöli-batären Lebens". Geht es also um katholischen Priesternachwuchs, zählt die Ehe wenig. Geht es um Disziplinierung der Sexualität (und der Frauen), zählt sie alles.

Und das - wie auch das katholische Bollenbild der Frau - hat nach wie vor Einfluß auf Gesellschaft und Politik. Gerade in den letzten Jahren bildeten sich wieder verstärkt unheilige Koalitionen zwischen Wirtschaft, Kirche und konservativen Politikern. Der Arbeitsmarkt ist übervoll, also versuchen sie, Frauen wieder auf Kinder, Küche und Kirche zu beschränken.

Dennoch: Immer weniger Frauen wollen sich mit ihrer Bolle als Magd der Herren zufrieden geben. Die Angst der Amtskirche vor den Frauen ist groß. Aber das Engagement vieler Frauen für gleiche Bechte - auch - in der Kirche wird nicht zu stoppen sein.

Die Angst der Kirche vor den Frauen

Von Eva Rossmann.

WM FOLIO-Verlag, Wien-Bozen.

276 Seiten, ISBN 3-852S6-0S2- 7, «mm öS24S

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