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Die Schneid' abgekauft ?

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Das Mitwirken von Frauen in der Kirche hat seit dem Konzil zugenommen, doch sind ihm Grenzen gesetzt. Manche nehmen das geduldig hin, andere gehen auf Distanz.

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Das Mitwirken von Frauen in der Kirche hat seit dem Konzil zugenommen, doch sind ihm Grenzen gesetzt. Manche nehmen das geduldig hin, andere gehen auf Distanz.

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Geduldig und ungeduldig zugleich müßten Frauen in der Kirche, mit der Kirche sein: geduldig, indem sie eine notwendige Entwicklung innerhalb der Kirche zugestehen, ungeduldig, indem sie sich nicht auf die Zukunft vertrösten lassen. So umschreibt Herlinde Pissarek-Hudelist, Professorin für Katechetik und Religionspädagogik an der Universitat Innsbruck, die in Zukunft notwendige Haltung der Frauen. Freilich habe das Konzil sich in seinen Dokumenten nur am Rande mit der Situation der Frau befaßt, habe aber doch eine „allgemeine Klimaveränderung“ mit sich gebracht.

Sind diese Konzilsimpulse nun versickert und vergessen? Dem widerspricht Inge Loidl, seit 1978 Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (KFBÖ). Sie hebt hervor: „Vor zwanzig Jahren war es nicht möglich, daß Frauen selbst Wortgottesdienste gestalteten, Eucharistiefeiern vorbereiteten, daß sie selbst eine aktive Rolle in der Liturgie übernahmen. Heute können Frauen nach ihren Talenten und ihren Fähigkeiten, nach ihrer Ausbildung und ihren Charismen eingesetzt werden - wenn dies auch immer noch zu wenig geschieht, immer noch zuerst geeignete Männer gesucht werden.“

Besonders in den Pfarrgemeinden engagieren sich immer mehr Frauen, bringen ihre Erfahrungen, ihre Wünsche ein. In der Diözese Linz sind beispielsweise ein Drittel der Pfarrgemeinderäte Frauen. Helene Bratusa, seit 23 Jahren in der niederösterreichischen Kleinstadt Stockerau als Pastoralassistentin tätig, bestätigt, daß auch die Einbeziehung der Frauen in die Sakramentenvorbereitung (als Tischmütter vor der Erstkommunion, als Firmhelferinnen) oder in die Liturgiegestaltung ein wichtiger Schritt war.

Müßten nicht auch die hauptberuflich als Religionslehrerinnen, als Pastoralassistentinnen in der Kirche tätigen Theologinnen das innerkirchliche Bewußtsein verändert haben? Herlinde Pissarek-Hudelist ist skeptisch: „Wenn diese jungen Frauen männliche Maßstäbe entsprechend verinner-licht haben, vertreten sie auch in dieser Hinsicht die Positionen der Männer.“

Die innerkirchliche Entwicklung ist selbstverständlich nicht losgelöst von gesellschaftlichen Veränderungen zu beurteilen. Die Kirche hat die Entwicklung (der letzten Jahrzehnte zu mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau) nur in kleinen Ansätzen mitvollzogen, besonders junge Frauen hat dies zur Distanzierung von ihr veranlaßt. iiMwini “um“ Aus der Sicht der Vorsitzenden der Frauenbewegung engagieren sich aber noch immer viele junge Frauen kirchlich-religiös: „Dadurch hat sich in unserer Arbeit sowohl inhaltlich wie auch methodisch ein , Wandel vollzogen. Vor zwanzig Jahren standen das religiöse Leben der Frauen, ihrer Familien, soziale Aktionen in der Pfarre im Vordergrund, heute gibt es immer wieder wechselnde

Schwerpunkte: Frieden, Gen-Manipulation, Natür-und Umweltschutz.“

Große Versammlungen, Wallfahrten seien zwar nicht abgeschafft, aber andere, neue Formen, vor allem kleine Runden, je nach Alter und Lebenssituationen der Frauen gebildet, fänden besonderen Anklang (in der Diözese Linz seien es etwa 800), auch Frauenfeste, Frauen-Cafes, Ad-hoc-Arbeitskreise zu bestimmten Themen. Die Gemeinschaft der Frauen untereinander sei wichtig. Eine neue „soziale Spur“ entstehe im Ansprechen von Randgruppen: Frauen mit behinderten Kindern, mit Pflegekindern, alleinerziehende Mütter.

Pastoralassistentin Helene Bratusa ergänzt: „Die jungen Frauen sind viel kritischer, es paßt ihnen manches nicht, aber sie machen gerne mit, etwa bei der Gottesdienstgestaltung. Schwierig ist es mit wiederverheirateten Geschiedenen: Sie distanzieren sich selbst von der Kirche. Gerade unsere .christlichen Frauen' haben ihnen gegenüber oft große Vorurteile.“

Hat sich auch für Ordensfrauen seit dem Konzil etwas verändert? Schwester Ilona Galambfalvy von der Kongregation der Helferinnen in Wien meint, daß die „weitgehende rechtliche Gleichstellung von Ordensmännern und Ordensfrauen im neuen Codex“ ein Konzilsergebnis sei. Außerdem sei der Dienst der Ordensfrauen „charismatischer und kirchlicher“ geworden, mehr „pastoraler Frontdienst mit mehr Kompetenz“ müsse nun geleistet werden, es gebe „mehr Ordensfrauen in Entscheidungsgremien vom Pfarrgemeinderat bis zum Diözesanrat“. Die Strukturreformen der Leitung, die Anpassung oder Aufhebung veralteter Regeln oder Bestimmungen, die Durchforstung der inneren Ordnung wurden bei Frauen- wie Männerorden durchgeführt, trotzdem meint Schwester Ilona: „Bei den Frauenorden hat sich mehr geändert als bei den Männerorden!“

Patriarchatsgeschädigt

Wie kann's, wie soll's weitergehen - geht überhaupt etwas weiter für die Frauen?

Herlinde Pissarek-Hudelist: „Durch die neue Exegese, zu der das Konzil den Anstoß gab, durch Feminismus und Feministische Theologie ist ein Prozeß in Gang gekommen. Leider sind gerade oft engagierte Frauen sehr vorsichtig geworden, zögern, nicht wenige sind .patriarchatsgeschädigt'. Ich habe manchmal den Eindruck, daß Frauen einer bestimmten Generation gründlich die .Schneid' abgekauft wurde.“

Die Bewußtseinsbildung unter den Frauen selbst ist ihre große Hoffnung. Konsens durch Bewußtseinsbildung sei auch vorausgesetzt für die Forderung nach der Priesterweihe für die Frau. Wenngleich die Ordination der Frau als Ziel augenblicklich nicht im Vordergrund stehe, sei sie doch keine Randfrage, sondern reicht an „die Wurzelndes christlichen Amtsverständnisses“.

Für das Gespräch über die Frauenordination sieht auch KFBÖ-Vorsitzende Loidl derzeit wenig Chancen, sie meint: „Wenngleich das jetzt schon Mögliche bis an die Grenzen genützt werden soll, darf man sich doch damit nicht zufriedengeben!“ Österreichs Ordensfrauen diskutieren diese Frage — so Schwester Ilona — nicht.

Es scheint, daß viele Frauen die vom Konzil artikulierte Mitverantwortung ernstgenommen haben, nun aber auch darauf bestehen, daß dem Engagement und den Charismen von Männern und Frauen nicht mehr unterschiedlicher Wert zukommt.

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