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Barrieren werden weggeräumt

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Für mich begann das Umdenken rein akademisch: mit Hilfe von Büchern, in denen Frauen schrieben, wie sie sich ihrer Selbstentfremdung und Fremdbestimmung in Gesellschaft und Kirche bewußt geworden waren. Da tauchten auch bei mir Gefühle des Unbehagens an die Oberfläche, meinen „weiblichen Lebenszusammenhang“ , auch meine Kirche betreffend. Harmlos anfänglich, als Verwunderung und als Verärgerung, warum Frauen auf ehrenamtliche Dienste eingeschränkt werden, von Entscheidungsgremien ausgeschlosseą bleiben.

In gemeinsamer Analyse mit anderen Frauen entdeckte ich die Ursache, die beklemmenden Klimmzüge mancher (auch Kir-chen-)Männer, Ungerechtigkeiten zu rechtfertigen - mit dem ominösen anderen Wesen der Frau (das nie genau definiert werden kann und merkwürdigerweise immer mit Ohnmacht zu tun hat), mit wirtschaftlichen oder traditionellen Zwängen. An der Universität existiert auch ein Korsett, das wissenschaftliches Arbeiten einschränkt durch den Anspruch, nie persönlich und immer objektiv zu sein.

All diese Erkenntnisse haben mir geholfen, mich stückweise zu lösen von strukturellen und per-sönUchen Zwängen, die in mir selber das Gefühl der Unterordnung erzeugten. Sie helfen mir weiterhin, mich einzusetzen - gegen alle Widerstände - für eine Veränderung von Strukturen in Denken und Handeln, durch die Männer und Frauen eingeteilt werden in Stereotype und die sie verkürzen und in ihrer Entfaltung behindern.

„Lehren“ an der Universität wird somit zu „gemeinsamem Lernen“ von Professorinnen, Assistentinnen und Studentinnen (manche Männer unterstützen uns dabei hilfreich durch ihr Mitlernen).

Gemeinsames Lernen an einer theologischen Fakultät heißt unter anderem:

Wir erleben den Gott, der am Beginn des Dekaloges sagt: „Ich bin dein Gott, der dich befreit hat aus der Sklaverei“ - und wir versuchen, uns von einem einseitig männlich geprägten Gottesbild zu befreien, das entscheidend beigetragen hat zur Entfremdung mancher Frauen. Wir entdecken die „Abba“ -Rede Jesu,

die nichts mit Herrscher-Ambitionen zu tun hat, vielmehr mit Zärtlichkeit und Zuwendung, und den unbefangenen Umgang Jesu mit Frauen. Wir spüren die stürmische, neuschaffende Kraft des Heiligen Geistes, der Einheit schafft und Beziehung, der uns unterstützt, wenn wir darangehen. Verkrustetes aufzubrechen und umzuformen.

Wir lesen die Bibel mit besonderer Aufmerksamkeit. Wir versuchen, die Barrieren wegzuräumen und neue, befreiende Erklärungen zu finden. Sie sind vielleicht nicht weniger einseitig, aber es sind unsere, erstellt mit der gleichen Ernsthaftigkeit und allem guten Willen, der Wahrheit ein Stück näher zu kommen.

Wir beschäftigen uns auch mit Maria. Sie kommt uns näher, wenn wir sie Mensch sein lassen, „Frau des Volkes“ , „Schwester im Glauben“ , „Prophetin“ (siehe Magnifikat). Wir fühlen uns ihr mehr verbunden, wenn sie uns Helferin ist in unserer Christus-Nachfolge, statt daß sie uns selbst als das Nachfolge-Modell vor Augen gestellt wird: unerreichbar als jungfräuliche Mutter, reduziert auf Dienen im Hintergnmd.

Wenn wir den Gottesdienst besuchen, hören wir uns ||icht: wir kommen nicht vor in der Sprache der Kirche. Wir wehren uns gegen dieses Unsichtbarmachen, das uns ohne eigenes Antlitz und ohne eigene Stimme sein läßt.

In der Frage nach dem Priesteramt erleben wir selbst die stärksten Ambivalenzen. Einerseits fürchten wir um unsere Neuaufbrüche, um unsere Befreiung, wenn wir uns zu früh auf so männlich geprägte Strukturen einlassen, andererseits sehen wir deutlich, wie viele Bereiche der Seelsorge, der Verkündigung ausgeblendet, zumindest einseitig bleiben. Und wir leiden an der Un-glaubwürdigkeit unserer Kirche nach außen, wenn sie nicht auch hier Macht (Dienst?) teilt.

Wenn wir nun mit all dem unsere traditionellen Fachdisziplinen konfrontieren, wollen wir nicht nur Fragestellungen aus dem bisher verdrängten Frauenleben addieren. Wir kritisieren damit auch Formen der wissenschaftlichen Erkenntnis und der Vermittlung. Losgelöst vom konkreten Menschen und seiner Lebens- und Glaubenspraxis führen diese Formen oft genüg zu unzulässigen Generalisierungen und falschen Abstraktionen.

Aber wir wissen inzwischen: Parteilichkeit für Unterdrückte macht sensibel für den Anspruch der Dominierenden. Wenn wir fragen: Wie männlich ist die Wissenschaft? wollen wir nicht eine nur-weibliche entgegenstellen, sondern alle wissenschaftlichen Erkenntnisse auf ihre konkrete Bedeutung für Frauen und für Männer befragen: im Interesse aller und im Auftrag dessen, der gesagt hat: Ich bin dein Gott, der dich befreit hat.

Die Autorin ist Assistentin am Institut für Katechetik/Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.

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