Pfarrgemeinderat_2002_bis_2007-conference-room-170641_1280 - © Diözese Linz

Pfarrgemeinderat: Die Mühen der Ebene

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Die Pfarrgemeinderäte sind "erwachsen" geworden. Dennoch bleibt der strukturelle Knoten ungelöst: Der Pfarrgemeinderat ist so viel, wie der Pfarrer zulässt.

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Die Pfarrgemeinderäte sind "erwachsen" geworden. Dennoch bleibt der strukturelle Knoten ungelöst: Der Pfarrgemeinderat ist so viel, wie der Pfarrer zulässt.

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Die Pfarrgemeinderäte sind eine Frucht des II. Vatikanums, das die Berufung aller Getauften betont hat und als Träger pastoralen Handelns das ganze Volk Gottes sieht. Nach dem Konzil - vor allem bei den darauf folgenden Diözesansynoden - hat sich als Leitgedanke für eine zeitgemäße Seelsorge die "lebendige Gemeinde" durchgesetzt. Die Pfarrangehörigen sollten nicht mehr bloß durch ihre amtlichen Seelsorger betreut werden, sondern sie sollen selbst mitdenken, mitreden und mitentscheiden, was in ihrer Gemeinde geschieht. Als wichtiges Instrument für diese Partizipation der Laien wurde die Räte-und Gremialstruktur eingeführt. Sie hat tatsächlich - vor allem für die Pfarren - einen gewaltigen Schub von einer versorgten beziehungsweise sich-versorgen-lassenden Gemeinde in Richtung (mit)-sorgende Gemeinde bewirkt.

30 Jahre später sind die Pfarrgemeinderäte "erwachsen" und eine Selbstverständlichkeit geworden. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass wir, wie unlängst ein Bischof formulierte, sagen können: "Unsere Kirche ist bunter und lebendiger geworden. Noch nie haben wir so viele engagierte und tatkräftige Mitarbeiter (und ich füge hinzu: vor allem Mitarbeiterinnen!) gehabt".

Nicht bloß Berater

Nun sind für den 17. März 2002 bereits die vierten gesamtösterreichischen Pfarrgemeinderatswahlen ausgeschrieben. In den letzten Wochen und Monaten stand die Kandidatinnen- und Kandidatensuche auf dem Programm jeder Pfarre, jedes Pfarrers. Sie soll diesmal besonders schwierig und mühsam gewesen sein. Warum eigentlich? Der Pfarrgemeinderat ist - wie bereits angeführt - eine allgemein akzeptierte Einrichtung, und viele der amtierenden Pfarrgemeinderäte berichten nicht nur von "Arbeitserfolgen", sondern auch von Gewinn für ihr persönliches Leben. Was hat denn dann die Erstellung der Wahllisten so schwierig gemacht? Ich orte dazu drei Ursachen: persönliche, lokale und strukturelle.

Die persönlichen Gründe sind sicher so zahlreich wie die Personen, die angesprochen wurden: Alter, familiäre Situation, gesundheitliche Probleme, berufliche Belastung, bereits vorhandene ehrenamtliche Verpflichtungen, schon lange im Pfarrgemeinderat und müde geworden, frustrierende Erfahrungen bei bisheriger pfarrlicher Mitarbeit, negative Einstellung zu Gremien und Sitzungen ...

Da der Pfarrgemeinderat sich mit den pfarrlichen Gegebenheiten vor Ort auseinandersetzt, ist er in hohem Maß von lokalen Besonderheiten, Bedürfnissen und Personen geprägt. Und die Leute entscheiden sich pro oder contra Kandidatur aufgrund ihrer örtlichen Wahrnehmung. Erfahren sie "ihren" Pfarrgemeinderat vor allem als allzeit bereite Hilfstruppe für die Hauptamtlichen in der Pfarre, oder als geschlossenen Zirkel um den Pfarrer, oder als ständigen Bauausschuss, oder als Diskussionsrunde, in der über Banalitäten viel gestritten wird, oder ..., dann wird ihre Bereitschaft zur Mitarbeit nicht sehr groß sein. Auch eine permanente Frontstellung zwischen Pfarrer und Pfarrgemeinderat ist nicht motivierend für einen fünfjährigen Einsatz als Pfarrgemeinderat, als Pfarrgemeinderätin.

Im 1994 erstellten gesamtösterreichischen Rahmenleitbild für den Pfarrgemeinderat wird dieser als Leitungsgremium definiert. Diese Rede von der "Leitung" kollidiert aber mit dem Junktim von Priestertum und Leitungsamt. Und dies führt zunächst zu einer Überbetonung des Beratungsfunktion und zu einer Flut von Umweg-Formulierungen wie mit-bestimmen, mit-verantworten, zusammen mit dem Pfarrer, ihn unterstützend, et cetera, im Weiteren aber auch zu einer Enttäuschung über die realen Möglichkeiten eines Pfarrgemeinderates, der letztlich doch nur so viel ist, als es der Pfarrer zulässt. Extrem formuliert: Teilhabe an der Arbeit, aber nicht an der Entscheidung. Heute, wo viele Gemeinden ohne Pfarrer am Ort und die Menschen gewohnt sind, nicht nur mit-... sondern eigenverantwortlich zu handeln, ist dieser strukturelle Knoten in der Rätestruktur oftmals ein Hindernis für mögliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Es besteht daher dringender Bedarf, die Pfarrgemeinderäte von einem Beratungs- zu einem tatsächlichen Leitungsorgan weiterzuentwickeln. Bereits die Weltbischofssynode 1987 hat sich für eine "entschiedene, überzeugte und breit angelegte Aufwertung der Pfarrpastoralräte" ausgesprochen, und Papst Johannes Paul II. hält im Schreiben "Christifideles Laici" fest: "Den Bischofskonferenzen kommt es zu, die geeigneten Mittel und Wege zu finden, um auf National- oder Regionalebene die Konsultation und die Mitarbeit der Laien, Männer und Frauen, weiterzuentwickeln".

Pfarrgemeinderatswahlen sind auch wieder ein Anlass zu der Frage: Wozu denn Wahlen? Die Kirche ist ja keine Demokratie, und der Pfarrer soll sich seine Ratgeber und Mitarbeiter selbst aussuchen dürfen. Es stimmt, die Kirche ist keine Demokratie, aber es gibt in ihr demokratische Formen, die sich aus dem Wesen des Volkes Gottes herleiten. Und der Pfarrer ist zwar kirchenrechtlich letztverantwortlich für die Vorgänge - und auch für die Nicht-Vorgänge! - in einer Pfarre, aber nicht alleinverantwortlich. Durch die Taufe wurden wir alle zu Teilhabern und Teilhaberinnen der Kirche.

Beispielhafte Frauen

"Vielstimmig" ist das Signalwort für diese Pfarrgemeinderatswahl. Für mich weist es auf den Reichtum von vielfältigen Begabungen und Berufungen in den Pfarrgemeinden hin und ebenso auf die vielfältigen Bedürfnisse und Aufgaben gemeinschaftlichen Christseins heute. Menschen aus unterschiedlichen Lebenszusammenhängen, Frauen, Männer, Junge, Alte sollen im Pfarrgemeinderat ihre Stimme erheben und zur Sprache bringen, was in ihrer Pfarre seelsorglich wichtig und notwendig ist. Vielstimmig soll das Leben in den Pfarren sein, kein Eintopf, keine Erstarrung in liebgewordenen Traditionen.

Vieles soll stimmig sein in einem Pfarrgemeinderat - ein schätzendes Miteinander, eine Balance von Arbeit und Gebet, eine gerechte Verteilung der Arbeitslasten zwischen Frauen und Männern. Knapp 50 Prozent betrug nach der letzten Wahl der Frauenanteil (da könnten sich Politik und Interessensvertretungen ein Beispiel nehmen!), bei der konkreten Aufgabenverteilung kam dieses Verhältnis aber oft aus dem Lot. Vieles soll auch stimmig werden durch die neuen Pfarrgemeinderäte - vor allem stimmig auf die verschiedenen Zugangsweisen von Menschen zu dem einen Gott.

Natürlich werden auch viele Stimmen, viele Wähler und Wählerinnen bei der kommenden Pfarrgemeinderatswahl erwartet. Diese Wahlen sind eine Chance zur allgemeinen Mitsprache und Mitgestaltung dort, wo christliche Gemeinde konkret gelebt wird, in der eigenen Pfarrgemeinde. Daher sollten möglichst viele ihr Wahlrecht nutzen. Eine rege Wahlbeteiligung ist zunächst ein gutes Feedback über die tatsächliche Situation der Kirche am Ort. Für die Kandidaten und Kandidatinnen aber sind viele Stimmen Zusage, Zutrauen und Zuspruch zugleich, denn die Wahl ist nicht zuletzt Sendung eines Christen, einer Christin durch das Volk Gottes zu einem speziellen Dienst in der Kirche.

Ist der Pfarrgemeinderat nun ein Zukunfts- oder Auslaufmodell? Sicher sind der Schwung und die Begeisterung der ersten Jahre vorbei. Aber die sogenannte Konzilsgeneration und die starken Laiengruppierungen - allen voran die Katholische Aktion - haben gute Arbeit geleistet. Die Rätestruktur ist etabliert und hat heute für das partnerschaftliche Zusammenwirken von Priestern und Laien, Frauen und Männern eine unersetzliche Aufgabe. Ob dies auch in Zukunft sein wird? Das werden nicht zuletzt die kommende Wahl und die neuen Pfarrgemeinderäte beantworten.

Die Autorin ist stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderates in Mödling-St. Othmar und war 1987-99 Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.

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