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Demokratisierung der Kirche?

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Wir leben im Zeitalter der Demokratie. Das Zauberwort „Demokratisierung“ ist in aller Munde. Schulen, Betriebe, Universitäten - alle gesellschaftlichen Bereiche werden „demokratisiert“. Auch vor der Kirche hat diese Demokratisierungswelle nicht haltgemacht. Selbst wenn Konzile, Synoden und Ordenskapitel, die mehr oder weniger Demokratie verwirklichen, keine Erfindungen des 20. Jahrhunderts sind, so ist doch die Einführung demokratischer Elemente und Gremien an der Basis - wie in Diöze-san-, Priester- und Pfarrgemeinderäten - neu.

Demokratisierung der Kirche als Allheilmittel gegen die Glaubenskrise unserer Zeit? Sicher nicht! Es wäre falsch, im Einführen demokratischer Verfahrensweisen in der Kirche eine billige Anpassung an den herrschenden Zeitgeist zu erblicken. Die gemeinsame Entscheidung und Verantwortung aller Glieder der Kirche entspricht ganz deren Wesen: Kirche sind wir alle! Deshalb kann sich auch niemand von der Verkündigung und Bezeugung der Botschaft Christi dispensieren, wenn er wahrhaft Christ sein will. Jeder Christ ist dazu berufen, seine Talente und Fähigkeiten in den Dienst seiner Gemeinde zu stellen. In-

sofern stellen die nachkonziliaren Gremien (wie Pfarrgemeinderäte) die institutionalisierte Chance dar, eine Erneuerung und Verlebendigung der Gemeinden von der Basis her in die Wege zu leiten - hin zu Gemeinden, deren Leben von allen Gemeindeangehörigen mitgetragen wird: von der „versorgten“ zur „sorgenden“ Gemeinde.

Vor Gefahren einer solchen Demokratisierung muß gewarnt werden. In der Kirche leben - wie in jedem Staat -Minderheiten, die in den demokratischen Instanzen oft nur ungenügend vertreten sind. Gerade für uns Christen müßte der Schutz dieser Minderheiten ein unumstößliches Gebot darstellen. Eine dieser Minderheiten ist die Jugend, die in den Pfarrgemeinderäten meist nur wenig zu sagen hat.

Wie leicht wäre es für ein demokratisches Gremium, unorthodoxe und unbequeme, aber notwendige Initiativen zur Jugendarbeit mittels Mehrheitsbeschluß „abzuwürgen“. Welchen Schaden jedoch solche Alleingänge einer oft knappen Mehrheit anrichten, ist jedem, der die österreichische Innenpolitik der letzten Jahre verfolgt, nur zu gut bekannt. Diese Minderheiten verdienen die besondere Aufmerksamkeit der Mehrheit. Gerade die Jugendlichen, die doch in einigen Jahren als

erwachsene Christen das Leben unserer Gemeinden mitgestalten sollen. Ihr zukünftiges Engagement hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie heute ihre Vorstellungen in die Arbeit eines Pfarrgemeinderates einbringen können. Denn jede demokratische Gesinnung lebt von der Bereitschaft, den anderen als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren.

Demokratie kann Engagement nicht ersetzen. Pfarrgemeinde- und andere nachkonziliare Räte bleiben tote Institutionen, wenn ihre Mitglieder nicht bereit sind, sich für die Sache Christi und seine Frohbotschaft einzusetzen. Der Weg von der „stehenden und betenden Kirche“ zur „sitzenden und schlafenden Kirche“ ist nur kurz! Warum fühlen sich so viele junge Menschen von den üppig wuchernden Sekten angezogen? Sie suchen Engagement, Geborgenheit, brüderliche Liebe - letztlich sinnerfülltes Dasein. Wenn sich unsere Pfarrgemeinderäte nicht zu Stoßtrupps engagierter Christen entwickeln, werden diese Jugendlichen nie in der Kirche heimisch werden Dann finden sie statt Geist Geschäftsordnungen, statt Engagement Funktionärstum, statt Liebe Selbstbestätigung, statt lebenserfüllendem Sinn bloße Routine.

Demokratische Formen dürfen nie Selbstzweck sein. Sie sind nur ein Vehikel, unsere Gemeinden durch die Mitarbeit vieler lebendiger, offener, glaubwürdiger, überzeugender, einladender zu gestalten.

Demokratie kann das persönliche Glaubenszeugnis, das eigene Engagement nicht ersetzen. Über den Glauben kann nicht demokratisch abgestimmt werden, christlicher Glaube muß gelebt, verkündet und bezeugt werden - heute und auch in Zukunft.

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