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30.000 Mandate stehen am 17. März österreichweit zur Wahl: Zweifelsohne ist der kommende Urnengang zur Ermittlung der Pfarrgemeinderäte die Wahl mit den meisten zu vergebenden Mandaten im Lande. Dass gerade die katholische Kirche, der das Prädikat "demokratisch" kaum zukommt, sich im Gefolge des II. Vatikanums für diesen Weg der Teilhabe des Volkes Gottes auch an der Verantwortung entschieden hat, mag verwundern. Das Dossier versucht eine kritische Standortbestimmung dazu.

Eine Postkarte in sattem Ultramarinblau, in der Mitte das Frauensymbol in grellem Grün, dazu in weißer Schrift: "zuMUTung" und: "Gesucht: Mutige Pfarrgemeinderätinnen". Mit dieser Postkarte sucht die Katholische Frauenbewegung Geschlechtsgenossinnen zu motivieren, sich einer Wahl zum Pfarrgemeinderat zu stellen. Im katholischen Aktivsegment sind Frauen eindeutig in der Mehrheit: Dies kann - angesichts Leitungs- und Amtsstruktur der Kirche - nicht genug betont weDarum bemühen sich kirchlich engagierte Frauen, mit Aktionen wie dieser um verstärkte Frauenbeteiligung in den Pfarrgemeinderäten zu werben.

Solch Engagement ist schon bei der letzten Wahl aufgegangen: Seit damals nehmen Frauen fast die Hälfte der Pfarrgemeinderatssitze ein. Der Frauenanteil in den politischen Gemeindevertretungen dagegen beträgt nur ein Siebtel: Die katholische Kirche somit ein Vorreiter in echter Demokratie?

Immerhin liegt auch das Pfarrgemeinderats-Wahlalter - regional etwas unterschiedlich - deutlich unter dem politischen Wahlalter: Spätestens mit 16 Jahren können Katholiken wählen oder gewählt werden, mancherorts gar mit 14. In einigen Diözesen gibt es die - nicht unumstrittene - Möglichkeit für Eltern, pro Kind ebenfalls eine Stimme abzugeben. Im politischen Bereich gibt es solche Großzügigkeiten bei weitem nicht.

Wenn manch kirchlicher Wahlbegeisterter auf die Vorreiterrolle gegenüber der säkularen Politik pocht, so dreht sich das Argument, wenn der Blick auf die Leitungsstruktur fällt: Den Pfarrgemeinderates leitet der vom Bischof eingesetzte Pfarrer, von der Gemeinde gewählte Pfarrgemeinderäte können bestenfalls stellvertretende Vorsitzende werden. Und nur in finanzieller Hinsicht hat der Pfarrgemeinderat ein Entscheidungsrecht.

In Bezug auf den Pfarrgemeinderat sind somit wirklich demokratische Ansätze (Wahlordnung ...) ebenso zu finden wie deren Gegenteil. Nicht einmal der hohe Frauenanteil weist eindeutig in positive Richtung, zeigt sich damit auch, dass sich die Männer aus der Kirche mehr und mehr zurückziehen.

Die Einführung der Pfarrgemeinderäte vor 30 Jahren war ein Meilenstein. Das Bild heute ist ambivalenter - ebenso wie sich Kirche zur Zeit ambivalent präsentiert. Dennoch gilt, dass diese Struktur aus der Kirche am Ort nicht wegzudenken ist. Die Wortmeldungen der Bischöfe zum Thema drücken dies genauso aus wie das Motto "VIELstimmig", mit dem die Christinnen und Christen diesmal zu den Wahlurnen gelockt werden sollen.

Es gibt eigentlich keinen Grund, diesen Verlockungen nicht nachzugeben.

Die Praktikerin

Laien sollten mehr als Berater sein

ingrid klein, mödling, stellv. pfarrgemeinderatsvorsitzende

... führt zu einer Überbetonung der Beratungsfunktion und zu einer Flut von Umweg-Formulierungen wie mit-bestimmen, mit-verantworten ..., im Weiteren aber zur Enttäuschung über die realen Möglichkeiten eines Pfarrgemeinderates, der letztlich doch nur so viel ist, als es der Pfarrer zulässt. Extrem formuliert: Teilhabe an der Arbeit, aber nicht an der Entscheidung. Heute, wo viele Gemeinden ohne Pfarrer am Ort und die Menschen gewohnt sind, nicht nur mit-... sondern eigenverantwortlich zu handeln, ist dieser strukturelle Knoten in der Struktur ein Hindernis für mögliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es besteht daher dringender Bedarf, die Pfarrgemeinderäte von einem Beratungs- zu einem tatsächlichen Leitungsorgan weiterzuentwickeln ... Seite 14

Der Bischof

Mitverantwortung hat sich sehr bewährt

alois schwarz, bischof von gurk-klagenfurt

... kann mir gar nicht vorstellen, dass es Pfarrgemeinderäte nicht gäbe. Es war der Aufbruch nach dem Konzil, das synodale Prinzip zu stärken. Es hat sich sehr bewährt, dass in den einzelnen Pfarren gewählte Vertreter des Volkes Gottes Mitverantwortung tragen ...

... Der Priester leitet die Pfarrgemeinde. Das ist von der Kirchenordnung her so, weil wir die Pfarrgemeinde als Kirche am Ort verstehen: In der Kirche ist der Altar der Mittelpunkt - und den Vorsitz am Altar hat der Priester. Also hat der Priester auch den Vorsitz in der Pfarrgemeinde ...

... In der Kirche gibt es das hierarchische Prinzip und das synodale. Die ergänzen einander. Es kann nicht das eine auf Kosten des anderen aufgelöst werden. Das Konzil hat das sehr deutlich gesagt: Die Kirche ist eine Communio hierarchica ... Seite 15

Die Theologin

Pfarrgemeinderat: ein "modernes" Gremium

maria widl, wien, pastoraltheologin

... Die aktiven Gemeinden sind heute weitgehend modern geprägt. Zu diesen modernen Strukturen gehört auch der Pfarrgemeinderat. Wenn jedoch eine solche Gemeinde von einem traditionalen Pfarrer geleitet wird, nimmt er dem Pfarrgemeinderat genau jene Spielräume, deretwegen sich moderne Christinnen und Christen in ihm engagieren. Deren Spiritualität ist von geistlichen Bewegungen - in der Regel Kreise im Umfeld der großen Ordensgemeinschaften - geprägt. Dorthin ziehen sich Engagierten zurück, um geistig "aufzutanken". Eine Pfarrgemeinde kann das bei der Vielzahl der Mitglieder und Glaubensvorstellungen auch gar nicht leisten. Sie trägt dafür die Last der Volkskirche, die nach wie vor die größte gesellschaftsrelevante christliche Kraft darstellt ... Seite 16

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