Eine Kultur des Miteinanders

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Mit der Wahl am 17. März 2002 werden österreichweit wieder ca. 30.000 Personen (!) den Dienst als PfarrgemeinderätInnen für die kommenden fünf Jahre übernehmen. Die Pfarrgemeinderäte stehen für die Stärke der lokalen Kirche von Angesicht zu Angesicht. Sie bilden das Rückgrat des kirchlichen Ehrenamtes und sind der zentrale Knotenpunkt pfarrlicher Kommunikation und Mitverantwortung. - Warum aber der Aufwand einer Wahl?

Die beiden Funktionen (Mitarbeit und Mitverantwortung) haben sich in den vergangenen gut 30 Jahren seit dem Konzil unterschiedlich etabliert. Vielfach fällt die Einordnung als MitarbeiterInnen-Stab leichter und stellt die Notwendigkeit eines Wahlvorganges in Frage.

Der Pfarrgemeinderat als zentraler Kommunikationsknotenpunkt, als Ort, wo die Pfarrgemeinde ihre Angelegenheiten zur Sprache bringt und austrägt, wird an Bedeutung zunehmen, soll eine "VIELstimmige" Kirche (vgl. das Wahlmotto) in gemeinsamer Verantwortung auch künftig glaubwürdig gelingen. Mit der Wahl von Pfarrgemeinderäten nehmen die KatholikInnen ihre gemeinsame Verantwortung für den Dienstauftrag von Kirche wahr. Sie beauftragen und legitimieren die Gewählten, die Lebensumstände der Menschen wahrzunehmen, im Licht des Evangeliums zu deuten und dementsprechend initiativ zu handeln (vgl. Rahmenleitbild).

Der innere Spannungsbogen einer vielfältigen Kirche mit einer Fülle differenzierter Lebensstile des Christlichen braucht einen formellen Ort des Dialoges, damit anstehende Auseinandersetzung und Regelungen des Miteinanders nicht auf dem Kirchplatz oder an allerlei Hintertüren ausgetragen werden müssen bzw. die Gemeinschaft nicht in isolierte und degenerative Nischenexistenzen zerfällt.

Ein weiteres Feld bildet der Umgang mit dem sogenannten "neuen Ehrenamt", also der Bereitschaft eines immer größeren Kreises von Personen, sich auf ein klar abgegrenztes, projektorientiertes Engagement einzulassen. Dem Pfarrgemeinderat wächst dabei zunehmend die Rolle des Projektentwicklers bzw. -trägers zu, darüber hinaus aber auch die Aufgabe der Reflexion und Prüfung des Angebotsmarktes, um auf diesem Gebiet einem postmodernen "divide et impera" Widerstand zu leisten.

Die innerkirchliche Positionierung der Pfarrgemeinderäte war in den letzten dreißig Jahren zu einem guten Teil von der Rezeption von "Lumen gentium" bestimmt. Anhaltende Kompetenzdebatten übersehen heute die Tatsache, dass abseits aller Stimmverhältnisse und Vetorechte die Frage darin besteht, ob es gelingt, eine Angelegenheit sauber auszudiskutieren und zu einer gemeinsam vertretbaren Lösung zu gelangen oder ob sie als ungelöster Konflikt im Raum stehen bleibt. - Die Suche nach WahlkandidatInnen gibt über die jeweilige Kultur des Miteinanders recht gut Auskunft.

Für die bleibende Relevanz der Pfarrgemeinden und ihrer Räte wird es wichtig sein, dass die Aufmerksamkeit zunehmend auf "Gaudium et spes" in Form einer Option für die Grundaufträge Verkündigung und Diakonie übergeht. Denn eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.

Dr. Wolfgang Müller

Pfarrgemeinderatsreferent der Erzdiözese Salzburg

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