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Digital In Arbeit

Dr. Ferdinand A. West-phalen

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1. Meine Antwort — wenn ich sie als solche bezeichnen kann — auf die beiden hier gestellten Fragen kann, das sei vorausgeschickt, nur eine höchst subjektive sein. Es ist an sich nicht sehr interessant, ob der bisherige Verlauf des Konzils „meinen Erwartungen“ entsprochen hat oder nicht. Jedenfalls aber hängt eine Antwort darauf davon ab, was ich erwarte oder erhoffe, und dies wieder davon, welche Fragen mich als katholischen Christen im Zusammenhang mit dem Konzil beschäftigt haben.

Dies waren kurz folgende Überlegungen: A. Das Konzil müßte sowohl die katholische Christenheit ansprechen als auch die Welt als Ganzes. Die Christenheit: um das Christentum als Religion der Liebe (des liebenden Verstehens) von der kirchlichen Gemeinschaft her zu neuer Aktivität zu wecken und so zu beleben, daß die Christen die Vielfalt und Tiefe der Aufgaben in unserer religiösen und geschichtlichen Lage erkennen und ihnen entsprechen. Die Menschenwelt als Ganzes: Weil trotz aller blendenden äußeren Erfolge unsere Welt so erfüllt ist von Ratlosigkeit, Verzweiflung, Rechtlosigkeit, brutaler Gewalt, daß die sie bedrückenden Fragen sich auf die Ebene der letzten Prinzipien verlegt haben. Unsere „pluralistische“ Welt sucht nach dem einen, Notwendigen, Gemeinsamen. B. Zugleich aber mit dem Werden der „einen Welt“ zeigt sich auch deren Vielfältigkeit, die eine Vielfalt auch der äußeren Formen des religiösen Lebens verlangt, die Herstellung einer Unitas multiplex, soll nicht die Einheit Ergebnis roher Gewalt werden oder die Vielfalt zu Zerfall und Entfremdung führen. C. Im Zusammenhang damit steht die Frage der Missionierung, aber auch die Frage eines rechten Verstehens der „Toleranz“ und das Erfordernis einer klaren Stellungnahme zu den wuchtigen antichristlichen Bewegungen und zu einem drohenden Indifferentismus. Endlich D. Sowohl für die Belebung des kirchlichen Lebens als auch für die tiefere Sinngebung weltlicher Arbeit muß die Stellung des Laien als eines aktiven Gliedes der Kirche umschrieben und ihm ein klarer Bereich der eigenen Verantwortung in der Kirche und in der Erfüllung ihres Auftrages zugesprochen werden.

Ich glaube, daß kein Grund dafür vorliegt, nach dem bisherigen Verlauf des Konzils von der Haltung gläubigen Vertrauens abzugehen, die ich grundsätzlich einzunehmen für richtig halte. Und wenn ein Urteil ausgesprochen werden soll, kann es, da das Konzil nicht abgeschlossen ist, nur in der Deutung sich zeigender Tendenzen beruhen. Manche Erscheinungen konnten den Außenstehenden mit Ungeduld erfüllen, manche Kritiken auch offizieller Berichterstatter skeptisch machen. Aber in der fruchtbaren Freiheit der Diskussionen hat es auch immer wieder Überraschungen gegeben, die schließlich den Weg wiesen zur Offenheit gegenüber den Problemen und geistigen Bewegungen der Zeit, gegenüber dem Erfordernis einer Unitas multiplex, gegenüber jenen Richtungen, in denen auch außerkirchliches religiöses Streben an gemeinsame Wahrheiten rührt. Es ist offenbar auch im Leben der Kirche schwer, Einseitigkeiten, in denen sich der Drang der Zeit kundtut, zu vermeiden und die in ihnen liegenden Wahrheiten zu befreien. Es ist auch in der Kirche schwer, der Kontinuität und dem Wandel das rechte Maß zu geben, damit die Kontinuität nicht das Leben unterdrücke, der Wandel nicht ins Leere stoße, sondern an der Wurzel des Lebens bleibe. Ich denke da an die Fragen der Dezentralisierung des kirchlichen Lebens, die Frage des Laien in der Kirche, die Fragen des „Ökumenismus“. Es ist sicher gut, wenn es hier, wie unter den Laien so auch im Konzil, einen Widerstreit der Richtungen aus der gleichen, gemeinsamen Sorge gibt.

Die Frage der Stellung des Laien, die bei uns so stark im Vordergrund steht, ist ja noch nicht endgültig behandelt. Man kann hoffen, daß das Konzil hier zu gewissen klaren Richtungsweisungen kommt. Ob endgültige und zumal juristische Formulierungen günstig wären, scheint mir fraglich. Es gilt hier, erwachtes Leben, spontanes Streben, vielfach schon vollzogene Wandlungen zu bestärken, von der Teilnahme an der Liturgie angefangen bis zu den vielfältigen Formen der „Katholischen Aktion“, aktive Teilnahme an den Lebensäußerungen der Kirche und Sendung in die Welt auf dem Weg des Berufes. Vorzeitige juristische Formulierungen können leicht zu Hemmnissen einer lebendigen Entwicklung werden. Gerade hier dürfte eine Berücksichtigung der regionalen Vielfalt erforderlich sein.

2. Die Frage, welche Folgen für das kirchliche Leben in Österreich das Konzil haben könnte, läßt sich derzeit wohl schwer beantworten, ohne einem wunschbestimmten Denken zu verfallen. Was die Offenheit unserer kirchlichen Stellen betrifft, stehen wir sicherlich nicht unter schlechten Voraussetzungen. Auch das Streben, die Bereiche der Kultur christlich zu durchdringen, ohne ihren personellen und sachlichen Eigenstand zu verletzen, ist bei uns in starkem Maß vorhanden. Was daraus werden kann, liegt weitgehend an den Christen selbst. Österreich besitzt — trotz der politischen Brüche, die die Voraussetzungen kirchlichen Bewußtseins in kurzer Zeit wohl vielfach zum besseren gewandelt haben — eine große, wenn auch etwas schläfrige christliche Tradition, aber auch die — erschwerende — Tradition einer mit skeptischem Lächeln geübten kritischen Selbstzerfleischung.

Die Redaktion sah sich gezwungen, in der letzten Folge der „Stimmen österreichischer Katholiken zum Konzil“ (Nr. 1/1964) wegen Platzmangels einige Kürzungen vorzunehmen. Auf Wunsch von Frau Dozent Dr. Inge Gampl tragen wir den Schlußabsatz ihres Beitrages, der dem Bleistift des Umbruchredakteurs zum Opfer gefallen war, hiermit nach:

„Abgesehen davon aber könnte auch die Frage nach den möglichen Auswirkungen der voraussichtlich die Bestätigung erlangenden Beschlüsse frühestens dann einer mutmaßlichen Beantwortung zugeführt werden, wenn deren Wortlaut feststeht, wenn feststeht, ob etwa widersprechendes (österreichisches) Gewohnheitsrecht oder Diözesanrecht aufgehoben wird oder ob es in Kraft bleibt usw.

Dies alles kann aber für den Juristen ebenfalls erst nach der Promulgation Gegenstand fachlicher wie spekulativer Betrachtung sein.“

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