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In den Diözesen Wien, Graz-Seckau, Linz und Salzburg finden am 25. April wieder Pfarrgemein-deratswahlen statt. Wichtig bleibt: Nicht resignieren, mitmachen und möglichst besser machen

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In den Diözesen Wien, Graz-Seckau, Linz und Salzburg finden am 25. April wieder Pfarrgemein-deratswahlen statt. Wichtig bleibt: Nicht resignieren, mitmachen und möglichst besser machen

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„Der Pfarrgemeinderat ist jenes Gremium der Pfarre, das den Pfarrer bei der Leitung der Pfarre mitverantwortlich unterstützt und die Fragen des pfarrlichen Lebens berät, zusammen mit dem Pfarrer entscheidet und für die Durchführung der Beschlüsse sorgt." So lautet der Leitsatz der Pfarrgemeindeordnung der Erzdiözese Wien. Sie wurde als Versuch, christliche Gemeinde in neuer, nachkonziliarer Sicht zu verstehen, erarbeitet und erlassen.

Entsprechend der Aussage im Epheserbrief (Eph. 4,11-12) wird die Einheit der Sendung, jedoch eine Verschiedenheit des Dienstes betont und die fundamentale Gleichheit aller Glieder der Kirche hervorgehoben. Und was für die Kirche als ganze gilt, gilt auch für die Pfarrgemeinde.

Doch zurück zum Anfang. Die Aufbruchstimmung der Konzilsjahre führte zu Veränderungsbereitschaft, zu Erneuerungsgedanken. Viele Menschen erlebten neue Freude an der Kirche, waren zu Engagement bereit, stellten sich als Mitarbeiter zur Verfügung, wollten ihre Erfahrungen, Vor? Stellungen und Ansprüche einbringen. Auf allen Ebenen kirchlichen Lebens entstand Bewegung, vieles wurde neu gesehen und mit dynamischer Spiritualität erfüllt. Feierlich verkündete Konzilsdekrete bestärkten alle auf diesem Weg und führten zu großer Bereitschaft der Laien zur Aktivität.

Bald wurde klar, daß der neue Geist auch ein konkretes Reglement benötigte, eine kodifizierte Ordnung. Also entwarf man als eine verbindliche Grundlage die Ordnung für den Pfarrgemeinderat, der als kollegiales Leitungsgremium die zentrale Einrichtung der „neuen" Kirche an der Basis wurde.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden Abwehrreaktionen, Abblockungs- und Beharrungstendenzen spürbar. Waren hier nicht althergebrachte bewährte Einrichtungen gefährdet? Saß die Kirche nicht einer modischen Demokratisierungswelle auf? Wollte sie sich nicht selbst inv ein ihr wesensfremdes Korsett zwängen?

Doch die Zeit war gegen solche Stimmen. Pfarrgemeinderäte wurden gewählt und installiert, die Gremien nahmen ihre Arbeit auf. Nun aber zeigte sich, daß die euphorischen Erwartungen nicht immer erfüllt werden konnten.

Die Pfarrgemeinderäte mußten bald zur Kenntnis nehmen, daß bei Meinungsverschiedenheiten und Auffassungsunterschieden natürlich auch weiterhin die Meinung des Pfarrers ausschlaggebend blieb und es allein auf seine Entscheidung ankam. Die Pfarrer wichen auf mancherlei Weise dem eigentlichen Anliegen aus: durch entsprechende Kandidatenauswahl, durch Steuerung der Pfarrgemeinderatssitzungen, etwa durch Nichteinberufung, durch Beschäftigung mit Nebensächlichem, durch Umfunktionierung in ein reines Vollzugsorgan.

Manche Pfarrgemeinderats-mitglieder wurden verwirrt und verunsichert. Ursprünglich vage Bedenken über unklare Entscheidungskompetenzen bekamen nun Konturen. Damit befaßte Stellen reagierten verschieden, vermochten aber nichts zu lösen. Pfarrgemeinden, in denen das Modell nicht problemlos funktionierte, blieben sich selbst überlassen. Dies führte zu Resignation von Mitarbeitern oder zu Erstarrung in schwunglose Routine und zu einer Alibifunktion der so erwartungsvoll aufgenommenen Einrichtung.

Damit ich recht verstanden werde: Ich weiß natürlich, daß in sehr vielen Gemeinden die Entwicklung nicht so ist, daß dort der Pfarrgemeinderat wirklich die zentrale Stellung einnimmt, die ihm zugedacht ist, daß es kollegiale Kohsensbeschlüsse gibt, daß die Arbeit in der Gemeinde befruchtet wird.

Eine Schwierigkeit mit der „kirchlichen Demokratie" ergibt sich aus der Tatsache, daß ein Teil der Mitglieder gewählt, weitere ex of f o delegiert, einige vom Pfarrer ernannt werden. Der Vorsitzende —der Pfarre—steht fest, seine Stellung gleicht der eines Souveräns, gegen seinen Willen kann nicht entschieden werden. Bei der Bestellung des Pfarrers steht aber den Mitgliedern der Pfarrgemeinde keinerlei Mitwirkung zu.

Eine Neudefinition des Pfarrgemeinderates im Sinne eines Mitarbeitergremiums für den Pfarrer wäre zu überlegen. Denn was nützt die erlassene Ordnung, wenn sie durch den Vorsitzenden folgenlos unbeachtet bleiben, er sogar ohne weiteres ihr entgegen handeln kann?

Konfliktstoff kann sich auch ergeben, wenn der Vorsitzende auf bestimmten Gebieten keine Kompetenz besitzt. Wissens- und Ausbildungsdefizit beispielsweise im kommerziellen und pädagogischen Bereich machen Entscheidungsbefugnisse oder ein Vetorecht problematisch, während umgekehrt der kompetente Mitarbeiter nicht über solche Rechte verfügt.

Die Bereitschaft zur Mitarbeit schließt das Recht auf Mitsprache ein, verlangt aber auch Mitverantwortung, die wiederum Mitentscheidung bedingt. Dieser Punkt ist derzeit in der Pfarrge-meinderatsordnung nicht genügend geklärt und verankert.

Also abschließend: Ich halte die Bestellung von Pfarrgemeinderäten durch Wahl der Mehrheit ihrer Mitglieder für eine gute Sache. Ich weiß und bin überzeugt, daß in vielen Pfarren echte Teamarbeit bei kollegialer Entscheidungsfindung geleistet wird. Dies gibt für dort Hoffnung, wo es noch nicht so ist. Um aber mancherorts alte Konventionen, Widerstände, autoritäre Dünkel, Intrigen und Gruppeninteressen zu überwinden, muß die Frage echter Entscheidungsfindung eindeutiger formuliert werden.

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