"Ping Pong im Pfarrhaus"

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Welche Rolle spielt der Pfarrgemeinderat in der Pfarre? Ein Blick hinter Kirchenmauern.

Dienstag, 27. Februar, sieben Uhr abends. Schauplatz ist die 2500 Seelen-Gemeinde Erlach, im Bezirk Wiener Neustadt (Niederösterreich). Aus dem Pfarrhaus dringt noch Licht auf die Straße. Stimmen sind zu hören, dazwischen Gelächter. Es ist die letzte Sitzung des Pfarrgemeinderates vor der Wahl. Ein letztes Mal in dieser Konstellation. Mit etwas Wehmut, aber auch mit Stolz reflektieren die sechs Mitglieder mit Pfarrer Gottfried Klima und dem Diakon Franz Karall ihre Arbeit von fünf Jahren. Es hat sich viel getan, sowohl im Pfarrleben, als auch im Gemeindebild. Und der Pfarrgemeinderat hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen.

"Die wenigsten Gemeindemitglieder wissen, was der Pfarrgemeinderat eigentlich macht", sagt Claudia Schnabl, Kandidatin für die kommende Periode in Erlach. "Gesehen werden die Mitglieder nur, wenn sie auf Festen arbeiten. Aber das Wesentliche bleibt unsichtbar." Schließlich reichen die Tätigkeiten eines Pfarrgemeinderates viel weiter. Neben dem Organisieren zahlreicher Veranstaltungen, Messen und Aktionen, kann man ihn auch in der Vermittlerrolle zwischen der Pfarrgemeinde und der Kirche sehen.

Geringe Macht ...

Hans Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche" und ehemaliger Pfarrgemeinderat in Wien, nennt diese Dienste zwar notwendig, aber die Hauptaufgabe des Pfarrgemeinderates reiche viel tiefer. "Die Mitglieder sollten der Frage nach dem pastoralen Konzept und ihren Schwerpunkten nachgehen. Aber auch gesellschaftliche Probleme, wie Arbeitslosigkeit, sollten nicht vergessen und angesprochen werden." Seiner Meinung nach geschehe dies aber leider viel zu selten.

Pfarrer Othmar Alber, zuständig für die Pfarre Gumpendorf in Wien, sieht die Funktion des Pfarrgemeinderates anders. Die Mitglieder sollten den Pfarrer unterstützen, beraten und ihm helfen, in der Organisation, in der Gestaltung der Messen und in wirtschaftlichen Bereichen. "Den Pfarrgemeinderäten soll vor allem das Leben der Pfarre am Herzen liegen und sie sollten wenn möglich verschiedene Schichten und Berufe vertreten", so der Pfarrer. Der Psychotherapeut Heinrich Stummer, der sich in der kommenden Periode in Erlach als Pfarrgemeinderat versuchen will, geht noch ein Stück weiter: "Mir ist es ein Anliegen, die Pfarrgemeinde selbständig zu machen und sie als eine priesterlose Gemeinde vorzubereiten. Ich finde es zum Beispiel sehr problematisch, dass der Pfarrer im Rat Vetorecht hat." Seiner Meinung nach sei der Pfarrgemeinderat, oder überhaupt das Christentum zwar keine partei-, aber dennoch hochpolitische Angelegenheit.

... aber große Motivation

"Letztlich siegt immer die Klerikerschiene", so Hans Peter Hurka von "Wir sind Kirche". Früher habe es eine Schiedskommission, sozusagen einen "Runden Tisch" für Streitsituationen zwischen Pfarrgemeinderat und Pfarrer gegeben. Diese Institution sei in den 80er Jahren unter Kardinal Groër wieder abgeschafft worden. Nach Hans Peter Hurka hatte diese Kommission Sinn: "Der Pfarrgemeinderat hat keine Macht im Sinne von entscheiden können. Ein Beschluss geht nur dann durch, wenn der Pfarrer dem zustimmt."

Pfarrgemeinderat kann man aus den verschiedensten Motiven werden. Sei es aus Interesse an der Arbeit des Pfarrgemeinderates, oder weil man als Meinungsvertreter der Pfarrmitglieder fungieren will. Eines liegt aber allen angehenden und Noch-Mitgliedern am Herzen: die Mitgestaltung ihres Pfarrgeschehens.

Nicht immer fällt es aber den Pfarrgemeinderäten leicht, ihre Motivation und ihr Engagement zu bewahren. "Ist man im Pfarrgemeinderat, glauben die Leute, du bist für alles zuständig, wie zum Beispiel Abwaschen bei Festen und dergleichen. Ich kann aus Zeitmangel nicht mehr kandidieren, aber die Gemeinde nimmt an, dass man automatisch weitermacht", sagt das derzeit, mit 24 Jahren jüngste Mitglied des Erlacher Pfarrgemeinderates, Christoph Karall. Ergänzend meint Claudia Schnabl aus Erlach, da die Gemeindemitglieder wenig Einblicke in die Arbeiten des Pfarrgemeinderates hätten, trete bei vielen das Gefühl auf, dass der Pfarrgemeinderat bei Veranstaltungen mehr arbeiten sollte. "Durch die Mitsprache tragen wir Verantwortung und bieten so eine Angriffsfläche für die anderen", so Claudia Schnabl weiter.

Zu wenig Jugend

In den letzten Jahren ist die Kluft zwischen Kirche und Jugend immer größer geworden. "Die Gemeinden sind heutzutage aufgeklärter, aber in der Kirche hat sich in 2000 Jahren nichts geändert", meint der Erlacher Pfarrgemeinderat Christoph Karall.

Auch sein Dorfkollege Heinrich Stummer teilt diese Ansicht: "Es herrscht große Berührungsangst, sowohl von Seiten der Kirche als auch der Jugend. Wir sollten das Pfarrhaus öffnen, damit sich die jungen Leute willkommen fühlen. In meiner Kindheit war das Pfarrhaus der Jugendtreffpunkt, wo wir immer Ping Pong gespielt haben." Auch innerhalb der Pfarrgemeinderäte ist man sich der mangelnden Anteilnahme der Jugendlichen bewusst. Ein Blick auf die Kandidatenlisten in den Gemeinden zeigt, dass das Verhältnis Alt und Jung meist unausgeglichen ist. In der Gemeinde Erlach sind von zehn Kandidaten nur zwei unter 30. "Pfarrgemeinderat klingt für viele zu katholisch. Die Jugendlichen haben kein Interesse an einer, wie sie glauben, reinen Gebetsstunde", so Christoph Karall.

Diese Entwicklung ist kein ländliches Phänomen, auch in Wien, in Gumpendorf, herrscht ein Mangel an jungen Kandidaten. Von den insgesamt 21 Nominierten sind zwei aus dem Jahrgang 1980, und drei in den 70er Jahren geboren. "Es gibt bei uns zu wenig Jugend, aber auch die Mittelgeneration fehlt", klagt Edith Stepan, seit fast schon 40 Jahren Mitglied beim Pfarrgemeinderat in Gumpendorf. Zuversichtlicher zeigt sich der dortige Pfarrer Othmar Alber: "Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass sich die junge Generation derzeit kaum einbringt. Aber vielleicht steht unserer Pfarre ein großer Wechsel bevor, da sich vom alten Pfarrgemeinderat weniger aufstellen lassen."

Weichenstellung

"Ich glaube, dass der Pfarrgemeinderat wegen des in Österreich herrschenden Priestermangels mehr an Bedeutung gewinnen wird. Im nördlichen Teil der Erzdiözese Wien gibt es meist nur einen Pfarrer für mehrere Gemeinden, da ist der Rat wichtig für die Orientierung der Gemeinde", so die Erlacherin Claudia Schnabl. Würde der Pfarrgemeinderat aussterben, dann wäre das Pfarrleben vorbei. Vieles würde in der Pfarrgemeinde komplizierter werden, fügt Christoph Karall noch hinzu. Die Erlacher Gemeindemitglieder können aus Erfahrung sprechen, da sie zwei Jahre keinen eigenen Pfarrer hatten.

Grundsätzlich sei der Pfarrgemeinderat eine sinnvolle Institution. Trotzdem sollte man vor Veränderungen nicht zurückschrecken. "Wir sollten auf dieser Schiene weiterfahren, aber trotzdem ein paar Weichen stellen", sagt Christoph Karall. Auch Hans Peter Hurka ermutigt die Menschen als Pfarrgemeinderat zu kandidieren: "Die Mitglieder sollen eine Diskussion mit der kirchlichen Hierarchie nicht scheuen."

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