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Der Glaube und die Solidarität

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In der Styria-Dokumenta-tion „österreichischer Katholikentag 1983“ zieht dessen Geistlicher Assistent eine zukunftsbezoge-ne Bilanz. Hier ein Auszug aus dieser Publikation.

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In der Styria-Dokumenta-tion „österreichischer Katholikentag 1983“ zieht dessen Geistlicher Assistent eine zukunftsbezoge-ne Bilanz. Hier ein Auszug aus dieser Publikation.

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Ein Grundanliegen des Katholikentages war die Ubersetzung der Pastoralkonstitution: Kirche in der Welt von heute in das Leben der Kirche von Österreich. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen, besonders der Armen und Bedrängten aller Art sollen auch in Österreich Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi werden.

Diese grundlegende Solidarität war auch Anliegen der Arbeitstagungen und des Delegiertentages.

Es wurden viele Vorschläge gemacht, wie sie konkret verwirklicht werden kann.

Die Kirche verwirklicht diese Aufgabe vornehmlich in der Dia-konie. In dieser Grundfunktion verwirklicht sich die Zuwendung zu den konkreten Bedürfnissen und Nöten des Menschen, aber auch zu den gesellschaftlichen Herausforderungen der jeweiligen Zeit. Der Heilige Vater ist in seinen Ansprachen mehrfach auf diese Anliegen eingegangen. Er sprach von der Caritas, vom Eintreten für die Menschenrechte, für die Gastarbeiter...

Daß die Diakonie, in diesem Sinne verstanden, glaubwürdig verwirklicht wird, müßte ein wichtiges Anliegen des künftigen pastoralen und gesellschaftlichen Wirkens der Kirche sein. In den „Perspektiven der Hoffnung“ gibt es dafür viele Impulse. Wichtig sind auch jene zeichenhaften Handlungen, die diese Solidarität bekunden; z. B. die Art, wie der Heilige Vater den Kranken im Haus der Barmherzigkeit begegnet ist.

Es war auch ein Anliegen des Katholikentages, das Denken, die geistige Auseinandersetzung zu fördern. Dazu wurden z. B. Arbeitstagungen in den Diözesen abgehalten. Das Charakteristische dieser Tagungen war, daß sie offen waren für alle geistigen Richtungen und die verschiedenen Gruppen in der Kirche. Dieser breite Austausch der Meinungen wurde von vielen als positiv empfunden.

Es wurde vielfach der Wunsch ausgesprochen, solche Vorgänge auch nach dem Katholikentag fortzusetzen...

Im Rahmen des Katholikentages gab es viele Kontakte zu den

Trägern des öffentlichen Lebens: zu einzelnen Ministerien, zur Gemeinde Wien, zum ORF, zur Polizei etc. Diese Kontakte waren durchwegs positiv.

Katholikentag und Papstbesuch waren nicht nur ein kirchliches, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis, an dem die Vertreter des öffentlichen Lebens auch teilgenommen haben.

Daraus ergeben sich mehrere Fragen! Welche Funktion hat die Kirche in der Gesellschaft; ist sie eine verbindende Kraft zwischen den gesellschaftlichen Gruppen? Wie kann die Kirche die Kontakte zu den Institutionen des öffentlichen Lebens verstärken? Wie kann Repräsentanz eine Hilfe sein, Kirche präsent zu machen? Diese Fragen beginnen schon beim Pfarrer (Verhältnis zum Bürgermeister, Gemeinderat, zur Feuerwehr, etc.). Hier gibt es pa-storale Aufgaben, die in der Vergangenheit zu wenig beachtet wurden.

Viele Erfahrungen beim Katholikentag zeigten, daß die Grundlinien des Mariazeller Manifestes über das Verhältnis von Kirche, Staat und politischen Parteien weitgehend verwirklicht sind. Auf einigen Tagungen kamen aber auch die Grenzen und Nachteile dieses Manifestes zur Sprache. Es wurde öfters der Rückzug der Kirche und der Christen ins

Ghetto beklagt. - Auch sonst haben sich im politisch-gesellschaftlichen Leben viele Dinge verändert, auf die das Mariazeller Manifest keine Antwort gibt.

Auch in der Theologie gibt es neue Theorien über das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft (z. B. Kirche als Kontrastgesellschaft). Jedenfalls wäre es eine wichtige Auf gäbe, dieses Problem neu zu überdenken.

Es gab im Rahmen des Katholikentages viele Möglichkeiten, das Miteinander von Priestern, Laien und Ordensleuten positiv und in-spirativ zu erleben. Es gab auch keine reservierten Plätze für die einen oder die anderen bei den Großveranstaltungen. Das Volk Gottes zeigte sich als eine Gemeinschaft von Priestern, Laien und Ordensleuten.

Trotzdem gibt es eine Reihe von Problemen, die in Zukunft bedacht werden müßten. Es gibt sowohl die Angst vor einer Neokle-rikalisierung, wie auch die vor der Laisierung der Kirche. Auch die vielbesprochene Rollenunsicherheit der Priester und Ordensleute - in letzter Zeit auch der Laien, ist nicht überwunden.

Die Priester - das ist die Meinung vieler - waren im allgemeinen sehr schwer für die Mitarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung des Katholikentages und Papstbesuches zu gewinnen; auch wenn dann zum Schluß bei der Organisation der Fahrt und Unterbringung der Gäste viele mitgewirkt haben und auch sehr viele nach Mariazell gekommen sind. Die Ursachen müßten noch überlegt werden. (Es war auch ähnlich bei nicht wenigen kirchlich angestellten Laien.)

Diese Fragen sind in sich nicht so wichtig. Es ist nur die Frage, ob sie nicht ein Symptom tiefer liegender Probleme sind. Die Sorge des Mangels an Priestern hat sich durch Katholikentag und Papstbesuch wohl kaum geändert, öfter zur Sprache kam auf Tagungen die Frage der Laisierung der Priester und deren Situation, wie auch die Frage der viri probati. —

In kontemplativen Orden und in Frauenorden wurde viel für das Gelingen des Katholikentages und Papstbesuches gebetet. Am Katholikentag selbst organisierten die Orden das Geistliche Zentrum. Die Teilnahme in Mariazell war groß. Was die Situation der Orden betrifft, hat sich im Rahmen des Katholikentages nicht viel Neues gezeigt. Der Mangel an Nachwuchs ist bei den meisten Orden ein ähnliches Problem wie bei den Weltpriestern. Vielleicht gibt es Fernwirkungen.

Die Laien haben entsprechend der Tradition an der Vorbereitung und Durchführung des Katholikentages intensiv mitgewirkt. Die Katholikentag-Gremien und -Arbeitsgruppen standen unter der Leitung von Laien, auch wenn die dort anwesenden Priester wesentlich mitgestaltet haben. Grundsätzlich neu zu bedenken gibt es viel:

• Das Apostolat aller Laien, auch jeners die keiner Organisation und keinen Gremien angehören,

• die Spiritualität der Laien,

• die Bedeutung des organisierten Laienapostolates (gegenwärtig gibt es drei Gruppen: die Katholische Aktion, die Katholischen Verbände, die apostolischen Gruppen),

• diePositionderkirchlichange-stellten Laien.

Durch die Klärung der Position der Priester, Laien und Ordensleute dürfte aber das Miteinander, das von vielen, wo es vorhanden ist, sehr wohltuend erlebt wird, nicht zerstört werden. Z. B. die Priester sollen als Presbyteri-um den Laien nicht wie ein Block gegenüberstehen.

Bei den Vorgängen des Katholikentages sind auch strukturelle Veränderungen sichtbar geworden. In den fünfziger und sechziger Jahren hatten das Pfarrprinzip und die Katholische Aktion, die großteils auch der territorialen Seelsorge zugeordnet ist, eine Vorrangstellung. Inzwischen sind neue überpfarrliche Bewegungen und außerpfarrliche Gemeindeformen (Basisgemeinden, Zentren, Jugendvespern...) entstanden. Die Struktur ist vielfältiger geworden.

Katholikentag und Papstbesuch waren von zwei Haltungen geprägt: Glaube und Solidarität. Durch alle Ansprachen des Papstes gehen diese Anliegen: Intensivierung des Glaubens, des religiösen Lebens und Verstärkung der Solidarität unter den Menschen.

Die festliche Atmosphäre hat vielleicht überhören lassen, daß der Papst diesbezüglich sehr nüchterne und harte Diagnosen stellte. In der Ansprache an die Bischöfe sprach er von der scheinbaren Abwesenheit Gottes auch im Leben der aktiven Glieder der Kirche. „Der Katholik unserer Zeit führt wohl kaum von vornherein schon und mit Selbstverständlichkeit sein Leben im Angesicht Gottes ... Davon auszugehen, wäre eine Illusion.“ Oft beklagte er auch die mangelnde Solidarität unter den Menschen und Völkern. Er sprach sogar von einem Ubergang von der „Nachkriegs-“ zu einer neuen „Vorkriegsphase“. Auf diesem Hintergrund gewinnt der Aufruf zu Umkehr und zur Intensivierung des religiösen Lebens und einer verstärkten Solidarität seine Aktualität.

Glaube und Solidarität sollten Schwerpunkte der künftigen Tätigkeit der Kirche in Österreich sein.

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