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Ist der Katholikentag zeitgerecht?

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Seit dem letzten gesamtösterreichischen Katholikentag sind genau zehn Jahre vergangen. Ohne Zweifel stellte dieser Katholikentag damals eine unübersehbare kirchenpolitische Wegmarkierung dar. Es erhebt sich nun die Frage, ob, abgesehen vom Jahresdatum, heute wirklich wieder die Notwendigkeit für eine solche Veranstaltung besteht.

Schon im Herbst 1960 wurden die Arbeiten zur geistigen Vorbereitung des Katholikentages begonnen. Mehr als 400 Priester und Laien aus allen Bereichen des kirchlichen und öffentlichen Lebens haben in 16 Arbeitskreisen zuerst eine umfassende Bestandsaufnahme der heutigen Situation vorgenommen, dann eine wertende Beurteilung der erhobenen Fakten, Zustände und Veränderungen durchgeführt und schließlich bei der Studientagung in St. Pölten die Ergebnisse dieser Arbeit mit dem Auftrag der Kirche konfrontiert und die Folgerungen daraus gezogen. Diese vielfältige Vorbereitungsarbeit hat übereinstimmend ergeben, daß infolge der dynamischen Entwicklung •!« den vergangenen zehn Jahren heute eine gegenüber der Zeit des Katholikentages in Wien völlig geänderte Situation besteht, ein anderes Lebensgefühl vorherrscht und neue Möglichkeiten gegeben, aber auch neue Anforderungen gestellt sind. Diese veränderten Gegebenheiten machen eine Standortbestimmung und eine Überprüfung des Weges notwendig und erfordern neue Maßnahmen und Initiativen.

Diesen Notwendigkeiten gerecht zu werden ist der Sinn und der Auftrag des Katholikentages. Die bloße Tatsache, daß zehn Jahre seit dem letzten Katholikentag vergangen sind, wäre kein zureichender Grund gewesen, die bedeutenden Anstrengungen und Aufwendungen, die die Vorbereitung und Durchführung eines Katholikentages erfordern, von den Katholiken zu verlangen. Die Notwendigkeit für materielle Großveranstaltungen und für glanzvolle Repräsentation der Kirche vor der großen Öffentlichkeit besteht nicht. Deshalb wird beim Katholikentag in Salzburg auf die große Zahl und den äußeren Glanz des Ablaufes bewußt verzichtet. In den geistigen Vorgängen wird aber vom Wiener Katholikentag ausgegangen.

Die Form des Katholikentages als einer erweiterten Delegiertentagung ist für Österreich neu. Glauben Sie.

daß auf diese Weise wirklich das katholische Gesamtvolk mit seinen Wünschen und Sorgen zu Gehör kommen kann und daß die dort ausgesprochenen Zielsetzungen jeden einzelnen davon betroffenen Katholiken erreichen werden? Zu den früheren gesamtösterreichischen Katholikentagen waren alle Katholiken eingeladen. Die Zahl der Teilnehmer kam aus der Diözese des Veranstaltungsortes. Aus entfernteren Diözesen konnten nur wenige der Einladung Folge leisten. Die Zusammensetzung der Teilnehmer war dem guten Willen und dem Zufall überlassen. Nach Salzburg werden die namentlich eingeladenen Delegierten der Dekanate aller Diözesen, die Verantwortlichen aller Gliederungen und Werke der Katholischen Aktion und die im gesamtösterreichischen Komitee katholischer Organisationen zusammenarbeitenden Verbände sowie die katholischen Männer und Frauen kommen, die die führenden Positionen im öffentlichen Leben innehaben. Die Männer und Frauen, die sich beim Katholikentag um ihre Bischöfe versammeln, stellen also eine qualitative Auswahl und repräsentative Vertretung der Katholiken Österreichs dar. Die in Salzburg Anwesenden werden auch die Verpflichtung übernehmen, das in Salzburg Gehörte in ihre Dekanate, Organisationen und Gruppen hineinzutragen und dort wirksam werden zu lassen. Das katholische Volk wird in einer Predigt, für die in der Vorbereitungsarbeit eine gemeinsame Unterlage ausgearbeitet wurde, über die Intentionen des Katholikentages informiert und zum Rundfunkempfang der Hauptveranstaltungen eingeladen werden.

Ich glaube, daß auch die Journalisten einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung der in Salzburg ausgesprochenen Gedanken, Vorschläge und Forderungen leisten werden; wie sie es bei den früheren Katholikentagen in hervorragender und wirkungsvoller Weise getan haben. Darüber hinaus werden die Ergebnisse des Katholikentages publiziert und in geeigneter Weise allen zuständigen Adressaten übermittelt werden. Ich habe sogar die Überzeugung, daß die gewählte Form der Durchführung des Katholikentages in besonderem Maße geeignet ist, die anläßlich des Katholikentages erarbeiteten und ausgesprochenen Gedanken an die betreffenden Katholiken heranzubringen.

Der Katholikentag 1952 präsentierte eine Reihe von sehr klaren und aktuell zugespitzten Forderungen an Staat und Gesellschaft, Ist ein solches Forderungsprogramr.i auch von der Salzburger Tagung zu erwarten?

Welche Forderungen scheinen Ihnen auf Grund des bisher vorliegenden Arbeitsmaterials der Studientagung heute schon die hervorstechendsten zu sein? Die „Gebote der Stunde“, die zusammenfassende Schlußresolution des Katholikentages 1952, waren in einem mit Nachdruck fordernden Ton gehalten. Dieser Stil entsprach der Notsituation der Zeit. Damals war die Freiheit des einzelnen und des Staates in akuter Gefahr, die Würde des Menschen war in breiten Schichten auch von den materiellen Voraussetzungen her gefährdet. Der geänderten Situation entsprechend wird der Katholikentag 1962 kein „Forderungsprogramm“ bringen, sondern die Konklusionen aus Bestandsaufnahme und Beurteilung der Gegenwart werden als sachlich begründete Empfehlungen und als Vorschläge, die der Sorge um die Sicherung der Zukunft entspringen, vorgebracht werden.

Der Katholikentag 1962 wird sich in stärkerem Maße an die Katholiken selbst wenden und ihnen bewußt machen, daß es bei der Realisierung aller Vorschläge und bei der Erfüllung der Wünsche auf ihre initiative Mitarbeit in erster Linie ankommt.

Der Inhalt dieser Empfehlungen und Vorschläge wird sich gemäß dem Motto des Katholikentages, „Löscht den Geist nicht aus“, zuerst mit der Erneuerung des religiösen Geistes befassen, mit den Verpflichtungen, die sich aus der Gliedschaft zur Kirche ergeben. Die Notwendigkeit der Intensivierung des Laienapostolates und der Anpassung seiner Methoden an die Gegebenheiten der Zeit wird besonders betont> werden. Die Höherwertung alles Geistigen und Kulturellen im Privatleben, in Gesellschaft und Staat wird als unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung der Probleme der Gegenwart gesehen werden.

Der Sorge um die Jugend wird Ausdruck gegeben werden. „Was die Jugend glauben, lieben und können soll, muß zuerst von den Erwachsenen geglaubt, geliebt und gekonnt werden.“ Der erhöhte Schutz der Ehre der Frau wird von der Öffentlichkeit verlangt werden. Die Fortsetzung des Familienlastenausgleiches und die Bedacht-nahme auf die Familie bei der gesamten Gesetzgebung wird erwartet.

Das entscheidende Problem unserer Tage scheint uns für die Katholiken nicht so sehr die Auseinandersetzung mit erklärten und offenen Feinden zu sein als vielmehr der lautlose Abfall ganzer Schichten und die in erschreckendem Maße nachlassende Bereitschaft, sich überhaupt — ganz abgesehen vom eigentlich Religiösen — durch gci-.tige Vorgänge ansprechen oder gar im praktischen Handeln beeinflussen zu lassen. Sehen die den Katholikentag vorbereitenden Frauen und Männer irgendeinen praktischen W'g, diese ..Schallmauer“ zu durchbrechen? Zur Lösung dieses schwierigsten Problems gibt es kein Erfolgsrezept, keine praktische Anleitung, die genau beschrieben werden und die zu befolgen man alle Katholiken verpflichten könnte. Ein Weg, diese von Ihnen genannte „Schallmauer“ zu durchbrechen, wurde auch bei der Vorbereitungsarbeit und bei der Studientagung in St. Pölten nicht gefunden. Doch haben sich alle Arbeitskreise mit diesem Problem beschäftigt, und besonders der Arbeitskreis „Häresien in Österreich“ hat die auftretenden Fehlhaltungen, besonders den Indifferentismus und das völlige Bestimmtsein vom Materiellen her studiert. Alle Vorschläge zur Anpassung der Seelsorge- und Apostolatsmethoden an die Erfordernisse der Zeit zielen darauf hin, diese „Schallmauer“ zu schwächen und wenigstens stellenweise zu überwinden. Erfolge können nur durch immer wiederholtes Aufsuchen derer erzielt werden, die hinter dieser Mauer leben. Die urchristliche Methode des Hingehens und des Abwartens eines persönlichen „Kairos“ bei jedem einzelnen ist uns aufgetragen. Die Schaffung von Informationszentren in den Städten, die Benützung der Plakatwand, Postwurfsendungen könnten das Klima für erste Kontakte bessern. Die Tatsache, daß trotz Wohlstand und Konsumsteigerung eine volle Zufriedenheit doch nicht gefunden wird, die Erfahrung, daß trotz aller Planung und versuchter Ausschließung des Unvorhergesehenen die erträumte volle Existenzsicherung doch nicht gelingt, bieten jetzt schon feststellbare Chancen, wenigstens partielle und schrittweise Erfolge zu erzielen.

In wenigen Monaten versammelt sich die Weltkirche zum ökumenischen Konzil. Werden die großen Fragestellungen dieser Kirchenversammlung, die ja den Blick des einzelnen über die Diözesan- und Landesgrenzen hinaus erweitem sollen, auch diesen Katholikentag bewegen? Der Katholikentag war nicht bewußt für das Jahr des Konzilsbeginns geplant. Dem geistigen Vorgang nach bestehen deutliche Zusammenhänge zwischen Konzil und Katholikentag. Der Heilige Vater nannte unter den Hauptzielen des Konzils: „Das christliche Leben der Gläubigen zu erneuern und die kirchliche Disziplin den Bedingungen unserer Zeit anzupassen.“ Erneuerung des Glaubenslebens und Anpassung an die Zeit sind auch Ziele des Katholikentages.

Außerdem hat die Frage der Verantwortung für die Weltkirche in der Vorbereitungsarbeit einen breiten Raum eingenommen. Der Arbeitskreis „ökumenische Fragen“ beschäftigte sich auch eingehend mit dem Verhältnis zu den getrennten Christen in Österreich und betonte die Wichtigkeit der Begegnung mit den evangelischen Christen und der tatkräftigen Anteilnahme am Schicksal der Ostkirche.

Wenn der Katholikentag mit Gottes Hilfe nicht nur eine gelungene Veranstaltung wird, sondern der Anfang und Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung im Leben der Kirche in Österreich, dann wird diese neue Entwicklung die Katholiken in Österreich befähigter und bereiter machen, die Ziele der Beschlüsse des Konzils aufzunehmen und zu verwirklichen.

Wir dürfen hoffen, daß der Heilige Vater eine Botschaft an die in Salzburg mit ihren Bischöfen versammelten Vertreter der Katholiken Österreichs richten wird. Allein schon die Tatsache einer solchen Botschaft kann als Beweis für die Achtung des Katholikentages durch den Heiligen Vater und für die enge Verbindung mit ihm genommen werden.

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