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Signal aus Wien

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Das eigentliche Katholikentagsjahr ist angebrochen. Die Hauptveranstaltungen zwischen und 11. September, der Papstbesuch mit eingeschlossen, werden aber nur der Höhepunkt, nicht der alleinige Inhalt des österreichischen Katholikentages sein.

Der Tag ist kein Tag, sondern eine Ablauffolge von Zeichensetzungen. Dieser Prozeß hat schon Mitte des vergangenen Jahres mit der Studientagung über die Sakramente als Zeichen der Hoffnung begonnen. Studientage über Frieden und über Weltgestaltung haben gleichfalls bereits stattgefunden, sechs weitere stehen vor der Tür.

Schon der gesamtösterreichische Delegiertentag, der vom 29. April bis 1. Mai in Salzburg stattfinden wird, muß die entscheidenden Weichen für konkrete Ergebnisse stellen. Es wäre eine Illusion, wollte man von den Massenveranstaltungen im September noch echte Diskussionen, Gedankenklärungen, Entscheidungshilfen für Proklamationen und dergleichen erwarten.

Dennoch wird das, was im September in Wien erbetet und erdis- kutiert werden wird, nicht zu spät kommen. Der Prozeß der geistigen Erneuerung muß auch nach dem Katholikentag weitergehen. Der Papstbesuch darf keine Ende, er muß neuer Anfang sein.

Damit das der Fall sein kann, muß er gründlich vorbereitet werden. Was technisch und organisatorisch zu leisten ist, wird von einem emsigen Mitarbeiterheer seit Monaten vorbereitet. Der ORF wird seine neuesten technischen Stückln — von der Funkkamera über den Satellitenhubschrauber bis zur Video-Großprojektion mit Mitsubishiwand — spielen lassen.

Die geistige Mitsubishiwand müssen die Katholiken Österreichs selbst bereitstellen. Viele Menschen jenseits der Grenzen der Kirche, auch jenseits der

Grenzen Österreichs warten auf ein Signal aus Wien.

Es wird ein geistig-geistliches Signal sein müssen, und der Papst wird es daran ebensowenig fehlen lassen wie die Mitarbeiter in allen Diözesen Österreichs.

Es entspricht aber auch der Katholikentagsgeschichte, bei solchen Anlässen ein Signal im gesellschaftspolitischen Bereich zu setzen. Vor der Jahrhundertwende war es die Gründung einer Massenbewegung zugunsten einer christlichen Presse. Beim letzten Massenkatholikentag 1952 war es die Verkündung der Parole einer „freien Kirche in freier Gesellschaft“.

Was wird es 1983 sein? Sicher nicht, wenn es auch der Wien-Belagerung vor 300 Jahren durch das Osmanische Reich zu gedenken gilt, ein Kreuzzugsaufruf. Woran 1683 gemahnt, ist vielmehr die Erkenntnis, daß mit Kriegsheeren auch gutgemeinte Ziele auf Dauer nicht,realisierbar sind.

Was sich für den Katholikentag 1983 im Herzen Europas mit besonderer Schärfe aufdrängt, ist daher das Thema Frieden. Wenn sich die USA und die UdSSR nicht vorher noch in Genf einigen, werden zur selben Zeit wie der Papst in Wien auch die neuen NATO- Raketen in Westeuropa ankommen. Eine breite Gewitterfront zieht auf.

Einer der Arbeitskreise der Katholikentags-Studientagung zum Frieden empfahl den ersatzlosen Verzicht auf die Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses. Das wäre in einer Zeit, da Moskau bereits ernstzunehmende Kompromißvorschläge zur Debatte stellt, eine konterproduktive Situationserschwernis.

Aber ein anderer Vorschlag dieses Arbeitskreises gibt eine Richtung an, in die konkret weitergedacht werden müßte: „Vom neu-

tralen Österreich aus sollte eine Initiative zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone vom Nordkap bis Sizilien beiderseits des Eisernen Vorhangs ausgehen.“

Eng begrenzte atomwaffenfreie Zonen, wie sie einmal der jjolni- sche Rapacki-Plan vorsah, sind durch die technische Entwicklung heute überholt. Aber eine schrittweise atomare Entflechtung mit dem Ziel eines von Kernwaffen total befreiten Europa ist eine seriöse Diskussionsbasis.

Natürlich müßte ein umfassendes Abkommen in geeigneter Form dann auch der Tatsache Rechnung tragen, daß sowjetische Mittelstreckenraketen auch von östlich des Ural Ziele in Westeuropa erreichen können. Und im Bereich der konventionellen Rüstung müßte im Sinne der Erhaltung eines kriegsverhindernden Gleichgewichts die Akzente neu verteilt werden.

Das ergäbe viel Arbeit für Politiker und Militärstrategen, deren Aufgaben sich weder Bischöfe noch fachunkundige Laien im Detail arrogieren dürfen-

Aber sie alle dürfen, nein müssen jene, die für die Entscheidungen zuständig sind, zum Handeln drängen: bestimmt, unnachgiebig, lästig,’massiv.

Für Mitte Jänner hat Kardinal König Spitzenrepräsentanten bedeutender Weltreligionen zu einem Dialog über Friedensinitiativen nach Wien eingeladen. Schon gibt es Stimmen, die ein wenig abschätzig von V ersuchen reden, Religion auf die Stufe von „bloßen Friedensappellen“ zu reduzieren.

Das ist eine unzulässige Verniedlichung. Wenn einer der Katholikentagsimpulse der Erkenntnis dienen soll, daß „die Kirche für die Menschen da ist“, wird Friedenssicherung zum hohen Ziel. Wenn es stimmt, daß Feinde der Hoffnung Diebe des Lebens sind, wird der Dienst am Leben zur Pflicht derer, die Hoffnung leben und geben möchten.

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