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Betroffene selbst entscheiden lassen

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Mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen in der . Kirche „zuzulassen", reicht nicht. Das würde nichts Wesentliches ändern und das eigentliche Problem bestehen lassen: die autoritäre, zen-tralistische und patriarchale Struktur der römisch-katholischen Kirche. Sie steht in einem kaum versöhnlichen Widerspruch zu dem Bild von Menschenwürde, Mündigkeit und Mitverantwortung, das in den sozialen Bewegungen seit der Aufklärung gewachsen ist - gerade auch in der Frauenbewegung. Der Grundgedanke dabei: Betroffenen wird selbst Entscheidungskompetenz für ihre Situation zugestanden.

Nicht so in der Kirche. Hier wird einem unverheirateten Bischof „von Amts wegen" zugetraut, Scheidung und Neubeginn einer Ehe moralisch besser beurteilen zu können als die betroffenen Eheleute. Es steht ihm „von Amts wegen" zu, über die christlich adäquate Gestaltung einer homosexuellen Liebesbeziehung besser Bescheid zu wissen als das Paar selbst. Ebenso bleiben die Glaubenserfahrung und das ethische Urteil von Frauen zweitrangig, solange das Amtsverständnis immer Männern das Recht gibt, über Frauen zu urteilen. So kann einer Wissenschaftlerin, der ein gewähltes universitäres Gremium einen theologischen Lehrauftrag oder eine Professur zutraut, die Befähigung dazu vom Bischof mit einem Federstrich abgesprochen werden, weil sie ihm „zu feministisch" oder „nicht christlich genug" erscheint.

Das setzt sich auf anderen Ebenen fort. Daß ein Pfarrer einem engagierten Kreis junger Mütter nicht „erlaubt", eine bestimmte, von vielen Familien frequentierte Messe als Kindermesse zu gestalten, habe ich schon selbst erlebt. Zweifelsohne gibt es Bischöfe und Pfarrer, die anders vorgehen. Wer jedoch autokratisch über andere - zu deren und aller anderer

Bestem, versteht sich - entscheiden will, ist durch die Verfaßtheit der katholischen Kirche voll legitimiert. Auch wenn dies weder der Botschaft Jesu noch dem heutigen Empfinden von MenNchenwürde gerecht wird.

Natürlich betrifft diese Kritik nicht nur die österreichische Kirche. Aber auch an ihre Führung ergeht der Appell, der vielbeschworenen Mündigkeit der Lai(inn)en konkret Rechnung zu tragen bis hin zur Selbstverpflichtung, demokratische Entscheidungs-prozesse in Diözese oder Pfarrgemeinde auch dann zu ak zeptieren, wenn sie eigenen Wünschen entgegenlaufen. Meine Erneuerungsvorschläge gehen also dahin, auf allen Ebenen kirchlicher Entscheidungen Formen der Mitbestimmung für Geistliche und Laien, für Männer und Frauen und vor allem für die jeweils Betroffenen einzurichten und diese auch verbindlich zu machen.

Es ist mir wichtig festzuhalten, daß eine solche Erneuerung keinesfalls nur die Amtsträger betrifft. Gerade in den Gemeinden würde sie die anspruchsvolle Aufgabe mit sich bringen, Versorgungsdenken weitgehend abzubauen und selbst Verantwortung zu übernehmen.

Das erfordert einen Zuwachs an Dialogfähigkeit und Toleranz, damit die Eigeninitiativen verschiedener Gruppen Platz finden in einem gemeinsamen Ganzen. Eine solche Basiskirche könnte auf die Lebenssituation und die religiösen Anliegen einer Vielzahl von Menschen - Männern und Frauen, Alten und Jungen, voll integrierten und am Rand stehenden - beweglich und einladend reagieren. Bloß einem Bedürfnis müßte sie sich konsequent verweigern: dem Wunsch, eindeutig und ein für alle Mal gesagt zu bekommen, wo's lang geht.

Die Autorin ist

Theologin und Liedcrmacherin.

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