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Die Kirche darf kein Parteivorfeld werden

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Die FURCHE stellte Ende August (Nr. 35/1979) die Auffassungen des emeritierten Pastoraltheologen Ferdinand Klostermann zum Verhältnis Kirche und Staat, Kirche und Politik zur Diskussion. Neben zahlreichen Zuschriften setzte sich auch Gerhard Hartmann (FURCHE 38/1979) eingehend mit dem Beitrag auseinander. Klostermann meint nun, daß dieser Diskussion teilweise einige Mißverständnisse zugrunde liegen, die einer Aufklärung bedürften.

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Die FURCHE stellte Ende August (Nr. 35/1979) die Auffassungen des emeritierten Pastoraltheologen Ferdinand Klostermann zum Verhältnis Kirche und Staat, Kirche und Politik zur Diskussion. Neben zahlreichen Zuschriften setzte sich auch Gerhard Hartmann (FURCHE 38/1979) eingehend mit dem Beitrag auseinander. Klostermann meint nun, daß dieser Diskussion teilweise einige Mißverständnisse zugrunde liegen, die einer Aufklärung bedürften.

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In einem kurzen Aufsatz, der noch dazu gekürzt werden mußte, kann nicht die ganze Problematik eines so grundlegenden Themas behandelt werden. Ich habe mich darum mit voller Absicht auf eine ausführlichere, schon gedruckte Abhandlung verwiesen (N. Greinacher - F. Klostermann: „Vor einem neuen politischen Katholizismus?“), die aber offensichtlich von niemandem, der sich geäußert hat, eingesehen wurde.

Tatsächlich habe ich mich vor allem mit dem aktuellen Problem „Kirche und Parteipolitik“ und der damit zusammenhängenden Diskussion über die Nützlichkeit eines neuen und einzigen „politischen Ka- tholizimus“ in Österreich beschäf-

tigt, freilich nicht, ohne „die gesellschaftliche und gesellschaftskriti- sche (und damit auch politische) Aufgabe der Kirche“, gar nicht zu reden von den einzelnen Katholiken, ausdrücklich zu betonen.

Ich bin darum mit Gerhard Hartmann einer Meinung, daß nicht nur über Parteien Politik möglich sei und daß „politische Betätigung und politisches Handeln“ nicht nur „den Parteien zusteht“, wie in der zitierten Abhandlung sogar ausführlicher zu lesen gewesen wäre (S. 89-91).

Nur darf die Kirche nicht selbst zu einer politischen Partei oder deren Vorfeld werden und ist nach dem Zweiten Vatikanum zwischen dem Handeln der Kirche und dem der einzelnen Christen sehr wohl zu unterscheiden.

Es dürfte heute doch wohl klar sein, daß die Kirche die Botschaft Jesu Menschen aller Farben und Schichten unverkürzt zu verkünden hat und daß sie das um so glaubwürdiger tun kann, je parteipolitisch unabhängiger sie ist. Außerdem wird es doch wohl niemanden mehr geben, der meint, jene Botschaft Jesu decke sich schlechthin mit dem Programm irgend einer politischen Partei.

Die Kirche muß darum auch alles vermeiden, was den Anschein gibt, sie sei dennoch mit einer politischen Partei identisch oder doch in deren Vorfeld angesiedelt.

Als ich selbst als Kaplan nach Bad Ischl kam, war der Pfarrer noch Ortsparteiobmann der Christlich-sozialen Partei und der erste Kaplan Ortsparteisekretär, obwohl damals schon mindestens 50 Prozent der Kirchenbesucher sozialistische Wähler waren. Man kann sich vorstellen, mit welchem Vergnügen diese die Predigten ihrer Parteigegner angehört haben.

Es wird wohl nicht mehr viele Menschen geben, die sich solche Zustände wieder wünschen, wenngleich immer noch ausgesprochen rechtspolitische Blätter auf pfarrli- chen Schriftenständen angeboten werden und in kirchlichen Anschlagkästen zu finden sind.

Umgekehrt ist es verständlich, daß es seine Zeit braucht, bis sich der vom Zweiten Vatikanum geforderte politische Pluralismus in der Kirche und der weltanschauliche Pluralismus und eine entsprechendeToleranz in den politischen Parteien durchsetzt.

So kann man beobachten, daß zur gleichen Zeit Bischöfe parteipolitische Bekenntnistage mit feierlichen Messen und Predigten einleiten und Wahlempfehlungen geben, in der Bischöfe benachbarter Länder schon längst viel differenzierter agieren, beim Grundsätzlichen bleiben, sich um die Gewissensbildung der Katholiken bemühen und auch ihre Forde-

rungen weniger an den Gesetzgeber richten, sondern die Katholiken an ihre Pflichten erinnern (Publik-Forum 8, 1979, 11,4f.; Herder-Korrespondenz 33, 1979, 285-287).

Das Maß für die Kirche und auch für den einzelnen Christen; an dem er alles zu beurteilen hat, ist die Botschaft Jesu, an die die Interpretationen der Theologen, aber auch der Amtsträger letztlich zu messen und zu prüfen sind. Die Kirche ist darum nicht irgendein Verband wie andere auch (sollte Hartmann das meinen, irrt er), sie ist an die Botschaft Jesu gebunden; aber auch für den Chri- /Sten geht es in keiner Weise um einen Pluralismus unter allen Umständen, wie manche zu unterstellen scheinen, sondern nur um jenen, der von der Botschaft Jesu her gedeckt ist, wie in meinem Aufsatz deutlich genug ausgesprochen wurde.

Unter dieser Voraussetzung gibt es nun freilich einen legitimen Pluralismus, da sich konkrete politische Handlungsmaxime nun einmal von der Botschaft Jesu nicht ableiten lassen. Dazu bedarf es, wie das Zweite Vatikanum sagte, neben den Grundsätzen auch eines „guten fachlichen (eben politischen) Wissens und Könnens“.

Man kann solche klare Aussagen nicht als „unwidersprochen“ und die

Konsequenzen daraus als „dekadenten Pluralismus hinstellen und Meinungen ganzer Bischofskonferenzen als „unmaßgeblich“ bezeichnen, wenn sie einem nicht in den Kram passen.

Wir Katholiken und wir Christen, die im übrigen je nach Konfession in nicht wenigen Fragen auch wieder sehr verschiedener Meinung sind, sind nicht allein auf der Welt. Wir müssen die, die nicht unserer Meinung sind, durch Argumente zu überzeugen und für unsere Meinung zu gewinnen versuchen. Pressionen aller Art sind jedenfalls kein zielführender Weg.

Die Situation eines weltanschaulichen Pluralismus in der Gesellschaft von heute mag uns nicht gefallen, wir können sie aber nicht ändern. Damit hängt nun auch zusammen, daß Recht und Sittlichkeit heute nicht mehr einfach in Deckung gebracht werden können und daß „Moralität nicht durch Moralisierung des Rechts erreicht werden“ kann, wie auf dem 19. Internationalen Kongreß katholischer Moraltheologen und Sozialethiker festgestellt wurde; die fortschreitende Säkularisierung verlange „die immer entschiedenere

Emanzipation des Rechts von der Moral“.

Das hat gewiß Folgen und ruft den einzelnen, etwa die schwangere Frau, zur „freien, sittlichen, allein vor dem eigenen Gewissen zu verantworten-

den Entscheidung“. Mündigkeit sei nicht durch ständige Reglementierung zu erreichen, wie umgekehrt die gesetzliche Straffreiheit keine moralische Rechtfertigung einer Handlung und auch kein Recht auf solch eine Handlung mit sich bringe.

Katholische Moraltheologen erwarten sich von solchen Überlegungen über das Verhältnis von Recht und Sittlichkeit auch eine Entdramatisierung der stark emotionalisierten Diskussion um die Probleme der Strafrechtsreform (Kathpreß 19. 9. 1979, n. 181, 5; 20. 9.1979. n. 182,4; 25. 9. 1979, n. 185,6; 26. 9. 1979, n. 186,6).

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